Das Wichtigste in Kürze
- Andreas Stoch lief barfuß von Heidenheim nach Ulm aus Spaß und wegen eines Versprechens.
- Der SPD-Politiker setzt sich für eine stärkere Partei bei der Landtagswahl 2026 ein.
- Stoch sieht Chancen für die SPD in einer Koalitionsregierung mit einem weiteren Partner.
Mannheim. Herr Stoch, ich weiß nicht, ob Sie den japanischen Filmklassiker „Barfuß durch die Hölle“ kennen. So schlimm war Ihr Fußmarsch von Heidenheim nach Ulm nicht, oder?
Andreas Stoch: Ich kenne den Film nicht, aber nein, das war bei mir kein Gang durch die Hölle. Natürlich haben meine Füße danach geschmerzt, aber ich war stolz, das geschafft zu haben.
Müssen Sie sich als Mann ständig beweisen, dass Sie ein toller Kerl sind?
Stoch: Nein. Ich habe aber immer gern Sport gemacht, nie um mir etwas zu beweisen, sondern aus Spaß und Freude an der Bewegung. Die Geschichte mit dem Barfußlauf habe ich eher meinem großen Mundwerk zu verdanken. Vor der Ulmer OB-Stichwahl im Dezember 2025 habe ich gesagt: Wenn Martin Ansbacher gewinnt, laufe ich barfuß von Heidenheim nach Ulm. Dieses Versprechen habe ich eingelöst.
Und wohin laufen Sie, wenn die SPD bei der Landtagswahl im März 2026 unter 15 Prozent bleibt?
Stoch: Ich habe in einem Interview mal gesagt, dass die SPD auf mindestens 15 Prozent kommen muss, wenn sie an der nächsten Regierung beteiligt sein will, und das ist mein Ziel. Ich reihe mich nicht automatisch hinter den Grünen oder der AfD ein, sondern habe den Anspruch, dass die SPD wieder deutlich stärker wird.
Der Wahlkampf und die Aufholjagd fangen erst an.
Gegenwärtig krebst die SPD bei zehn Prozent herum.
Stoch: In den Umfragen, und die ändern sich immer wieder. Ich erinnere nur daran, wie die SPD im Bund vor der Wahl 2021 ähnliche Werte hatte und ein halbes Jahr später wurde Olaf Scholz mit 26 Prozent zum Kanzler gewählt. Der Wahlkampf und die Aufholjagd fangen erst an.
Bei der Landtagswahl 2021 waren Sie ja schon einmal Spitzenkandidat und haben das bisher schlechteste Ergebnis der SPD eingefahren. Sind Sie jetzt nicht in der Bringschuld?
Stoch: 2021 waren wir mitten im Corona-Lockdown, da war Wahlkampf kaum möglich. Gleichzeitig trat damals mit Winfried Kretschmann der populäre Amtsinhaber wieder an. Diesmal werden die Karten definitiv neu gemischt.
Das heißt aber im Umkehrschluss, dass zehn Prozent 2026 im Vergleich zu den elf Prozent von 2021 ein extrem schlechteres Ergebnis wären, denn Sie sagen ja selbst, dass die Ausgangslage jetzt für Sie besser ist.
Stoch: Landtagswahlen hängen auch immer stark von der Bundespolitik ab. 2021 haben wir zwar nur elf Prozent geholt, aber ein halbes Jahr später bei der Bundestagswahl 22 Prozent in Baden-Württemberg. Die Stimmung hatte sich geändert.
Erklären Sie doch mal, warum die Leute überhaupt die SPD wählen sollen.
