Gesundheit

Cannabis-Sucht überwinden

Cannabis ist eine der am häufigsten konsumierten Drogen. Bald könnte sie legal sein – dennoch droht eine Abhängigkeit. Kliniken können helfen

Von 
Bettina Lüke
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Aufhören statt anzünden: Eine Cannabisabhängigkeit kann auch ohne professionelle Hilfe überwunden werden. Die Erfolgswahrscheinlichkeit ist aber stark von individuellen Faktoren abhängig. © Hannes P Albert/dpa

München/Berlin. Wer regelmäßig Cannabis konsumiert, etwa kifft, hat sich vielleicht schon mal überlegt, ob er vielleicht weniger rauchen oder sogar aufhören könnte – oder sollte. Je mehr man über das eigene Konsumverhalten weiß, desto besser kann man es regulieren.

Was sind Sucht-Faktoren?

Eine Abhängigkeitsentwicklung ist bei allen psychoaktiven Substanzen ähnlich, sagt Eva Hoch. „Es ist immer ein bio-psycho-soziales Bedingungsgefüge.“ Hoch ist Professorin an der Charlotte Fresenius University in München und Leiterin der Forschungsgruppe Cannabinoide an der LMU.

Biologisch wirkt Cannabis im Gehirn über die psychoaktive Substanz Tetrahydrocannabinol, oder kurz THC. Es bindet an Cannabinoid-Rezeptoren und beeinflusst die Freisetzung von Neurotransmittern, insbesondere Dopamin, das mit unserem Belohnungssystem verbunden ist. Außerdem kann etwa eine genetische Veranlagung für eine Suchtentwicklung eine Rolle spielen, wenn in der Familie ein solches Krankheitsbild vorkommt.

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Psychologisch spielen Lernprozesse eine Rolle, bei denen positive Effekte des Konsums verstärkt werden. „Cannabis kann stark psychisch abhängig machen, vor allem, wenn es gezielt als dysfunktionale Bewältigungsstrategie eingesetzt wird“, so Dr. Andrea Benecke, Präsidentin der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK): „Damit ist gemeint, dass man unangenehme Gefühle, wie Stress, Unsicherheit oder Angst durch die entspannende Wirkung von Cannabiskonsum kurzfristig gut reduzieren kann. Das Gehirn lernt auf diese Weise, dass es die Droge braucht, um mit Problemen und Stress umzugehen.“

Der soziale Kontext, in dem jemand lebt, beeinflusst ebenfalls die Wahrscheinlichkeit einer Abhängigkeit, so Psychotherapeut Steffen Landgraf. Vor allem der Zugang zu Cannabis und sozialer Druck können eine Abhängigkeit begünstigen. „Je früher Cannabis konsumiert wird, desto riskanter“, so Diana Schulz, Sprecherin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).

Wie erkennt man problema-tisches Konsumverhalten?

Wenn man das Gefühl hat, dass der eigene Cannabiskonsum problematisch geworden ist, sollte man das ernst nehmen, heißt es von der BZgA. Steffen Landgraf: „Eine der wichtigsten Fragen, die man sich als jemand, der potenziell süchtig ist, stellen könnte, lautet nicht ’Woran erkennt man, dass man süchtig ist’, sondern ’Woran erkennen es die anderen?’“

Menschen, die von Cannabis abhängig sind, zeigen mindestens drei der folgenden Verhaltensweisen, so Benecke: Es besteht ein starker Drang, die Substanz zu konsumieren. Zweitens müssen sie immer mehr konsumieren, um die gewünschte Wirkung zu erzielen (Toleranzentwicklung). Drittens: Nach einem Konsum-Stopp kommt es zu Entzugserscheinungen. Das Leben wird immer stärker auf den Konsum und die Erholung von den Nachwirkungen ausgerichtet und andere Lebensbereiche, wie das Berufsleben werden vernachlässigt. Und zuletzt: Der Konsum wird trotz spürbarer negativer Folgen fortgeführt.

Wie funktioniert ein Cannabis-Entzug?

Bei der Cannabisabhängigkeit wirken andere Mechanismen im Gehirn als bei der Alkoholabhängigkeit, so Eva Hoch. „Ein Cannabisentzug ist meist klinisch unproblematisch. Aber er dauert einige Tage und kann moderat und auch teilweise schwer sein.“ Das könne daran liegen, dass Cannabis heute deutlich stärker ist, so die Professorin. Gerade synthetische Cannabioide wirken viel stärker, wodurch es auch zu stärkeren Entzugsbeschwerden kommen könne. Manche Menschen lassen sich in der Klinik behandeln, um Entzugsbeschwerden nicht alleine durchstehen zu müssen.

