Verteidigung

Was Trumps Forderung für Deutschland bedeuten würde

Fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Nato – nicht einmal die USA gibt derzeit so viel aus

Von 
Christian Kerl
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Übt Druck aus: Der designierte US-Präsident Donald Trump spricht während der Pressekonferenz in Mar-a-Lago. © Evan Vucci/AP/dpa

Berlin/Brüssel. Für Donald Trumps brisanten Vorstoß haben die schärfsten Kritiker in Deutschland etwa bei SPD und BSW nur ein Wort übrig: „Wahnsinn“. Die höflichsten Kritiker wie CDU-Chef Friedrich Merz finden dagegen viele Worte, um zu erläutern, warum Trumps gigantische Zahlenspiele „im Grunde irrelevant“ seien. Doch so unterschiedlich die Tonart, im Ergebnis ist sich die Politik in Deutschland am Mittwoch ungewöhnlich einig: Trumps Forderung nach einer drastischen Erhöhung der Verteidigungsausgaben der Nato-Staaten trifft parteiübergreifend auf massiven Widerspruch in Deutschland.

Was Trumps Drohung mit militärischer Gewalt gegen Grönland angeht, sah sich Kanzler Olaf Scholz (SPD) zu einer deutlichen Klarstellung gezwungen: Das internationale Prinzip der Unverletzlichkeit der Grenzen gelte nicht nur im Ukraine-Krieg, sondern überall. „Grenzen dürfen nicht mit Gewalt verschoben werden“, sagte Scholz nach einer Absprache mit anderen EU-Regierungschefs. „Dies ist eine Grundlage unserer Friedensordnung.“

Trump hatte am Abend zuvor bei einer Pressekonferenz in Mar-a-Lago in Florida die schlimmsten Befürchtungen von Nato-Partnern noch übertroffen. Er schloss den Einsatz des Militärs nicht aus, um Kontrolle über den Panama-Kanal oder Grönland zu erlangen. Und er verlangte, dass die Nato-Staaten künftig fünf Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung statt wie bisher zwei Prozent für Verteidigung ausgeben sollten. „Sie können es sich alle leisten“, behauptete er.

Für Deutschland würden die fünf Prozent allerdings den sicheren Weg in eine politische Großkrise bedeuten: Der Bund müsste nach aktuellen Daten mindestens 120 Milliarden Euro mehr als bisher für Verteidigung ausgeben. Jedes Jahr.

Momentan kommt Deutschland auf Ausgaben von 2,1 Prozent

Insgesamt würde Deutschland der Aufwand für militärische Sicherheit um die 210 Milliarden Euro im Jahr kosten – knapp die Hälfte des laufenden Bundeshaushaltes wäre damit weg. Zum Vergleich: Dieses Jahr kommt Deutschland nach einer der Nato übermittelten Rechnung alles in allem auf Gesamtausgaben von 90,3 Milliarden Euro für Verteidigung, macht 2,1 Prozent des nationalen Bruttoinlandsprodukts.

Diese offiziellen Angaben halten Kritiker allerdings für deutlich geschönt. Nachvollziehbar sind nach einer Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) etwa 80 Milliarden Euro – zum regulären Verteidigungsetat von 52 Milliarden Euro lassen sich auch 20 Milliarden aus dem Sondervermögen für die Bundeswehr und die Militärhilfen für die Ukraine hinzurechnen.

So oder so: Das auf Pump finanzierte 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen ist 2027 erschöpft, danach müsste ab 2028 laut Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) der reguläre Verteidigungsetat von jetzt gut 50 auf 80 Milliarden Euro im Jahr steigen – nur um das bisherige Zwei-Prozent-Ziel weiter zu erreichen. Schon woher dieses Geld kommen soll, ist in der Bundespolitik völlig offen, es wird auch im Wahlkampf kaum thematisiert. Entsprechend groß ist die Verwunderung über Trumps Vorstoß: Der Vorsitzende des Bundestagsverteidigungsausschusses, Marcus Faber (FDP), erklärte, die Nato werde sich auf ein neues Ausgabenziel einigen müssen, um der russischen Kriegswirtschaft zu begegnen. „Das werden aber eher drei als fünf Prozent sein.“

Das entspricht den Überlegungen im Nato-Hauptquartier in Brüssel: Vor einem mit Spannung erwarteten Nato-Gipfeltreffen mit Trump im Juni in Den Haag wird in der Bündnisspitze nach Informationen unserer Redaktion angepeilt, die Allianz-Mitglieder auf ein Ausgabenziel von drei Prozent zu verpflichten, im schlimmsten Fall auf 3,5 Prozent. Gekoppelt mit Angeboten aus europäischen Hauptstädten für bessere Handelsbedingungen zugunsten der USA soll dies Trump besänftigen.

CSU-Chef Markus Söder plädierte für einen Anstieg auf „deutlich über drei Prozent“ in Deutschland – während Friedrich Merz vage erklärte, es gehe gar nicht um Prozentzahlen: „Entscheidend ist, dass wir das tun, was notwendig ist, um uns zu verteidigen.“

Bislang geben nicht einmal die USA die von Trump geforderte Summe aus, sie kommen nach Nato-Schätzungen dieses Jahr auf 3,4 Prozent ihres Bruttosozialprodukts für die Verteidigung.

Trump will nicht nur größere Rüstungsanstrengungen von den Alliierten, sondern erwartet auch, dass die europäischen Nato-Staaten höhere Lasten im Ukraine-Krieg oder bei einem späteren Waffenstillstand tragen. Unklar ist, welcher Zeithorizont dem künftigen Präsidenten vorschwebt – die nationalen Haushalte lassen sich nicht binnen eines Jahres radikal umsteuern. Die Versuchung für manchen Regierungschef in Europa, dem US-Präsidenten nicht ganz so ernst gemeinte Zusagen zu machen, könnte naheliegen. Allerdings gilt es als großes Risiko, dass Trump als Reaktion auf mangelnde Ernsthaftigkeit neue Zweifel an der Verlässlichkeit der amerikanischen Beistandsgarantie sät und so die gesamte Abschreckungsstrategie zerstört – oder die Nato gleich ganz verlässt. Während seiner ersten Amtszeit hatte Trump mit einem Austritt der USA gedroht, falls die Partnerländer ihre Verpflichtung nicht erfüllten. Aber: Einseitig diktieren kann Trump die Ausgabenziele nicht, sie werden im Konsens der 32 Regierungschefs festgelegt.

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