Wie Südwest-Unternehmen an Aufträge auf dem Balkan kommen

Baden-Württemberg ist als Exportland eine große Nummer. Das Wirtschaftsministerium tritt dabei als Türöffner für die Betriebe auf. Staatssekretär Patrick Rapp hat eine Balkan-Tour nach Slowenien und Kroatien unternommen

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Walter Serif
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Panorama der slowenischen Hauptstadt Ljubljana. Die City ist autofrei. Ljubljana wurde 2016 als „Grüne Hauptstadt Europas“ ausgezeichnet. © Thomas Brey/dpa

Autos, nein danke! Für viele Menschen in Deutschland klingt das wie eine Horrorvision, für Ljubljanas Bewohner ist dieser Traum wahr geworden. Seit 2007 haben Autos nichts mehr in der City zu suchen. Und seit 2013 ist für sie auch die Slovenska cesta tabu. Vorher bretterten dort jeden Tag – nur 400 Meter vom Zentrum entfernt – 60 000 Fahrzeuge durch. Das große Wohnzimmer stinkt nicht mehr nach Abgasen. Wer schlecht zu Fuß ist, aber einkaufen will, kann sich ein E-Taxi kostenlos mieten.

Es geht auch ums Geschäft

Schon dieses Beispiel belegt, dass die Menschen auf dem West-Balkan keine Hinterwäldler sind. „Wir blicken gelegentlich mit einer gewissen Arroganz auf den Balkan. Dabei können wir von Ländern wie Slowenien und Kroatien etwas lernen. Auch sie treiben die Transformation voran“, sagt Wirtschaftsstaatssekretär Patrick Rapp (CDU). Und natürlich denkt der Politiker auch ans Geschäft: „Slowenien und Kroatien sind für uns Handelspartner mit großen Wachstumspotenzialen.“

Gegenwärtig trägt dieser Handel wenig zu Baden-Württembergs Reichtum bei. Die Unternehmen exportierten 2022 Güter im Wert von nur 1,1 Milliarden Euro nach Slowenien, dort leben ja auch gerade mal rund zwei Millionen Menschen. In der Außenhandelsstatistik reicht das nur für Platz 35. Mit 736 Millionen Euro sogar niedriger ist das Exportvolumen aus dem Kroatien-Geschäft, obwohl die Einwohnerzahl mit knapp vier Millionen höher ist.

Weil Staatssekretär Rapp aber davon überzeugt ist, dass Luft nach oben ist, hat er eine viertägige Delegationsreise mit Unternehmen nach Slowenien und Kroatien unternommen. „Wir waren als Türöffner unterwegs“, sagt Rapp. Interessant ist, dass er Vertreter von mittelständischen Betrieben mitgenommen hat, die ihr Geld vor allem mit der grünen und digitalen Transformation verdienen. Gerade in diesen Bereichen hat Deutschland Nachholbedarf. Aber können wir von diesen kleinen Ländern etwas lernen, die in den vergangenen Jahren von Naturkatastrophen wie Erdbeben oder Überschwemmungen gebeutelt wurden?

Reisen bildet

Gemach. Man muss ja nicht gleich nach neuen Vorbildern suchen, aber es hat sich auch auf der Balkan-Tour wieder einmal eine alte Lebensweisheit als wahr erwiesen: Reisen bildet. Und wenn es nur ums eigene Geschäft geht. „Mit den eigenen Augen sieht man besser. Wir konnten da schon einige Vorurteile abbauen. Zum Beispiel diese, dass Slowenien zu klein und die Lohnkosten dort zu hoch sind. Wir müssen da in Zukunft noch mehr Informationen bereitstellen“, sagt Barbara Effenberger von der IHK Region Stuttgart, die bereits viele internationale Delegationsreisen organisiert hat. Ihre Bilanz ist positiv: „Die Ausbeute war gut, wir konnten vor allem in Kroatien viele gute Gespräche anbahnen.“

In gewisser Weise hatte das etwas von einem Speed-Dating auf dem Balkan. „Normalerweise dauert es doch Monate, bis Unternehmen solche Kontakte herstellen und für sich nutzen können. Jetzt konnten sie diese schon in wenigen Tagen knüpfen“, freut sich Effenberger.

Auch Carlos Schmidt hat wertvolle Gespräche vor allem mit kroatischen Ansprechpartnern in Zagreb geführt. Der Geschäftsführer bei itomatics, einem Ulmer Spezialisten für Digitalisierung, hat unter anderem mit Unternehmen aus der Landwirtschaft gesprochen. „Wir können mit unseren digitalen Tools die für den Boden des Landwirts besten Pflanzen individuell vorschlagen, Erträge und Ernteausfälle quantifizieren oder mit Blick auf die Entwicklung der Weltmarktpreise dem Landwirt empfehlen, ob er zum Beispiel lieber Weizen oder Mais anbauen soll“, sagt Schmidt, der damit punkten konnte.

