Gedenktag

„Populisten missbrauchen den Begriff“

650 Unterzeichner wehren sich dagegen, Protest gegen eine gewählte Regierung als Widerstand zu bezeichnen

Von 
Birgitta Stauber
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Robert von Steinau-Steinrück gehört zu den Initiatoren des Manifests. © dpa

Berlin. Es war ein vergeblicher Versuch: Vor 80 Jahren ließen Wehrmachtsoffiziere um Claus Graf von Stauffenberg im „Führerhauptquartier Wolfsschanze“ eine Bombe detonieren. Ihr Ziel war das Ende einer totalitären Diktatur. Doch das Attentat misslang. Hitler überlebte, Stauffenberg wurde noch in der Nacht hingerichtet. Die Stiftung 20. Juli, in der Familienmitglieder der damaligen Widerstandskämpfer vertreten sind, wehrt sich nun anlässlich des Jahrestages gegen den Missbrauch des Begriffs „Widerstand“ von „linken, rechten und religiös motivierten Populisten und Extremisten“.

Unter den 650 Unterzeichnern sind 500 Angehörige der Widerstandskämpfer. Außerdem die drei ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler, Christian Wulff und Joachim Gauck sowie Julia Becker, Verlegerin der Funke Mediengruppe, zu der auch diese Redaktion gehört. In dem Manifest wird die Bedeutung des Widerstands gegen die NS-Diktatur für das heutige Zusammenleben in Deutschland und Europa betont. 80 Jahre nach dem Attentat gehe es darum, die Demokratie zu stärken. Die Opposition gegen eine gewählte Regierung und gegen Mehrheitsentscheidungen innerhalb der Demokratie könne und dürfe nicht „mit Widerstand gegen eine totalitäre Diktatur gleichgesetzt oder verwechselt werden“, heißt es in dem Manifest.

„Deshalb weisen wir den Versuch von rechten wie linken und auch von religiös motivierten Populisten und Extremisten zurück, den Begriff des Widerstandes gegen unsere freiheitliche Demokratie zu instrumentalisieren.“ Dieser Versuch widerspreche dem Ziel des Widerstandes. „Sie leisteten Widerstand, um Rechtsstaatlichkeit und Freiheit wiederherzustellen.“ Die Widerständler von damals seien „keine makellosen Helden“ gewesen und nicht wenige hätten selbst Schuld auf sich geladen. „Doch sie besaßen den Mut zur Umkehr“, heißt es in dem Manifest

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Die Autoren betonen, das Vermächtnis der Männer und Frauen werde lebendig, wenn wir Verantwortung in Staat und Gesellschaft übernähmen. „Rückzug in Pessimismus, Unmut, Politikverdrossenheit, Empörung und Einrichten in der Opferrolle schwächen die Demokratie. Sie lebt von unserem Engagement in Familie und Beruf, in Gemeinde und Vereinen, im Ehrenamt und im Hauptamt.“ Dazu gehöre es, für Streit und Dialog offen zu sein sowie Kompromisse auszuhandeln und auszuhalten.

Fähigkeit, eigene Überzeugungen zu hinterfragen, ist wichtig

„Wir leben in einem freien Land“, sagt die Kuratoriumsvorsitzende Valerie Riedesel zu Eisenbach, Enkelin des Widerstandskämpfers Cäsar von Hofacker. „Wir brauchen nicht unser Leben einzusetzen. Aber Engagement, Verantwortlichkeit, Zivilcourage, die Fähigkeit, eigene Überzeugungen zu hinterfragen und Gräben zu überwinden – das brauchen wir heute mehr denn je, um unsere Demokratie zu bewahren.“

Der Vorstandsvorsitzende der Stiftung, Robert von Steinau-Steinrück, betont, aktives und gesellschaftliches Engagement sei das Erbe des Widerstands. „Es ist das Fundament unserer Demokratie“, so der Enkel des Widerstandskämpfers Fritz Dietlof Graf von der Schulenburg. Jeder einzelne, heißt es dazu im Manifest, sei „für ein menschliches Miteinander in einem demokratischen, freiheitlichen Staat verantwortlich.

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