Frankfurt. Irgendwann im Jahre 1900 soll Johannes Ernst Kirmse mit seiner Geduld am Ende gewesen sein – so berichten es jedenfalls die Fußball-Historiker. Mit 17 Jahren hatte der gebürtige Leipziger bereits den „Leipziger Radfahr- und Athletikverein Sportbrüder“ mitgegründet, um sich dann mit 23 zum Vorsitzenden des Leipziger Fußballverbandes wählen zu lassen. Zuvor waren alle Anläufe zu einem Dachverband gescheitert, als der junge Mann, maßgeblich unterstützt von Walther Bensemann, dem späteren Gründer des Fachmagazins „Kicker“, am 27. und 28. Januar 1900 zum „I. Allgemeinen Deutschen Fußballtag“ in das Restaurant „Zum Mariengarten“ lud. Einziger Tagesordnungspunkt: eine Einigung sämtlicher Fußballvereine Deutschlands hinzubekommen.
Der Initiator kam in seiner Begrüßungsansprache gleich zur Sache: „Meine Herren! Die Zeit ist gekommen, einen wohlorganisierten und Achtung gebietenden Deutschen Fußball-Bund ins Leben zu rufen!“ Wer konnte einem solchen Aufruf schon widerstehen? Mit 64:22 Stimmen stimmten die Delegierten zu, donnernder Beifall ertönte. Nur: Der Vertreter aus Berlin wollte das Cricketspiel im Namen berücksichtigt wissen. Der Abgesandte aus Prag wollte die Bezeichnung Allgemeiner Deutscher Fußball-Bund. Letztlich schlug Bensemann vor, sich Deutscher Fußball-Bund zu nennen.
1903 veranstaltet der DFB die erste Meisterschaft
Den Kritikern wurde mit einer Beitrittserklärung von 60 Vereinen der Wind aus den Segeln genommen. Noch im selben Jahr fanden in Erfurt und Frankfurt weitere Zusammenkünfte statt, um verbindliche Regeln festzulegen und Ferdinand Hueppe zum ersten Vorsitzenden des DFB zu wählen. 1903 richtete der DFB die erste Meisterschaft aus, die prompt der VfB Leipzig gewann. Ein Jahr später trat der DFB bereits dem Fußball-Weltverband Fifa bei dessen Gründung bei.
An diesem Freitag zelebriert der mit weit mehr als sieben Millionen Mitglieder größte Fach-Sportverband der Welt mit 400 geladenen Gästen seinen Festakt zum 125-jährigen Bestehen. Dabei in der Kongresshalle am Zoo sind Bundeskanzler Olaf Scholz, Fifa-Präsident Gianni Infantino oder Uefa-Chef Aleksander Ceferin – an warmen Worten wird es für den DFB nicht fehlen.
Leipzig diente bereits als Schauplatz der Feierlichkeiten zur DFB/DFV-Vereinigung und zum 100-jährigen Bestehen. Dabei war die Messe- und Musikstadt ja nur die ersten zehn Jahre der Stammsitz: Danach ging es nach Dortmund, weil dort der erste Geschäftsführer Walter Sanß als einziger hauptamtlicher Angestellte wohnte. Durch seinen Einzug zur Reichswehr verwaiste die Geschäftsstelle, die 1916 nach Kiel verlegt wurde, weil der Stadtrat Georg. P. Blaschke die Geschicke übernahm. Nach dessen Erkrankung 1927 ging es in die Reichshauptstadt Berlin, um dort bis zum Kriegsende zu bleiben.
Dass sich der DFB vom Nazi-Regime vereinnahmen ließ, bleibt das dunkelste Kapitel der an Höhe- und Tiefpunkten reichen Verbandsgeschichte. Lange verweigerte sich der DFB einer richtigen Aufarbeitung, ehe 2006 der Historiker Nils Havemann in der Studie „Fußball unterm Hakenkreuz“ die unrühmliche Rolle des deutschen Fußballs in der Nazizeit ausleuchtete. Später lieferten gerade die Nationalmannschaften viel Licht: Die Männer sind viermal Weltmeister (1954, 1974, 1990 und 2014) und dreimal Europameister (1972, 1980 und 1996), die Frauen zweimal Weltmeister (2003 und 2007) sowie allein achtmal Europameister (zuletzt 2013) geworden – der neunte Anlauf folgt diesen Sommer in der Schweiz.
Seit 1951 ist der DFB in Frankfurt zu Hause
Apropos Schweiz: Nach Kriegsende stellten sich die Eidgenossen 1950 auch wieder zum ersten Länderspiel in Stuttgart, wo provisorisch die erste Geschäftsstelle nach der Neugründung eingerichtet wurde. In Frankfurt, im Herzen von Europa, ist der DFB seit 1951 zu Hause. Anfangs mit acht Leuten im Westend in der Arndstraße, von 1957 bis 1974 mit zunächst 19 Angestellten in der Zeppelinallee 77 in Bockenheim, ehe der Wechsel in die Otto-Fleck-Schneise hinter das Waldstadion erfolgte. Der letzte Umzug erfolgte dann im Juni 2022: in den Campus an der Kennedyallee im Stadtteil Niederrad, immer noch verkehrstechnisch bestens erreichbar, nun auch mit eigenen Fußballplätzen, also erstmals mit einer eigenen Sportinfrastruktur, wenn auch nicht genügend Zimmern, um eine Frauen- oder Männer-Nationalmannschaft mitsamt Begleittross für ein paar Tage zu beherbergen.
Ein Versäumnis, für das DFB-Präsident Bernd Neuendorf am wenigsten kann, der als 14. Amtsinhaber vor knapp drei Jahren das Ruder übernahm – und für eine gewisse Beruhigung sorgte. Die wichtigsten Personalentscheidungen unter seiner Regie, allen voran mit Sportdirektor Rudi Völler, Bundestrainer Julian Nagelsmann oder Sportdirektorin Nia Künzer, haben gesessen, die Heim-EM hat der Männer-Nationalmannschaft wieder verlorenen Kredit zurückgebracht, die DFB-Frauen konnten nach Olympia-Bronze auch endlich mal wieder jubeln – nebenbei sind die skandalträchtigen Jahre größtenteils überwunden. Selbst der bevorstehende Ausrüsterwechsel von Adidas zu Nike schlug nur kurzzeitig hohe Wellen – und das überwiegend bei polternden Politikern.
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