Umweltschutz

Grün, grüner, Paris: Autos werden nach und nach verdrängt

Anne Hidlago führt einen energischen Kampf. Nicht gegen Autos, sagt die Bürgermeisterin von Paris, sondern gegen die Verschmutzung der Stadt. Und so lässt sie neue Radwege bauen und macht Straßen zu Fußwegen

Von 
Birgit Holzer
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Immer mehr müssen die Autos aus Paris weichen. © Philippe Lopez/AFP/dpa

Paris. Ein Sonnenplatz in einem Café in Paris, was für ein Glücksfall. Doch die Gäste sitzen erst seit wenigen Minuten, als ihnen klarwird, warum hier noch so viele Tische frei sind. An der Baustelle gegenüber stellt ein Arbeiter einen Presslufthammer an. Ein Gespräch wird unmöglich. Der Café-Kellner zeigt sich bemüht: Auf der überdachten Terrasse sei noch Platz. Zwar ohne Sonne, aber ruhiger.

Szenen wie diese können zu jeder Zeit in jeder Stadt vorkommen, aber in Paris gibt es sie momentan häufig: Zahlreich sind die Bauarbeiten, vom Bau von Radwegen und -stellplätzen bis zum Graben für neue Metrolinien.

Paris: Am dichtesten besiedelte Großstadt Europas

Die Ausrichtung der Olympischen Sommerspiele im nächsten Jahr sorgt für zusätzlichen Druck, da mehrere Programme vorgezogen wurden, erklärte Jacques Baudrier, im Rathaus zuständig für die öffentlichen Bauarbeiten. Außerdem werde das Ziel verfolgt, den Klimawandel und seine Folgen zu antizipieren: „Das heißt: mehr Radwege, mehr Verkehrsberuhigung, viel mehr Bäume.“ Paris hat eine vergleichsweise geringe Fläche von rund 105 Quadratkilometern und ist mit 20557 Einwohnern pro Quadratkilometer die am dichtesten besiedelte Großstadt Europas.

Mein Kampf richtet sich nicht gegen das Auto, sondern gegen die Verschmutzung
Anne Hidalgo Bürgermeisterin von Paris

Die sozialistische Bürgermeisterin Anne Hidalgo benennt als klare Priorität die Bemühungen, die Stadt sauberer zu machen. Ihre Gegner monieren, sie führe eine ideologisch getriebene Verkehrspolitik völlig an den Menschen vorbei. „Mein Kampf richtet sich nicht gegen das Auto, sondern gegen die Verschmutzung“, sagt sie selbst, die sich schon einmal dabei filmen lässt, wie sie mit breitem Lächeln auf einem Leihrad einen neuen Radweg entlangfährt. Sie wolle „später einmal auf der guten Seite der Geschichte stehen“.

Unteres Seine-Ufer teils gesperrt

In diesem Sinn ließ sie in den vergangenen Jahren gegen heftigen Widerstand kilometerlange Abschnitte der unteren Seine-Ufer sperren. Kritikern zufolge wird der Verkehr nur anders geleitet. Doch wo einst tausende Fahrzeuge jeden Tag die Stadt-Autobahn entlang donnerten, sind begrünte Flaniermeilen entstanden.

Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo setzt auf eine konsequente Verkehrswende in der französischen Hauptstadt. © Thomas Coex/dpa

Es gibt Cafés und Bars, eine Fahrrad-Werkstatt und Kinderspielgeräte. Auf der linken Seine-Seite im Osten werden Ausbuchtungen am Fluss zu Tanzsälen unter freiem Himmel, sobald das Wetter es erlaubt: Tanzvereine organisieren hier jeden Abend Musik: Salsa, Tango, Rock'n'Roll. Es sind Orte, an denen Paris, diese bei Franzosen oft als so stressig und anstrengend verschriene Stadt, romantisch wird.

"Zone mit begrenztem Verkehr"

Überall bekommen die Autos immer weniger Raum. Längst wird an einem Sonntag im Monat ein Teil des Zentrums verkehrsberuhigt. Hidalgo hat versprochen, hier langfristig nur noch Notfallwagen, Taxis und Anlieger fahrenzulassen. Beschränkte sie diese Pläne zunächst nur auf die rechte Seine-Seite mit ihren oft engen Gassen wie im historischen Marais-Viertel, so plant sie auch für den Bereich im gegenüberliegenden Teil der Stadt um den vielbefahrenen Boulevard Saint-Germain eine „Zone mit begrenztem Verkehr“.

Diese Bilder gehören in Paris der Vergangenheit an: Autos fahren vor dem Arc de Triomphe während die Sonne untergeht. 

© Stefano Rellandini/dpa

Ab 2024 tritt ein Fahrverbot für besonders stark verschmutzende Diesel-Fahrzeuge in Kraft, bis 2030 sollen nur noch saubere Autos im Stadtgebiet fahren. Die Regeln der bereits geltenden Umweltzonen werden verschärft. Sogar die vielbefahrene Ringautobahn Périphérique könnte eine Spur in jede Fahrtrichtung einbüßen und bepflanzt werden.

Elektroroller müssen aus Paris verschwinden

Es handele sich bisher um einen „grauen Gürtel, den wir bis 2030 in einen grünen Gürtel umwandeln wollen“, hat Hidalgo angekündigt. 2024 wird eine „olympische Spur“ für Teilnehmer der Spiele eingerichtet und in der Folge für Busse, Taxis und Fahrzeugen für Mitfahrgelegenheit reserviert.

Parallel dazu gibt es Anreize, um Alternativen zum Auto zu nutzen. Zwar ergab eine Befragung der Stadtbewohner, dass bis Herbst alle Leih-Elektroroller verschwinden müssen. Doch der Einsatz eigener Gefährte bleibt erlaubt.

Der Kauf eines Elektrofahrrads wird mit einer Prämie von 500 Euro von der Stadt wie auch der Hauptstadtregion gefördert. Schon seit Jahren laufen Verlängerungen bestehender Metrolinien, um die Vororte besser ans Zentrum und untereinander anzuschließen.

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Auch die Radwege, die inzwischen insgesamt mehr als 1000 Kilometer lang sind, werden ständig weiter ausgebaut. Bis 2026 kommen insgesamt 180 Kilometer hinzu. 250 Millionen Euro gibt die Stadt für ihren „Fahrrad-Plan“ aus, zu dem auch etliche neue Parkplätze und das Angebot eines „Rad-Führerscheins“ gehören, den schon Grundschüler machen können.

170 000 neue Bäume in der Stadt

Neben diesen Ansätzen bei der Verkehrspolitik sieht die Bürgermeisterin die Pflanzung von 170 000 neuen Bäumen vor, die bei Hitze stärker kühlen als Grünflächen und sogenannte „Frische-Inseln“ bilden. Anlässlich der Umgestaltung des Bereichs zwischen dem Eiffelturm und dem Trocadéro-Platz wird die sie verbindende Brücke Pont d‘Ina bepflanzt, ein begrüntes Amphitheater eingerichtet.

Auch für die Prachtstraße Champs-élysées steht eine umfassende Begrünung an. Und parallel zur Restaurierung der Kathedrale Notre-Dame wird der Platz um das kirchliche Monument erneuert. So unveränderlich und ewig, manchmal auch statisch und altmodisch die „Museumsstadt“ Paris mit seiner glanzvollen Architektur erscheint - die französische Metropole verändert und wandelt sich. Mit jeder Baustelle ein wenig mehr.

Korrespondent

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