Glücksspiel - Grün-Schwarz bleibt bei der Schließung bisher legaler Spielhallen hart / Kommunen müssen den baden-württembergischen Sonderweg durchsetzen

Glücksspiel: Grün-Schwarz bleibt bei der Schließung bisher legaler Spielhallen hart

Von 
Peter Reinhardt
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Der Autor einer Feldstudie fand in jedem zweiten Spielhallen-Betrieb verbotene Geräte. Teilweise wurde er bedroht. © dpa

Stuttgart. In wenigen Tagen droht Hunderten Spielhallen in Baden-Württemberg das endgültige Aus, weil sie den Mindestabstand nicht einhalten. Alle betroffenen Betreiber müssen neue Anträge stellen. „In den meisten Städten werden die Auswahlentscheidungen rechtzeitig zum 30. Juni getroffen“, sagt Ordnungsdezernent Sebastian Ritter vom Städtetag. Derweil kämpft der Automatenverband für die Betriebe. Der grün-schwarzen Landesregierung hat der Lobbyverband eine Feldstudie zu illegalen Geldspielgeräten übergeben. Die verbotenen Spiele haben sich danach flächendeckend ausgebreitet.

Der illegale Markt blüht hinter verschlossenen Türen, in Pseudo-Lokalen, die nur zum Schein ein gastronomisches Angebot vorweisen, in Vereinsheimen oder in Hinterzimmern von geduldeten Sportwettenannahmestellen. Der Autor der Studie war Jürgen Trümper, der langjährige Geschäftsführer des Arbeitskreises gegen Spielsucht. In dreieinhalb Monaten hat er fast 1150 solcher Spielstätten in zehn Bundesländern auf eigenes Risiko besucht. Manchmal wurde er bedroht. In jedem zweiten Betrieb entdeckte er verbotene Geräte.

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Die sogenannten Fungames sind Spielautomaten, die mit Plastikchips gespielt werden. Eventuelle Gewinne werden an der Theke ausbezahlt, aus schwarzen Kassen. Die Geräte begrenzen weder die maximale Spieldauer noch den Höchsteinsatz. „Die Fungames sind von ihren Spielabläufen und der potenziellen Gewinnanmutung den amtlich zugelassenen Geräten deutlich überlegen und damit weitaus attraktiver für die Gäste“, erläutert Trümper. Er geht davon aus, dass die Angebote vielerorts von kriminellen Clans gesteuert werden.

Trümper war für die Feldstudie unter anderem auch in Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz unterwegs. Allein in Baden-Württemberg hat er elf Spielstätten mit verbotenen Automaten entdeckt. Als „ausgeprägten Hotspot“ beschreibt er Rheinland-Pfalz. Allein in der Stadt Ludwigshafen wurde er in 97 von 118 besuchten Betrieben fündig. Der Autor betont, dass seine Untersuchung nicht repräsentativ ist, da er sich bei der Wahl der Lokalitäten von seiner Erfahrung leiten ließ. Dabei sind die Fungames wegen ihres hohen Suchtpotenzials seit 2006 verboten und waren für einige Jahre auch weitgehend verschwunden. Trümper fordert ein schärferes Vorgehen. Die kommunalen Ordnungsämter seien überfordert.

„Es gibt ein Vollzugsproblem“

Dass der Automatenverband Trümpers Studie finanziert hat, ist kein Zufall. Zu gut passt dem Verband die Forderung des Experten ins politische Konzept, dass „seriöse Glücksspielanbieter vor illegalen geschützt werden müssen“. Verbandschef Georg Stecker kritisiert: „Es gibt da ein Vollzugsproblem.“

Seit Wochen kämpft Stecker mit Demonstrationen, Gesprächen auf allen politischen Ebenen und einer Anzeigenkampagne für den Erhalt der 1800 Spielhallen im Südwesten. 80 Prozent müssten nach jetzigem Stand schließen, vor allem weil sie den Mindestabstand nicht einhalten. 500 Meter sind bis zur nächsten Schule und der nächsten Kita sowie zum nächsten Casino verlangt. Andere Länder schreiben zum Teil nur 100 Meter Abstand vor. Bayern, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen haben auf den letzten Drücker weitere Übergangsregelungen erlassen.

Obwohl nach Berechnungen des Automatenverbandes in Baden-Württemberg 8000 Arbeitsplätze bedroht sind, bleibt die grün-schwarze Regierung bei ihrem Sonderweg. „Dies in erster Linie aus Gründen des Spieler- und Jugendschutzes“, heißt es aus dem Staatsministerium.

Den Schwarzen Peter haben jetzt die Ordnungsämter, die bei Abstandskonflikten entscheiden müssen, welcher Betrieb weitermachen darf. Ritter: „Da muss man jeden Fall einzeln abwägen.“

Korrespondent Landespolitischer Korrespondent in Stuttgart

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