Interview

Herr Merz, wie bringen wir die maroden Brücken auf Trab?

Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz äußert sich im Interview mit unserer Redaktion über Wirtschaftswachstum, Straßen-Infrastruktur und mehr Frauen in der Führung.

Von 
Karsten Kammholz , Madeleine Bierlein , Daniel Kraft und Alexander Jungert
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Friedrich Merz, Unions-Kanzlerkandidat und CDU-Bundesvorsitzender, im Bundestag bei der Generaldebatte zur "Situation in Deutschland". © Michael Kappeler/dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Die CDU will Industrie und Infrastruktur stärken.
  • Steuerliche Entlastungen und Bürokratieabbau sind geplant.
  • Die Wärmewende soll durch Anreize unterstützt werden.

Mannheim. Trotz zahlreicher Demos gegen die Zusammenarbeit mit der AfD bleibt die Union im Umfragen stabil. Kanzlerkandidat Friedrich Merz ist im Wahlkampf-Endspurt - und richtet deutliche Worte an die frühere Ampel-Regierung.

Friedrich Merz - gebürtiger Sauerländer

Friedrich Merz wurde am 11. November 1955 in Brilon (Sauerland, Nordrhein-Westfalen) geboren.

Er ist seit 2022 Bundesvorsitzender der CDU sowie Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion .

Im September 2024 wurde Merz Kanzlerkandidat der Union für die Bundestagswahl.

Herr Merz, nach Ihrer Berechnung sind in Deutschland 300.000 Arbeitsplätze in der Industrie verloren gegangen. Wie wollen Sie diese Jobs wieder schaffen?

Friedrich Merz: Wir müssen die Rahmenbedingungen für die Industrie verbessern, damit die Unternehmen wieder mehr investieren, mehr produzieren und sichere Jobs in Deutschland schaffen. Dazu müssen wir unsere Wirtschaftspolitik fundamental und mit klaren Zielen neu aufstellen. Wir brauchen steuerliche Entlastungen und einen konsequenten Bürokratierückbau, damit Innovation und Unternehmergeist nicht länger durch überflüssige Vorschriften behindert werden. Unser Ziel ist eine pragmatische und zukunftsorientierte Standortpolitik, statt ideologischer Scheuklappen zum Beispiel in der Energiepolitik. So wollen und werden wir Deutschland wieder zu einem führenden Wirtschafts- und Industriestandort machen und gleichzeitig die Grundlagen für nachhaltigen Wohlstand, sichere Arbeitsplätze und ein stabiles Sozialsystem legen.

Kommunen brauchen eine langfristig tragfähige finanzielle Ausstattung. Dafür muss gelten: Wer eine Leistung veranlasst oder ausweitet, muss für ihre Finanzierung aufkommen.
Friedrich Merz

Zur Finanzierung Ihrer Pläne setzen Sie auf Wirtschaftswachstum. Was, wenn es ausbleibt oder später kommt, als es der Haushalt bräuchte?

Merz: Uns ist klar: Wir müssen Tempo machen. Zum einen, weil die Situation unserer Wirtschaft so ernst ist. Zum anderen, weil wir schnell Vertrauen zurückgewinnen wollen. Die Menschen im Land müssen ab Tag eins der neuen Regierung sehen: Die CDU hält Wort und setzt die angekündigten Vorhaben konsequent um. Genau deshalb haben wir auch noch vor der Wahl ein Sofortprogramm verabschiedet. Das Allerwichtigste für stabile soziale Sicherungssysteme ist es, die Wirtschaft wieder ans Laufen zu bekommen.

Friedrich Merz vor wenigen Tagen bei einem Wahlkampfauftritt in Mannheim. © Uwe Anspach/dpa

Die marode Straßen- und Brücken-Infrastruktur gefährdet die wirtschaftliche Zukunft etlicher Regionen. Die sanierungsbedürftigen Rhein-Brücken zwischen Mannheim und Ludwigshafen sind nur ein Beispiel. Mit welcher Maßnahme wollen Sie sicherstellen, dass die Infrastruktur in wirtschaftlich so wichtigen Regionen wie Rhein-Neckar verbessert wird?

Merz: Wir brauchen vor allem eine verlässliche Finanzierung – und zwar langfristig. Bisher hängen Investitionen in Infrastruktur zu sehr von jährlich schwankenden Haushaltsmitteln ab. Überjährigkeit der Finanzierung, also Geld über viele Jahre, ist ein wichtiger Aspekt. Wir müssen auch wieder zurückkehren zum sogenannten Finanzierungskreislauf, also dass die Einnahmen der LKW-Maut auch dem Straßenbau zugutekommen und nicht anderweitig eingesetzt werden. Die Ampel hat diese Gelder umgeleitet. Das war ein Fehler. Einnahmen von der Straße müssen auch wieder in die Straße investiert werden. Ein weiterer Aspekt ist die Planungsdauer. Wir brauchen einfach zu lang, um Straßen und Brücken zu planen und zu bauen. Hier werden wir eine Initiative starten, damit so etwas viel schneller geplant werden kann.

