Berlin. Bei Julian Schwark und seinen Kollegen steht das Telefon in diesen Tagen kaum noch still. Rund 200 000 Kundenkontakte pro Tag haben Schornsteinfeger und -fegerinnen in Deutschland üblicherweise insgesamt, sagt Schwark. „Jetzt bekommen unsere Betriebe so viele Anrufe und Nachfragen, dass es ein Vielfaches mehr ist.“ Und praktisch alle Anrufer wollen wissen, wie es jetzt weitergeht mit den Heizungen.
Schwark ist Mitglied des Vorstands beim Bundesverband des Schornsteinfegerhandwerks und dort zuständig für Energiefragen. Er und seine Berufsgenossen sind regelmäßig vor Ort in den Wohnungen und Häusern der Menschen und deshalb oft die ersten Ansprechpartner rund ums Thema Heizen. Sie müssen die Regeln kennen, die ab 2024 gelten sollen – schließlich sind sie auch diejenigen, die sie kontrollieren sollen.
„Schornsteinfeger kontrollieren schon jetzt, ob die Anforderungen des Gebäudeenergiegesetzes eingehalten werden“, erklärt Schwark und weiter: „Mit dem neuen Gesetz kommen eben weitere Anforderungen dazu, die wir überprüfen müssen.“ Ablaufen soll das „einfach und unbürokratisch“, wie das Bundeswirtschaftsministerium auf Anfrage mitteilt. So soll es für die Quote von 65 Prozent erneuerbarer Energie, die neue Heizungen künftig einhalten sollen, eine „vorab definierte Reihe von Möglichkeiten zur Umsetzung geben“. Wird eine Lösung aus dieser Liste ausgewählt, sei kein rechnerischer Nachweis mehr nötig.
Anderes müssen die Schornsteinfeger aber durchaus überprüfen – zum Beispiel das Alter, will jemand die Ausnahmeregelung für Hochbetagte geltend machen. Hauseigentümer, die älter als 80 Jahre sind, will die Bundesregierung von der Pflicht entbinden, auf eine klimafreundliche Heizung umzustellen, wenn die alte irreparabel kaputtgeht. Sie sollen im Fall einer sogenannten Havarie auch noch ein weiteres Mal eine fossil betriebene Heizung einbauen dürfen. Dass sie alt genug sind, um diese Ausnahme geltend zu machen, müssen sie laut Gesetzentwurf der Bundesregierung gegenüber ihrem Bezirksschornsteinfeger nachweisen.
Hausbesitzer, die trotz Austauschpflicht keine neue Heizung einbauen, müssen Schornsteinfeger auch nach aktuell geltender Gesetzeslage an die zuständige Behörde melden, erklärt Schwark. Die entscheide dann über weitere Schritte. Bei Verstößen sind laut Gebäudeenergiegesetz bis zu 50 000 Euro Ordnungsgeld möglich.
In jedem Fall kommen auf Schwark und seine Kolleginnen und Kollegen eine Menge neue Regularien zu. „Das ist aber alles gut machbar, das löst bei uns kein Kopfzerbrechen aus“, sagt Schwark. Schwieriger ist da schon, dass zwar inzwischen weitgehend Klarheit darüber herrscht, wie Bürgerinnen und Bürger in Zukunft heizen sollen, nicht aber darüber, wie der Staat auf dem Weg dahin helfen will.
Förderung noch ungeklärt
Dass man die Verbraucher finanziell unterstützen will beim Wechsel ihrer Heizungen, darüber besteht Einigkeit in der Koalition. Nicht zufällig endete das Ergebnispapier des zähen Koalitionsausschusses der vergangenen Woche mit einem Abschnitt zu Heizungen und schließlich den Worten „Niemand wird im Stich gelassen.“ Wie genau man das aber sicherstellen will, ist noch unklar.
In den vergangenen Tagen waren allerdings verschiedenste Stimmen aus dem Regierungsbündnis zu hören, wie die Förderung aussehen könnte. Die Ideen reichen von einer Art Abwrackprämie für Heizungen (SPD-Fraktionsvize Verena Hubertz) über eine Kopplung der Förderung ans Alter der Anlage (FDP-Finanzminister Christian Lindner) bis zu einer Förderung, die sich nach dem Einkommen der Besitzer richtet (Grünen-Wirtschaftsminister Robert Habeck).
Worauf sich die Ampel-Koalition am Ende einigt, ist offen. Eine schwierige Situation für die Schornsteinfeger, die schon jetzt viele Fragen zur Förderung bekommen. „So können wir die Menschen noch nicht beraten und ihnen auch nicht die Unsicherheit nehmen“, sagt Schwark. Wer ahnt oder weiß, dass in den kommenden Jahren ein Heizungsaustausch ansteht, dem rät er jedenfalls zur Vorsorge. „Jetzt ist es klug, sich mit seinem Gebäude näher auseinanderzusetzen und einen Plan zu machen“, sagt Schwark.
Zum Beispiel mit Unterstützung von Energieberatern wie Mark Steiger. Auch an der Arbeit seiner Branche ist das Interesse gerade groß. „Wenn absehbar ist, dass die Heizung ausgetauscht werden soll oder muss, sollten Verbraucher als erstes eine raumweise Heizlastberechnung erstellen lassen“, sagt Steiger. „Die beschreibt, wie viel Energie nötig ist, um Ihr Gebäude warm zu bekommen.“ Mit dieser Berechnung könne man dann zum Heizungsbauer gehen und mit diesem besprechen, was die beste Option ist.
Für Kauf und Einbau von Wärmepumpen, die nach den Vorstellungen der Bundesregierung zum Standard werden sollen in Deutschland, würden derzeit pro Stück zwischen 30 000 und 60 000 Euro Kosten fällig, sagt Steiger. Dabei gibt es große Schwankungen, weil die Gegebenheiten vor Ort sich stark unterscheiden können. Wer allerdings noch ein paar Jahre Zeit hat für den Wechsel, darf auf sinkende Kosten hoffen, sagt er. „Die Hersteller arbeiten alle an Komplettsystemen, und mit steigenden Stückzahlen werden die Preise sinken“, erklärt Steiger.
In vielen Neubaugebieten aus den 80er und 90er Jahren würden sich auch die Häuser wenig unterscheiden, „da muss man nicht für jedes Haus eine individuelle Lösung erarbeiten“. Auch das senke perspektivisch die Preise.
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