Berlin. Amerika wählt. Aber was ist, wenn Donald Trump verliert? Julius van de Laar ist Kampagnen- und Kommunikationsexperte. 2008 und 2012 arbeitete er als Wahlkämpfer für Barack Obama. Im Interview spricht er über die angespannte Stimmung in den USA.
Sie kommen gerade aus den USA zurück. Wie angespannt ist die Stimmung so kurz vor der Wahl?
Julius van de Laar: Es ist der direkte Kontrast zwischen überkochender Energie und einem Abgrund von Angst. Im Team der demokratischen Kandidatin Kamala Harris herrscht eine konstante Sorge, dass man auf der Zielgeraden einen wichtigen Aspekt übersehen hat. Das ist verständlich, da es für das Harris-Team der kürzeste Wahlkampf aller Zeiten war.
Es gibt zahlreiche Warnungen davor, dass Trump eine Niederlage nicht hinnehmen wird. Wird es zu Unruhen nach der Wahl kommen? Kann ein Bürgerkrieg drohen?
Van de Laar: Es kann alles passieren. Ich halte es nicht für komplett unwahrscheinlich, dass es zu Unruhen kommt – vor allem dann, wenn die Wahl knapp ausgehen sollte. 57 Prozent der „Swing State“-Wähler sind laut einer „Washington Post“-Umfrage der Meinung, dass Trumps Unterstützer im Falle einer Wahlniederlage gewalttätig werden. Wenn ich mir die Rhetorik aus dem Umfeld von Donald Trump anschaue und auf die Betrugsvorwürfe in Pennsylvania blicke, ist das nur wenig überraschend.
Wenn man an mögliche Unruhen denkt – wie gefährlich sind die rechten Gruppierungen wie Oath Keepers, Three Percenters oder die Proud Boys, die beim Sturm aufs Kapitol eine wichtige Rolle gespielt haben?
Van de Laar: Ich kann das nur bedingt beurteilen. Nach Berichten des FBI Homeland Security sind die extrem rechten Organisationen heute gefährlicher, als es damals El Kaida oder der Islamische Staat im Nahen Osten waren. Und sie sind in einem Land aktiv, wo man sich jede Waffe, die man sich nur vorstellen kann, einfach kaufen kann.
Womit rechnen Sie bei einer Niederlage von Trump?
Van de Laar: So wie ich die Stimmung erlebt habe, kann ich mir nicht vorstellen, dass es nicht zu irgendeiner Art von Eskalation kommt. Ich formuliere es bewusst vage, weil ich nicht prognostizieren will, dass jemand mit einer Waffe in ein Wahllokal stürmt. Ich halte es aber auch nicht für unwahrscheinlich, dass es zu Protesten kommt.
Ist die Regierung, sind die Sicherheitsbehörden heute besser als bei den vergangenen Wahlen vorbereitet auf das, was kommen könnte?
Van de Laar: Ja. Drei Punkte: Es gibt offizielle Anweisungen an die Trump- und die Harris-Kampagnen, wie sie sich im Falle eines Notfalls verhalten sollten und was die Sicherheitsvorkehrungen sind. Zweitens sind Polizei und Nationalgarde in Alarmbereitschaft, das Weiße Haus ist bereits komplett abgeriegelt. Drittens wurden auch in und um die sogenannten Election Centers, also die Orte, an denen die Stimmen ausgezählt werden, die Sicherheitsmaßnahmen stark erhöht. In Philadelphia zum Beispiel wurde kugelsicheres Glas eingezogen. Es werden Scharfschützen auf dem Dach sein. Gleichzeitig wurde die Transparenz erhöht, weil Wände eingerissen und durch Panzerglas ersetzt wurden, damit die Bürgerinnen und Bürger zugucken können, was in den Räumen geschieht.
Was passiert noch bis zum Wahltag am 5. November? Ist vorstellbar, dass Taylor Swift am letzten Tag doch noch ein Unterstützer-Konzert für Harris spielt?
Van de Laar: Ich sage das mit einem Augenzwinkern: Der Tourkalender von Taylor Swift hat am 4. November keinen Termineintrag. Vorher spielt sie in Indianapolis, von dort ist es ja nicht weit in die Battleground-Staaten Wisconsin oder Michigan. Aber sie hat sich nach ihrer Wahlempfehlung für Harris vor ein paar Wochen deutlich zurückgenommen. Wahrscheinlich ist es nicht, dass da noch Unterstützung kommt.
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