Etliche Großkommunen tragen enorme Lasten in der Daseinsvorsorge und sind finanziell am Rande der Handlungsfähigkeit. Wie können Bund und Länder die Kommunen finanziell stabilisieren?

Merz: Kommunen brauchen eine langfristig tragfähige finanzielle Ausstattung. Dafür muss gelten: Wer eine Leistung veranlasst oder ausweitet, muss für ihre Finanzierung aufkommen. Das gilt vor allem für Gesetze des Bundes, die bei den Kommunen zu Mehrausgaben oder Mindereinnahmen führen. Bund und Länder müssen zudem gemeinsam mit den Kommunen Lösungen finden, die Dynamik bei den Sozialausgaben zu stoppen.

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Die CDU hat angekündigt, nach einem Wahlsieg das sogenannte Heizungsgesetz wieder abzuschaffen. Wie werden Sie Hausbesitzer bei der Wärmewende unterstützen?

Merz: Gegen den Willen der Menschen und mit grüner Überregulierung wird die Wärmewende nicht gelingen. Wir setzen stattdessen auf kluge Anreize und geben das Ziel vor, aber nicht den Weg dorthin. Auf Druck der Union wurde das Thema kommunale Wärmeplanung angegangen. Es ist doch absolut richtig, zuerst zu schauen, wie die Situation vor Ort ist und nach kommunalen Lösungen zu suchen, Quartierslösungen zu finden und erst danach in die Haushalte zu gehen. Das Heizungsgesetz der Ampel hat keine Akzeptanz in der Bevölkerung. Daher muss das Gesetz weg. Mit dem Vorgehen hat die Ampel mit ihrer Politik viel Vertrauen bei Eigentümern und in der Baubranche zerstört.

Im Wahlkampf steht jede Partei für sich allein.
Friedrich Merz

Die Abstimmungen im Bundestag zum Fünf-Punkte-Plan zur Verschärfung der Migrationspolitik und zum Zustrombegrenzungsgesetz haben Hunderttausende Menschen auf die Straße getrieben, mögliche Koalitionspartner gegen Sie aufgebracht, Risse in der FDP-Fraktion aufgezeigt und Kritik der Kirchen ausgelöst. Sollten Sie Bundeskanzler werden: Wie werden Sie das Land und die Gesellschaft einen?

Merz: Das war eine wichtige, notwendige parlamentarische Debatte, die wir geführt haben, und sie hat einiges geklärt: Zum einen, dass die CDU/CSU es ernst meint mit dem Politikwechsel in der Migration. Zum anderen, dass die Grünen offensichtlich aus inhaltlichen Gründen nicht dazu bereit sind und die Sozialdemokraten ihren Wahlkampf für wichtiger halten als die Lösung des Problems. Mit unserem Antrag haben wir die Mehrheit der Menschen im Land hinter uns – und sogar eine Mehrheit der SPD-Wähler. Am 23. Februar ist die Bundestagswahl, und danach haben wir wieder parlamentarische Mehrheiten für eine Regierung. Ich bin zuversichtlich, dass SPD und Grüne sich nach der Wahl bei den Themen bewegen werden. Wir jedenfalls bleiben gesprächsbereit.

Union und FDP verbindet eine jahrzehntelange Zusammenarbeit. Ihr Satz „Vier Prozent sind vier Prozent zu viel für die FDP“ könnte nun das Zünglein an der Waage sein und dazu führen, dass die FDP nicht in den Bundestag einzieht. Sind Sie damit nicht zu weit gegangen?

Merz: Im Wahlkampf steht jede Partei für sich allein. Wir führen keinen Koalitionswahlkampf, sondern kämpfen dafür, dass die Union so stark wie möglich wird, damit gegen uns nicht regiert werden kann und wir möglichst nur einen Koalitionspartner brauchen.

Bislang hört man nicht viel von potenziellen CDU-Ministerinnen – einzige Ausnahme Frau Klöckner. Streben Sie eine Geschlechter-Parität in einem Kabinett unter Ihrer Führung an?

Merz: Wir arbeiten daran, mehr Frauen in Partei und Fraktion in Verantwortung zu bringen und sind dabei auf einem guten Weg. Das wird auch für eine zukünftige Regierung gelten. Am Ende kommt es immer auf die Kompetenz an.

Wie bereiten Sie sich auf das TV-Quadrell mit Alice Weidel vor?

Merz: Die AfD steht für das glatte Gegenteil von dem, was die CDU in 75 Jahren für richtig gehalten und aufgebaut hat in Deutschland. Die AfD will aus dem Euro raus, die EU und die Nato verlassen. Mein Ziel ist es, Frau Weidel inhaltlich zu stellen.

Das Interview mit Friedrich Merz wurde schriftlich geführt.

Ehemalige Mitarbeit ehem. Chefredakteur

Redaktion Nachrichtenchefin mit Schwerpunkt Wissenschaftsjournalismus

Redaktion stellvertretende Nachrichtenleitung digital

Redaktion berichtet aus der regionalen Wirtschaft

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