Stoch: Weil die CDU und die Grünen dieses Land aus meiner Sicht weit unter Wert regieren. In den vergangenen neun Jahren …
… Sie meinen, seitdem die SPD in der Opposition sitzt …
Stoch: … ist in Baden-Württemberg unter Kretschmann kaum etwas vorwärtsgegangen. Schauen Sie sich doch die Wirtschaft an. Im bundesweiten Vergleich schneidet Baden-Württemberg bei der Wachstumsrate ganz schlecht ab. Auch der Wohnungsmangel ist bei uns am größten. Und es fehlen 60.000 Kitaplätze und viele Lehrerstellen. Dabei steckt in diesem Land so viel Potenzial. Wir müssen vor allem die Industriearbeitsplätze in Baden-Württemberg halten.
Das ist jetzt keine besonders originelle Idee.
Stoch: Meinen Sie? Ein Beispiel. Daimler will bis zu 20.000 Arbeitsplätze nach Ungarn verlagern. Und was sagt Verkehrsminister Winfried Hermann dazu? Das schmerze ihn nicht. Wer einen solchen Unfug verzapft, hat Baden-Württemberg nicht verstanden. Glauben Sie mir: Mich schmerzt das sehr. Da steht die SPD an der Seite der Beschäftigten, Gewerkschaften und Betriebsräte.
Auch Ihre SPD könnte doch die Autoindustrie nicht retten, wenn sie nach der Landtagswahl an die Regierung kommen sollte.
Stoch: Natürlich kann auch eine Landesregierung etwas tun. Gleichzeitig ist es entscheidend, dass vom Bund die richtigen Signale kommen. Was in der Berliner Koalition auf SPD-Druck beschlossen wurde, hilft uns aber auch in Baden-Württemberg. Investitionspaket, Unternehmensteuerreform …
… die Ökonomen sagen, die kommt zu spät …
Stoch: … dann können wir uns ja gleich ins Grab legen. Nein, ich glaube schon, dass wir das Ganze noch drehen können. Denken Sie nur an die 100 Milliarden Euro, die an die Länder und die Kommunen gehen. Andere SPD-geführte Länder wie Niedersachsen oder Rheinland-Pfalz haben bereits konkrete Investitionspläne aufgelegt – bei uns passiert das nicht, weil CDU und Grüne sich blockieren. Ich habe einen Baden-Württemberg-Plan gefordert. Denn jeder weiß doch: Öffentliche Investitionen ziehen private Investitionen nach.
Sie waren von 2013 bis 2016 Kultusminister, sind also im Stoff drin. Ärgert es Sie, dass Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir mit Forderungen wie nach einer Bildungs-ID in die Nachrichten kommt, während Ihre Vorschläge auf wenig Resonanz stoßen?
Stoch: Cem Özdemir genießt durch seine Bekanntheit eine größere mediale Aufmerksamkeit. Ich merke allerdings, dass die Grünen derzeit sehr verunsichert sind, weil sie in den Umfragen mit sehr großem Abstand hinter der CDU stehen.
Und auch hinter der AfD.
Stoch: Richtig, deshalb würde ich da nicht von einem Duell reden wollen.
Sie glauben also, dass Manuel Hagel und seine CDU auf jeden Fall gewinnen werden?
Stoch: Können Sie sich vorstellen, wie die Grünen diesen Rückstand aufholen sollen? Und wenn ich dann bei manchen Ihrer Kollegen lese, dass es schon klar sei, dass nach der Landtagswahl Grüne und Schwarze wieder zusammen regieren werden, nur in umgekehrter Reihenfolge, dann kann ich denen nur einen Rat geben: Hört euch mal in Stuttgart ein bisschen um. Dann werdet ihr feststellen, dass die Lust bei vielen in der CDU nicht groß ist, wieder mit den Grünen eine Regierung zu bilden.
Und deshalb bieten Sie sich jetzt schon einmal als Koalitionspartner an.
Stoch: Wir werden sehen, was die Wählerinnen und Wähler entscheiden, und zwar erst am 8. März 2026. Eine entscheidende Rolle könnte spielen, ob es die FDP wieder in den Landtag schafft …
… FDP-Spitzenkandidat Hans-Ulrich Rülke hat die Abstimmung ja schon zur „Mutter aller Wahlen“ hochgejazzt …
Stoch: Für die FDP mag er da sogar Recht haben. Wir als SPD wollen am liebsten in einer Koalition mit einem weiteren Partner das Land mitgestalten.
