Seine Vita liest sich beeindruckend: Als Spieler schaffte es Thorsten Schmid bis in die 2. Bundesliga, als Trainer arbeitete er unter anderem in der 2. Liga der Frauen und der höchsten Spielklasse der Männer. Seit etwa zwei Monaten ist er nun Cheftrainer der Handballer der HG Oftersheim/Schwetzingen, die in der Nordstadthalle am Sonntag um 17 Uhr gegen Kornwestheim in die neue Drittligasaison starten. Im ausführlichen Gespräch mit unserer Zeitung verriet der 51-Jährige, ob er abergläubisch ist, was er einst von Ex-Löwen-Coach Martin Schwalb lernte und warum Handballer keine Schauspieler sind.
Herr Schmid, wie gefällt Ihnen Ihr neuer „Arbeitsplatz“, konnten Sie Oftersheim, Schwetzingen und die Umgebung schon kennenlernen?
Thorsten Schmid: Die meiste Zeit bin ich zwar in der Trainingshalle, ein bisschen habe ich mich aber schon umschauen können. Ich komme ursprünglich vom Dorf. Da ist Schwetzingen mit dem wunderschönen Schloss und dem Schlossgarten natürlich schon eine andere Hausnummer. (lacht)
Sie sind nicht nur Trainer der HG, sondern auch darüber hinaus im Sport tätig.
Schmid: Richtig, ich bin in Hessen seit vielen Jahren für die B- und C-Trainerausbildung zuständig und arbeite in diesem Bereich auch für den Deutschen Handball- Bund. Außerdem bin ich in einem Rehazentrum tätig und leite in einer Schule eine Handball- und Ballschul-AG. Das mache ich vormittags, nachmittags und abends konzentriere ich mich voll auf das Handballtraining. Der Sport ist mein Beruf, das wollte ich auch immer so.
Wenn es dann ausnahmsweise mal nicht um Sport geht . . .
Schmid: Ich koche, grille und backe sehr gerne. Und ich darf mich jeden Tag mit unserem Hund vergnügen. (lacht)
Wie sieht bei Thorsten Schmid ein typischer Spieltag vom Aufstehen bis zum Anpfiff aus?
Schmid: Ich stehe früh auf, frühstücke gut und gehe mit dem Hund spazieren oder eine Runde laufen. Danach beginnt die Vorbereitung aufs Spiel, manchmal steht noch Videostudium auf dem Plan. Vor Ort halte ich eine Ansprache ans Team, in der ich nochmals auf wichtige Punkte hinweise und die Spieler emotionalisiere.
Und nach dem Spiel?
Schmid: Da versuche ich recht zügig eine kleine Analyse zu machen und die Weichen für die nächsten Trainingseinheiten zu stellen.
Haben Sie am Spieltag Rituale oder sind Sie abergläubisch?
Schmid: Bestimmte Rituale habe ich nicht, abergläubisch bin ich schon lange nicht mehr.
Was zeichnet Sie als Trainer aus, was ist Ihre Handschrift, Ihre Philosophie?
Schmid: Ich versuche möglichst viel von den aktuellen Entwicklungstendenzen aus dem Handballgeschehen in die Trainingsarbeit einfließen zu lassen. Bei allem Wandel ist aber auch Kontinuität wichtig, gewisse Schwerpunkte trage ich immer wieder an die Mannschaft heran. Und ich bin ein Freund von vielen Wettkämpfen im Training, bei denen gewinnen und verlieren mit Belohnungen oder athletischen Zusatzaufgaben verbunden ist. Das fördert die Siegermentalität.
Haben Sie aktuelle Beispiele für solche Entwicklungstendenzen im Handballgeschehen?
Schmid: In den letzten Jahren waren sicherlich Tempospiel und flexibles Abwehrspiel große Themen. Wo wir in Deutschland im Vergleich zu anderen Nationen noch riesiges Entwicklungspotenzial haben, ist die Ausbildung von individuellen Stärken. Dort müssen wir in den kommenden Jahren ansetzen.
HG-Spielmacher Lukas Sauer lobte vor ein paar Wochen den offenen gegenseitigen Austausch mit Ihnen. Legen Sie darauf besonderen Wert im Umgang mit den Jungs?
