Auszeichnung

Ein Zeichen gegen Putins Krieg

Der Friedensnobelpreis geht an Kämpfer für die Menschenrechte in Russland, der Ukraine und Belarus

Von 
Christian Unger
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Einer der drei Friedensnobelpreisträger: Ales Bialiatski ist einer der zentralen Akteure der Proteste in Belarus. Derzeit sitzt er im Gefängnis. © Niklas Elmehed

Berlin/Oslo. Ales Bialiatski wird diesen Preis nicht entgegennehmen können. Die Medaille noch nicht in die Hand nehmen können. Doch eines lässt sich sagen: Der Ort, an dem er heute sitzt, sagt allein sehr viel darüber aus, warum er diesen Preis verdient hat: in einem Gefängnis in Minsk, der Hauptstadt von Belarus. Bialiatski ist einer der zentralen Akteure der Proteste gegen das Regime von Präsident Alexander Lukaschenko. Bialiatski ist Literaturwissenschaftler, Menschenrechtsaktivist, Gründer der Organisation „Viasna“. Das heißt Frühling. Er ist Lukaschenkos politischer Gefangener. Seit diesem Freitag aber ist Bialiatski auch Friedensnobelpreisträger.

Nicht nur Bialiatski wurde mit dem Preis ausgezeichnet, sondern auch das Center for Civil Liberties aus der Ukraine, das sich für die Aufklärung von Kriegsverbrechen einsetzt, und die russische Menschenrechtsorganisation Memorial, die für Opfer der Sowjet-Diktatur kämpft und die in Russland seit 2021 verboten ist.

Drei Gewinner, drei Nachbarländer Osteuropas. Es ist ein Preis für den Frieden in einer Region, die durch den russischen Angriffskrieg erschüttert wird wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Und so ist die Auszeichnung von Oslo auch ein Preis gegen Wladimir Putin. Gegen die Machtpolitik des russischen Präsidenten und seine Verbündeten. Das Komitee will den Widerstand gegen die Einflusssphäre von Putin stärken. Nicht nur in einem Staat – sondern in drei Nachbarländern.

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Diana Zinkler
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Das Nobelkomitee in Oslo hält am Freitag fest, dass Bialiatski trotz „enormer persönlicher Not in seinem Kampf für Menschenrechte und Demokratie keinen Millimeter nachgegeben“ habe. Als im Sommer 2020 die Massen in Minsk und anderen Städten in Belarus auf die Straße gingen, war der 60 Jahre alte Aktivist zentrale Figur der Proteste und auch Teil des Koordinierungsrates.

Viele Akteure in Haft

Die Demonstrationen wurden von der Polizei mit Gewalt niedergeschlagen. Derzeit sitzen nach Angaben von Menschenrechtlern weit mehr als 1000 Menschen in politischer Haft. Das Regime von Lukaschenko regiert mit Härte durch, viele Oppositionelle sind im Exil.

Die im litauischen Exil lebende Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja schrieb auf Twitter: „Ales, du hast den Friedensnobelpreis wirklich verdient.“ Sie rief dazu auf, Bialiatski Briefe zu schreiben, da er als politischer Gefangener die Nachricht von der Auszeichnung nicht erhalte. „Lasst uns zeigen, dass die Welt an der Seite des freien Belarus steht“, schrieb Tichanowskaja.

Bialiatski sei „definitiv der brillanteste Menschenrechtsaktivist in Belarus“, sagt der polnische Journalist und Belarus-Experte Michal Potocki. Er hat Bialiatski einige Male getroffen. „Er hat ein riesiges Charisma, zugleich ist er bescheiden.“

Mehr als zwei Jahre nach den Massendemonstrationen gegen Lukaschenkos Regierung ist ein großer Teil der führenden Köpfe der Protestbewegung inhaftiert oder ins Exil, vor allem nach Polen, geflohen. Die Opposition wurde von den Machthabern in Minsk mit Gewalt niedergeschlagen. Auch mit der Hilfe aus Russland, wie Fachleute immer wieder hervorheben. „Bialiatski ist ein Ritter ohne Angst“, sagt Anton Rulou vom unabhängigen Pressclub Belarus. „Wir sollten aber nicht andere Akteure von Viasna vergessen, die ebenfalls in Haft sitzen.“ Insgesamt sind laut Rulou derzeit weit mehr als 1000 Menschen aus politischen Gründen in Belarus inhaftiert.

Lukaschenkos Regime versuche in vielen Teilen des Alltags in Belarus an Macht und Einfluss zurückzugewinnen, den man während der Protestwelle 2020 verloren hat. Medien werden zensiert, politische Gegner ausgeschaltet.

Mit der Organisation Memorial, schon 1986 gegründet, ehrt das Nobelkomitee eine der einst mächtigsten unabhängigen Stimmen in Russland, in dem seit Jahren die Repressionen gegen unabhängige und kremlkritische Organisationen sowie die politische Opposition zunehmen. Mit dem Beginn des Krieges in der Ukraine zeichnet das Komitee mit Memorial eine Gruppe aus, die gerade auch immer gegen jede Form des Militarismus in Russland eingetreten ist.

Das ebenfalls ausgezeichnete Center for Civil Liberties hat laut Nobelkomitee zur Stärkung der ukrainischen Zivilgesellschaft beigetragen. Nach Beginn des russischen Angriffskrieges hätten die Menschenrechtler Kriegsverbrechen gegen die Bevölkerung dokumentiert. Orte wie Butscha nördlich von Kiew sind zu Sinnbildern der Brutalität des russischen Angriffskrieges geworden. Als die ukrainische Armee den Ort befreite, wurde sie Zeuge von Leichen auf der Straße. Augenzeugen berichteten von Folter durch russische Soldaten. Internationale und ukrainische Staatsanwälte ermitteln wegen des Vorwurfs der Kriegsverbrechen gegen Russland.

Aus der Ukraine kam allerdings Kritik an der Vergabe der Auszeichnung. „Das Nobelpreiskomitee hat eine interessante Auffassung des Wortes ,Frieden’, wenn den Friedensnobelpreis zusammen Vertreter zweier Länder erhalten, die ein drittes überfallen haben“, schrieb der Berater des Präsidentenbüros, Mychajlo Podoljak, auf Twitter.

An diesem Freitag, an dem Menschen aus Russland, Belarus und der Ukraine für ihren Kampf gegen Krieg, Repression und Diktatur geehrt wurden, feiert ein Mann übrigens seinen 70. Geburtstag im Kreml: Wladimir Putin.

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