Nach dem Ampel-Aus im Bund halte ich Dreierbündnisse nicht für erstrebenswert.
Und wenn es nicht für ein Zweierbündnis reicht?
Stoch: Nach dem Ampel-Aus im Bund halte ich Dreierbündnisse nicht für erstrebenswert. Anderseits regieren in Rheinland-Pfalz SPD, Grüne und FDP schon seit neun Jahren sehr erfolgreich.
Wen hätten Sie denn am liebsten als Ministerpräsident? CDU-Spitzenkandidat Hagel oder Özdemir?
Stoch: Politik ist doch kein Wunschkonzert.
Wer steht Ihnen politisch näher?
Stoch: Wir müssen jetzt nicht lange drumherum reden. Natürlich gibt es zwischen der SPD und den Grünen mehr Schnittmengen. Aber auch für eine Zusammenarbeit mit der CDU sehe ich Möglichkeiten. Herr Hagel ist jetzt zum Beispiel der Meinung, dass die frühkindliche Bildung gebührenfrei sein soll. Das fordern wir schon seit neun Jahren. Es gibt also schon Gemeinsamkeiten.
Wenn man sich die Spitzenkandidaten anschaut, könnte man sie so einordnen: Hagel ist eher der Typ Schwiegersohn, Özdemir der Schwiegervater und Rülke der polternde Großvater. Wo stufen Sie sich denn ein?
Stoch: Ich bin auf jeden Fall ein Familienvater, der aus der Mitte der Gesellschaft kommt. Und wichtiger finde ich eigentlich, dass die Kollegen Hagel, Özdemir und Rülke anders als ich keine Regierungserfahrung im Land haben.
Andreas Stoch
Andreas Stoch (55) wurde in Heidenheim geboren.
Der Schwabe studierte Rechtswissenschaft an den Universitäten Tübingen und Heidelberg . Von 1998 bis 2013 war Stoch als Rechtsanwalt in Heidenheim tätig.
Seit 2009 sitzt Stoch für die SPD im Stuttgarter Landtag . Der Sozialdemokrat war in der grün-roten Koalition von 2013 bis 2016 Kultusminister. Seit 2016 ist er als Fraktionschef der Oppositionsführer seiner Partei. 2018 übernahm Stoch auch den Landesvorsitz. was
Özdemir ist aber zum Beispiel viel bekannter als Sie.
Stoch: Das mag sein. Und wenn die nächste Wahl jetzt schon auf ein Duell zwischen Hagel und Özdemir reduziert wird, wird es für mich auch nicht leichter, medial durchzudringen. Trotzdem glaube ich nicht, dass Özdemir im konservativen Lager so Stimmen fangen kann, wie es Kretschmann konnte.
Und wenn Sie und die SPD dann doch die Schlagzeilen beherrschen, sind das dann auch negative. Wie beim Fall Daniel Born aus Schwetzingen, der ein Hakenkreuz auf einen Stimmzettel geschmiert hat.
Stoch: Keine Bange, es gibt schon positive Nachrichten aus der SPD, das Investitionspaket, der Bau-Turbo. Aber der Vorfall mit Daniel Born bleibt unfassbar. Ich kenne ihn als überzeugten Demokrat. Nach dem Fehler hat er richtigerweise die Konsequenzen gezogen und seinen Posten als Landtagsvizepräsident aufgegeben und die Fraktion verlassen.
Sein Mandat hat er aber behalten.
Stoch: Ja, da ist er unserer Aufforderung nicht nachgekommen. Das schwächt die Fraktion, wir sind einer weniger. Und Daniel Born hat kein Direktmandat, er kam mit und durch die SPD in den Landtag. Gleichwohl schmerzt mich die menschliche Tragik in diesem Fall.
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