Worauf kommt es an, um erfolgreich aufzuhören?

Man sollte wissen, dass man und warum man seinen Cannabiskonsum verändern möchte, sagt Hoch. Die Gründe sind unterschiedlich. „Beispielsweise ein Mann Mitte 30, in einer festen Partnerschaft lebend, möchte mit der Familienplanung starten. Das kann ein Grund sein, den Cannabiskonsum einzuschränken oder aufzugeben. Oder jemand kommt mit der Schule oder mit dem Studium nicht mehr klar. Er kann sich nicht konzentrieren, kann nicht lernen, hat vielleicht schon viele Klausuren nicht bestanden und möchte jetzt mit dem Konsum aufhören, um dann doch noch das Studium oder die Berufsausbildung gut abschließen zu können.“

„Wichtig ist aber auch, sich zu überlegen: Warum konsumiere ich Cannabis?“, so Eva Hoch, „also: Was gibt mir die Droge?“ Das ist wichtig, damit man den gewünschten Effekt durch alternatives Verhalten erreichen kann. „Jemand, der sich mit Cannabis entspannt hat, wird andere Wege brauchen, um sich entspannen zu können, etwa Sport oder Meditation. Die Behandlung setzt an der individuellen Motivation an.“ Außerdem wichtig: sich klar darüber zu sein, wann man konsumiert und was die Auslöser dafür sind. Forscherin Hoch empfiehlt, sich einen Ziel-Tag zu setzen, an dem der Cannabiskonsum eingestellt wird: „So kann man sich darauf vorbereiten, beispielsweise alle Utensilien wegwerfen oder verschenken. Dazu gehört auch, dass man für Situationen, in denen man früher konsumiert hat, Alternativen hat.“

Unbedingt sollte man Strategien zur Hand haben, wenn man Entzugsbeschwerden bekommt oder der extrem dringe Wunsch, zu konsumieren. „Entzugsbeschwerden sind eigentlich etwas Gutes, sie bedeuten, dass der Körper entgiftet“, so Hoch. „Das THC der Pflanze geht aus dem Körper raus. Nach wenigen Tagen ist man dann wirklich clean.“

Kann man alleine eine Abhängigkeit überwinden?

„Das soziale Umfeld spielt eine große Rolle bei der Überwindung von Suchterkrankungen und kann hilfreich oder hinderlich sein“, sagt Benecke. Hinderlich seien Kontakte zu Menschen, die die Droge konsumieren und zum Konsum animieren. So erhöhe sich das Rückfallrisiko. Grundsätzlich ist es möglich, eine Cannabisabhängigkeit alleine zu überwinden, so die Experten. „Die Erfolgswahrscheinlichkeit ist hier stark von individuellen Faktoren, wie der Dauer des Konsums, der Schwere der Abhängigkeit und den vorhanden personellen und sozialen Ressourcen, abhängig“, so Andrea Benecke. Viele Menschen mit einer Suchterkrankung benötigen professionelle Unterstützung – etwa in Form einer Psychotherapie. „Sollte man mehrmals seinen Konsum nicht reduzieren können, obwohl man sich dies als festes Ziel gesetzt hat, sollte man sich professionelle Unterstützung suchen.“

Abhängige können enorm davon profitieren, ihr soziales Umfeld bewusster zu gestalten, Unterstützung zu suchen und Strategien zu entwickeln, um mit dem Druck, den auslösenden Situationen und den Herausforderungen einer Lebensumgestaltung fertig zu werden, erklärt Steffen Landgraf.

„Man muss das nicht alleine überwinden. Das finde ich eine ganz wichtige Botschaft“, sagt Eva Hoch. „Vielleicht hat man jemanden im Umfeld, Freund oder Partner, oder jemand aus der Familie, der über das Vorhaben Bescheid weiß und den man anrufen kann und der auch in schwierigen Fällen unterstützt.“

Auch wichtig: dass man sich jederzeit professionelle Unterstützung holen kann. Eva Hoch: „Wir haben in Deutschland wirklich eines der besten Suchthilfesysteme weltweit. Es gibt ein ganz vielfältiges Angebot. Da soll man sich nicht schämen, da soll man wirklich klug sein und diese professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.“ dpa

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