Schmid: Ja, denn meine Meinung ist: Wir sind Teamsportler und als Trainer bin ich ein Teil dieses Teams. Ich kann mir in der Theorie vieles ausdenken und Vorgaben machen. Auf dem Feld umsetzen müssen es aber letztlich die Spieler. Deshalb finde ich es sehr wichtig, sie und ihre Denkweise mit einzubeziehen. So bekomme ich einen anderen Blickwinkel auf die Dinge. Da muss das eigene Ego mal hintenanstehen. Das verlange ich von meinen Spielern, aber so sehe ich auch meine Rolle. Das ist für mich ein entscheidender Faktor, um im Handball als Mannschaft erfolgreich sein zu können.
Was für ein Typ sind Sie während des Spiels an der Seitenlinie?
Schmid: (lacht) Das ist situationsadäquat. Im Vorfeld einer Partie gehe ich analytisch vor, identifiziere Stärken und Schwächen des Gegners und erarbeite mit Blick auf die eigenen Stärken einen Matchplan. Im Spiel bin ich dann schon der emotionalere Typ.
Sie haben selbst 15 Jahre lang aktiv Handball gespielt und es in die 2. Bundesliga geschafft. Was sind die wichtigsten Lehren aus dieser Zeit?
Schmid: Mein Weg hat mir gezeigt, dass man mit Fleiß und Engagement viel erreichen kann. Und ich habe mit deutlich besseren Spielern als mir zusammengespielt, bei denen ich mir viel abschauen konnte.
Auch als Trainer haben Sie langjährige Erfahrung auf höchstem Niveau. In Wallau und Hamburg haben Sie an der Seite von Ex-Löwen-Coach Martin Schwalb gearbeitet. Was konnten Sie lernen?
Schmid: Erst mal hatte ich das Riesenglück, mit vielen absoluten Top-Leuten arbeiten zu dürfen. Martin Schwalb war nur einer davon. Als Coach ist es ein schmaler Grat zwischen „Ich bin Trainer und ich weiß alles“ und alle Spieler ins Boot zu holen. Das konnte Martin Schwalb brutal gut, er hat jeden abgeholt. Im Spaß habe ich früher gesagt, wenn er den Raum betritt, wird das Licht heller. In Wallau hatten wir damals Nationalspieler und Persönlichkeiten wie Zoran Djordjic, Igor Lavrov und Nenad Perunicic. Dort habe ich den unheimlich respektvollen Umgang untereinander erlebt, aber auch gelernt, in gewissen Situationen eine Autorität als Trainer auszustrahlen, Dinge klar zu benennen und gegen einen Spieler durchzusetzen.
Was macht Ihnen an der Trainer-tätigkeit am meisten Spaß?
Schmid: Es ist einfach schön, Entwicklungsprozesse bei Spielern herbeizuführen und ihre Fortschritte zu beobachten.
Verfolgen Sie andere Sportarten?
Schmid: Klar, ich bin zum Beispiel absolut fußballbegeistert und schon immer großer Fan von Bayern München. Durch meine geografische Nähe verfolge ich auch häufig Spiele von Darmstadt 98. Das ist für mich ein kleiner Ausgleich zum Handball. Generell bin ich sehr sportbegeistert, habe kürzlich etwa die Leichtathletik-EM verfolgt.
Hand aufs Herz: Was halten Sie von der Theatralik im Fußball?
Schmid: Da habe ich ein aktuelles Beispiel: Vor Kurzem hätte ich bei einem Heimspiel von Darmstadt 98 dem einen oder anderen gerne erzählt, was es heißt, Handball zu spielen und Körperkontakt zu haben. Wie die sich da auf dem Feld haben herumfallen lassen, das war für mich eine Katastrophe.
Wieso ist das im Handball anders?
Schmid: Hier wird von Kindesbeinen an eine andere Kultur gepflegt. Wir werden so ausgebildet: Im Spiel geht es immer hart zur Sache, ohne schauspielerische Einlagen. Und hinterher gibt man sich immer die Hand und kann gemeinsam noch ein Bier trinken. Das ist für mich das „Handballer-Genom“. So habe ich es über alle Ligen hinweg erlebt und das macht den Sport auch so schön.
Haben Sie sportliche Vorbilder?
Schmid: Ich bin mit der Generation Beckenbauer und Maier aufgewachsen, das waren meine Ikonen. Handballerisch ist es für mich als ehemaliger Linksaußen Jochen Fraatz. Einfach beeindruckend, wie er jeden Wurf von außen geschossen hat und den Dreher in der Bundesliga salonfähig gemacht hat.
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