Ein Booster für die Wirtschaft

Das freut natürlich auch den Staatssekretär, der als Politiker mit unternehmerischer Erfahrung weiß, wie die früheren Kollegen aus der Wirtschaft ticken und sie deshalb auch nicht mit überflüssigen Vorträgen langweilt. Baden-Württemberg betreibt schon seit den Zeiten Lothar Späths aktive Wirtschaftsförderung und beackert die Absatz- und Beschaffungsmärkte. Ein wichtiger Akteur ist dabei die Agentur Baden-Württemberg International. Sie arbeitet bei Delegationsreisen mit den Außenhandelskammern (AKA) zusammen. Diese hat das „Wall Street Journal“ als „Geheimwaffe der deutschen Wirtschaft“, bezeichnet, weil ihr weltweites Netz als Booster für die deutsche Exportwirtschaft dient.

In Slowenien ist für diesen Job Dagmar von Bohnstein verantwortlich. Sie stuft das Land zwar als „ein Juwel in der Mitte Europas“ ein, bezeichnet die Lebensbedingungen als „super“, und die Leute als „top“, weil sie „sehr gut ausgebildet sind und aktiv mitmachen“. Von Bohnstein sieht aber auch die Probleme. „Die Vorgängerregierung in Slowenien hatte den Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer von 51 auf 45 Prozent gesenkt. Das war ein Schritt in die richtige Richtung. Aber dieser setzt schon so früh ein, dass kaum gute Leute zu bekommen sind“, kritisiert sie. Und vermerkt, dass die neue Regierung den Spitzensteuersatz wieder auf 50 Prozent erhöht hat. „Es gibt also Hindernisse, deshalb sind wir natürlich auch immer in Gesprächen und werben um Verständnis für den Blick der deutschen Wirtschaft in Slowenien.“

Schlüsselstandort für Mahle

Trotz dieser Hindernisse hat der Stuttgarter Autozulieferer Mahle sich in Sempeter niedergelassen. Dort werden nicht nur irgendwelche Teile zusammengeschraubt. „Sempeter ist für uns ein Schlüsselstandort, ein Zentrum der E-Mobilität basierend auf mehr als 60 Jahren Elektromotorkompetenz, das wir hier in Windeseile vorangetrieben haben“, sagt Armin Messerer. Er ist bei Mahle global für das Elektromotor- und Mechatronikgeschäft zuständig. Die Aktivitäten in Slowenien ergänzen sich nach seinen Worten „hervorragend“ mit den Antriebsstrang-Systemkompetenzen von Mahle in Deutschland“.

Obwohl Mahle ein gutes Beispiel dafür ist, wie die Wirtschaft von den klugen Köpfen profitieren kann, stellt sich auf der Reise schnell heraus, dass die zwei Ländern ebenfalls unter einem Problem leiden, das wir auch zu Hause kennen: Fachkräftemangel. Deutschland braucht pro Jahr eine Nettozuwanderung in der Größenordnung von 400 000, weil so viele Babyboomer in Rente gehen. Die meisten Slowenen werden nicht auswandern, sie leben in einem schönen Land mit einem höheren Bruttoinlandsprodukt als in Tschechien oder Ungarn. Den Kroaten geht es wirtschaftlich schlechter, doch es sind in der Vergangenheit bereits 400 000 Kroaten nach Deutschland ausgewandert.

Grüner Wasserstoff lockt

Kroatien ist aus zwei anderen Gründen interessant. Während in Slowenien der Ausbau der Erneuerbaren Energien – vor allem Wasserkraft – an seine Grenzen stößt, bietet Kroatiens Küste ein enormes Ausbaupotenzial für Windenergie. Auf Sicht wird aus dem Stromimport- ein Stromexport-Land. Außerdem würde der Südwesten langfristig gerne Wasserstoff aus einem LNG-Terminal beziehen. „Grüner Wasserstoff ist die Zukunft und der Grundstoff der Energiewende“, sagt Rapp.

Kroatien setzt nicht nur auf erneuerbare Energie, es lebt vom Tourismus, der mehr als ein Viertel des Bruttoinlandprodukts ausmacht. Doch die Branche bekommt die Folgen des Klimawandels bereits zu spüren. Die Hitze schränkt den Badeurlaub ein. Inzwischen ist es mancherorts auch am Nachmittag zu heiß. Die meisten Hotels stehen aber den Stränden. Das Hinterland in Slawonien mit seiner herrlichen Natur ist touristisch nicht erschlossen. Dort gibt es kaum Unterkünfte. Das wird sich ändern müssen. „Der Strandurlaub ist für viele Menschen ohnehin nicht mehr das Maß der Dinge. Der Trend zu mehr Naturtourismus nimmt zu. Er bietet bei ausgebauter Infrastruktur neue Möglichkeiten“, sagt Rapp.

Kroatien hat da noch großen Nachholbedarf, aber selbst wenn es wie in Baden-Württemberg überall Angebote gibt, ist das mit dem Naturtourismus so eine Sache: „Wenn die Leute Urlaub machen wollen und im Internet surfen, stoßen sie immer auf den Bodensee oder den Schwarzwald. Dabei ist Oberschwaben auch ein schönes Reiseziel. Die Touristen aus Japan oder den USA wissen das jedoch nicht.“ Rapp, der ja auch für das Reisegewerbe zuständig ist, verweist darauf, dass die Regierung bereits an smarten digitalen Lösungen zur Lenkung von Besucherströmen arbeitet. Da könnte Kroatien umgekehrt etwas von Baden-Württemberg lernen.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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