Politbarometer

Wie die Deutschen über Taurus-Lieferungen an die Ukraine denken

Bundeskanzler Olaf Scholz will keine Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine liefern. Dafür muss er viel Kritik einstecken. Die Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen hat dazu die Bürgerinnen und Bürger befragt

Von 
Walter Serif
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© Michael Kappeler

Mannheim. Ein dummer Anwendungsfehler hat – wie wir inzwischen von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) wissen – Russlands Lauschangriff auf die Bundeswehr erst ermöglicht. Das wissen wir allerdings nur, weil Russlands Präsident Wladimir Putin das abgehörte Gespräch deutscher Offiziere über den deutschen Marschflugkörper Taurus geleakt hat. Damit wollte er die Bundeswehr und natürlich auch die Regierung blamieren. Das hat blendend funktioniert. Der „Spiegel“ jazzt die Taurus-Affäre deshalb in seiner neuen Ausgabe zu einer Titelstory hoch, weil der Lauschangriff ja kein Einzelfall ist. Russland führt schon seit Jahren einen hybriden Krieg gegen Deutschland – den Putin diesmal ausnahmsweise öffentlich von seinem Spionageapparat ausführen lässt. Und den man natürlich ernstnehmen muss.

Pistorius bleibt Spitzenreiter

Kein Wunder also, dass den Bürgerinnen und Bürgern dieser hybride Krieg unheimlich wird, wie das neue Politbarometer der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen zeigt. „82 Prozent der Befragten sehen da eine sehr gefährliche beziehungsweise gefährliche Entwicklung“, sagt Andrea Wolf von der Forschungsgruppe. Bemerkenswert ist aber, dass sich die Taurus-Affäre nicht negativ auf Verteidigungsminister Pistorius und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auswirkt.

Pistorius legt bei seinem Beliebtheitswert in der Rangliste der zehn wichtigsten Politikerinnen und Politiker sogar leicht zu und verteidigt seinen Spitzenplatz. Pistorius verbessert sich auf der Skala von plus fünf bis minus fünf auf 1,7. „Offensichtlich hat die Befragten sein Umgang mit der Affäre überzeugt, dies liegt daran, dass er die Vorgänge gut erklärt hat“, sagt die Wahlforscherin. Scholz bleibt zwar Achter in der Rangliste, legt aber deutlich um plus 0,4 zu.

Obwohl der Kanzler dem Volk eher nicht aufs Maul schaut, könnte er sich beim Reizthema Taurus auf die Wählerinnen und Wähler berufen. 59 Prozent lehnen wie der Kanzler mehrheitlich die Lieferung der Marschflugkörper an die Ukraine ab. Mit ihnen können auch Ziele in Russland getroffen werden.

Allerdings heißt dies nicht, dass die Deutschen jetzt ein Loblied auf die Ukraine-Politik des Kanzlers singen, dem seine Kritiker eine zu zögerliche Haltung bei den Waffenlieferungen vorwerfen. Die Umfrage ergibt jedenfalls ein gespaltenes Meinungsbild: Nur noch 45 Prozent – vor einem Jahr waren es 53 – sind mit seiner Strategie zufrieden. 46 Prozent bestreiten dies.

Dass Russland auch Nato-Mitglieder wie Polen oder die baltischen Staaten angreifen könnten, glaubt immerhin fast die Hälfte der Befragten. Das sind sogar mehr als kurz nach dem Angriff auf die Ukraine. Dies ist bemerkenswert vor dem Hintergrund, dass Russland im Nachbarland kein Durchmarsch gelungen ist und sich mit der Ukraine einen Stellungskrieg liefert.

Weitere Themen:

US-Wahl: 59 Prozent gehen davon aus, dass Donald Trump nach seinen Erfolgen beim „Super Tuesday“ die Präsidentschaftswahl im November für sich entscheiden wird. Amtsinhaber Joe Biden trauen dies nur 33 Prozent zu. Kurz vor der vergangenen Wahl vor vier Jahren war das Meinungsbild noch umgekehrt.

GDL-Streik: Langsam reißt den Deutschen der Geduldsfaden. Inzwischen haben zwei Drittel der Befragten kein Verständnis dafür, dass die Lokführergewerkschaft höhere Löhne und die 35-Stunden-Woche mit Streiks durchsetzen will.

Flüchtlinge: 55 Prozent geben an, dass Deutschland die große Zahl der Flüchtlinge nicht verkraften kann. Das sind weniger als im vergangenen Herbst, damals waren es fast zwei Drittel. Nur 18 Prozent meinen übrigens, dass der Bund den Kommunen bei der Unterbringung der Flüchtlinge genügend finanziell unterstützt, obwohl im Herbst ein neues Finanzierungskonzept verabschiedet wurde.

Gleichberechtigung: 53 Prozent aller Befragten sehen die Gleichberechtigung von Männern und Frauen in Deutschland sehr stark beziehungsweise stark verwirklicht. Bei der letzten Befragung vor elf Jahren haben das noch 53 Prozent bestritten. Allerdings schätzen Männer und Frauen auch aktuell den Grad der Gleichberechtigung unterschiedlich ein: 59 Prozent der Männer finden, dass das Ziel weitgehend erreicht ist, bei den Frauen sind es dagegen nur 48 Prozent.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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