Politbarometer

Schlechte Umfragen: Darum schwächelt die Koalition

Auch im aktuellen Politbarometer der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen steht die Koalition nicht gut da. Wahlforscher Matthias Jung erklärt, warum da so ist.

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Walter Serif
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Kanzler Friedrich Merz am Mittwoch auf dem Weg zur Klausurtagung des Bundeskabinetts. Die Regierung will die Bürokratiekosten um 25 Prozent oder rund 16 Milliarden Euro netto reduzieren. © Kay Nietfeld/dpa

Mannheim. Die Bundesregierung kommt mit Blick auf die Umfragen einfach nicht in die Gänge. Auch im aktuellen Politbarometer der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen haben die Unionsparteien (27 Prozent) und die SPD (15 Prozent) keine Mehrheit im Bundestag. Da ist es für Kanzler Friedrich Merz nur ein schwacher Trost, dass die AfD jetzt wieder zwei Prozentpunkte hinter der CDU/CSU liegt. Union und SPD haben im Vergleich zu den ohnehin schon miesen Ergebnissen der Neuwahl im Februar in der Umfrage sogar noch schlechtere Werte. Tristesse statt Aufbruchstimmung.

Liegt das daran, dass die Regierungsparteien nach Wahlen in der Regel eher in den Umfragen Verluste hinnehmen müssen und die Oppositionskräfte davon profitieren? „Ich sehe da keinen Automatismus. Die Ampel hat nach ihrem Wahlsieg 2021 sogar zugelegt“, sagt Matthias Jung von der Forschungsgruppe. Allerdings: „Es hängt schon davon ab, wie die Regierung nach dem Wahlsieg in den Sattel kommt, und da hatte Schwarz-Rot ja enorme Probleme. Und natürlich verschlechtern sich die Umfragewerte, wenn eine neue Regierung die für die Menschen grausamen Sachen beschließt“, so der Mannheimer Wahlforscher.

Wahlforscher Jung: Die Skepsis der Menschen ist groß

Letzteres trifft auf die aktuelle Koalition aber nicht zu. Sie hat die notwendigen strukturellen Reformen erst einmal auf die lange Bank geschoben. Im Kampf gegen die Rezession geht das Bündnis eher kleinteilig vor. Mit Maßnahmen wie der beschlossenen Senkung der Mehrwertsteuer auf Speisen in Restaurants ab 2026 lässt sich die Konjunktur kaum ankurbeln. Das sehen auch die Bürgerinnen und Bürger so. Nur 21 Prozent der Befragten glauben, dass Steuererleichterungen der Wirtschaft am besten helfen würden, um aus der Krise zu kommen. Neun Prozent setzen auf Finanzspritzen. Die große Mehrheit aber – nämlich zwei Drittel – meint, dass Bürokratieabbau den Unternehmen am meisten nützen würde. Das will die Koalition jetzt beherzigen. Sie möchte die Bürokratiekosten um 25 Prozent senken, dadurch würden die Betriebe 16 Milliarden Euro sparen. Mal schauen, ob das dann auch wirklich so umgesetzt wird.

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„Die Skepsis der Menschen ist groß. Die Wirtschaftslage stellt sich inzwischen für die Leute nicht mehr so abstrakt dar, es geht jetzt nicht mehr nur um Daten wie Wirtschaftswachstum oder Inflation. Sondern konkret um Arbeitsplätze. Unternehmen wie Bosch und Lufthansa haben einen erheblichen Stellenabbau angekündigt“, sagt Jung.

Mehrheit traut der Bundesregierung wenig zu

Bei den Erwartungen an die Problemlösungskompetenz der Bundesregierung sind die Befragten gespalten, die Hälfte traut ihr da wenig zu, 47 Prozent sind dagegen optimistisch. Dass die Bundesregierung einen wichtigen Beitrag zur Ankurbelung der Wirtschaft leisten kann, glaubten im Mai noch 64 Prozent, inzwischen sind es nur noch 46 Prozent. „Auch das erklärt, warum die Unionsparteien in den Umfragen seit der Regierungsbildung so schlecht abschneidet“, sagt Jung. Zwar glauben demnach jeweils 34 Prozent, dass die CDU/CSU die Wirtschaftskrise am ehesten lösen und neue Arbeitsplätze schaffen kann. Rund ein Drittel meint aber, dass es keine Partei schaffen wird oder antwortet mit „weiß nicht“. Das ist ein Alarmzeichen für die Unionsparteien.

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91 Prozent halten die Wiedervereinigung für richtig

„Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört“ – Willy Brandts legendärer Ausspruch vom 10. November 1989 ist einer der berühmtesten Sätze der Wendegeschichte. Doch mit der (unvollendeten?) Deutschen Einheit ist das so eine Sache. Gibt es nicht noch immer eine „Mauer in den Köpfen“? Stellt man den Deutschen nach 35 Jahren eine ganz schlichte Frage, erhält man eine eindeutige Antwort. 91 Prozent halten die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten für richtig, da gibt es zwischen Osten (90) und Westen (92) praktisch keinen Unterschied.

Dass die Probleme der Wiedervereinigung inzwischen „im Großen und Ganzen“ gelöst sind – da herrscht allerdings Uneinigkeit. 47 Prozent aller Befragten sehen das so. 49 Prozent bestreiten dies, bei den Ostdeutschen sind es sogar 57 Prozent. „Trotz des kritischen Blicks vieler Ostdeutscher vertritt die Mehrheit von knapp zwei Dritteln die Ansicht, dass die Wiedervereinigung ihr Leben überwiegend positiv beeinflusst hat. Bei den Westdeutschen ist es umgekehrt, das ist schon bemerkenswert“, sagt Jung.

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Bemerkenswert ist auch, dass die Zufriedenheit mit der Demokratie nach wie vor auf einem niedrigen Stand ist. 54 Prozent aller Deutschen sehen das so, im Osten äußern sich aber 53 Prozent negativ über unsere Demokratie. Mit ein Grund, warum die AfD in den neuen Bundesländern besonders stark ist.

Mehr politischer Druck auf Israel nötig?

Interessant ist auch die Einstellung der Deutschen zu Israel. Eine Mehrheit von 54 Prozent glaubt nicht, dass wir aufgrund unserer Geschichte eine besondere Verantwortung gegenüber Israel haben. Zwei Drittel der Befragten sprechen sich für mehr politischen Druck Deutschlands auf Israel aus, um den Krieg im Gazastreifen zu beenden. Auch bei der Frage nach der Anerkennung Palästinas als eigenständigen Staat spricht sich eine Mehrheit von 63 Prozent für einen solchen Schritt aus. „Die Bundesregierung ist da mit ihren Positionen relativ weit entfernt von dem, was die Menschen denken“, sagt Jung und verweist auch darauf, dass Deutschland mit seiner moderaten Position innerhalb der Europäischen Union mehr und mehr isoliert ist.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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