Anfeindungen

Rassimus im Fußball: Dunkelhäutige Spieler berichten

Von 
Markus Mertens
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Weil Jadon Sancho, Marcus Rashford und Bukayo Saka die entscheidenden Elfmeter im Endspiel der Fußball-Europameisterschaft im Wembley-Stadion verschießen, werden sie zur Zielscheibe. Die jungen Fußballer, die zuvor von einer ganzen Nation für ihre Leistungen gefeiert worden waren, müssen rassistische Beleidigungen ertragen. In sozialen Medien kursieren wüste Beleidigungen, auf offener Straße werden in London dunkelhäutige Passanten angegriffen. Die Initiative „All Black Lives UK“ twittert noch in der Nacht: „Geht nach Hause und bringt euch in Sicherheit.“

Auch in Mannheim werden dunkelhäutige Sportler immer wieder angefeindet. Die Redaktion spricht mit Masanneh Ceesay. Der 23-Jährige aus Gambia spielte zuletzt als Stürmer für den Fußballclub Türkspor und weiß, wie es sich anfühlt, wenn die Hautfarbe als Leistungsbarometer herhalten muss: „Wenn du großartig gespielt hast, warst du für die Fans einer von ihnen - hat die Mannschaft deinetwegen verloren, warst du der Schwarze aus Gambia. Sport sollte uns alle zusammenbringen, aber wenn du nicht ins Bild passt, trennt er noch immer.“

Davon kann auch Papa Kebba Sillah ein Lied singen. Der 35-jährige Mittelfeld-Mann spielte im Lauf seiner Karriere für einige Mannschaften im Fußballkreis Mannheim und beschreibt eine „Kultur des Rassismus“, die nie ganz aufgehört habe zu wachsen: „Die Abneigung dir gegenüber wird in dieser Gesellschaft nie direkt gezeigt. Das kommt nur in bestimmten Momenten heraus, dann aber intensiv und ohne Gnade. Das ist kein Schmutz, den du mal eben aufwischen kannst. Dieser Hass sitzt in jeder Pore.“

Besonders gut kann sich Sillah, der damals für Germania Friedrichsfeld spielte, an eine Partie gegen Neckarau erinnern, bei der ihn ein Gegenspieler in einer kritischen Situation heftig rassistisch attackierte: „Der sagte zu mir: ‚Du Nigger, du Affe, geh’ dahin, wo du herkommst!’“ Sillah kann damals nicht an sich halten und verletzt seinen Gegenspieler so schwer, dass er sogar operiert werden muss. Die Folge: sechs Spiele Sperre. „Heute tut es mir leid, dass ich so ausgerastet bin, aber damals konnte ich einfach nicht verstehen, wie mich jemand so verachten kann, der mich gar nicht kennt.“ Und dann kam das Rückspiel. Die beiden Spieler begegnen sich zufällig abseits des Platzes, lernen sich kennen. Noch heute sind Sillah und er eng befreundet.

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Die Hautfarbe als Qualitätskriterium? „Für mich stand immer nur eine Frage im Vordergrund: Kann jemand kicken oder nicht?“ Sagt Jörg Finkler, der seine Mitgliedschaft bei der AfD und die Tatsache, dass er als Fußballtrainer auch dunkelhäutige Sportler in seinen Teams ausbildete, keineswegs als Widerspruch betrachtet. „Natürlich gibt es auch bei der AfD Kontroversen zu diesem Thema, aber ich persönlich werde Rassismus niemals dulden und auch jedem nahelegen, meine Partei zu verlassen, der dieses Gebot nicht ernst nimmt.“ Finkler, der unter anderem auch mit Kebba Sillah auf erfolgreiche Tage zurückblickt, gibt vielmehr zu bedenken: „Wer mich als Trainer nicht akzeptieren kann, nur weil ich bei der AfD Mitglied bin, sollte sich überlegen, ob er frei von Vorurteilen ist. Sport und Politik gehören getrennt.“

Ganz anders sieht das Patrick N., seinen bürgerlichen Namen möchte der 42-Jährige in den Medien nicht lesen. Zwar geht er einem ganz normalen Berufsleben nach - am Wochenende zeigt N. seit zehn Jahren sein Gesicht als rechtsextremer Hooligan. Unverblümt sagt er im Gespräch mit dieser Redaktion schockierende Sätze: „Ich kann wirklich nichts dafür, aber ein Nigger ist ein Nigger, da gibt es nichts schönzureden. Wir sollten uns dafür starkmachen, dass dieses Untervolk von den Spielfeldern dieser Nation verschwindet.“

Stefan Moritz, der beim Badischen Fußballverband und damit auch für den Mannheimer Fußballkreis das Thema Integration verantwortet, stellt zwar klar, dass von den jährlich rund 30 000 Spielen nur 0,1 bis 0,2 Prozent mit rassistischen Vorfällen solcher und ähnlicher Art gemeldet werden, „aber es gibt vermutlich eine hohe Dunkelziffer, denn Sie hören nicht jeden Ruf von der Tribüne und bekommen auch nicht jede Anfeindung auf dem Platz mit“. Moritz macht klar: „Derzeit ist es so, dass immer etwas geschehen muss, damit etwas geschieht. Das können wir nicht länger akzeptieren. Wir brauchen endlich eine Kultur des Hinsehens, im Amateur- wie im Profibereich.“

An diesem Punkt setzt auch SPD-Stadtrat Thorsten Riehle an. „Wer korrigiert denn seinen Kollegen am Arbeitsplatz, wenn der Witze über ‚dumme Schwarze’ reißt, oder seinen Bekannten am Stammtisch, der über einen dunkelhäutigen Nachbarn herzieht? Das gilt auch im Fußballstadion. Werden solche dumpfen Pöbler und Rassisten kollektiv geächtet? Eher nicht. Wir schweigen dazu viel zu oft.“ Auch CDU-Stadtrat Thomas Hornung sieht das „soziale Gefüge“ Verein in der Pflicht: „Die richtige Antwort auf Anfeindungen im Stadion muss von den Fans kommen, die solche Entgleisungen nicht akzeptieren.“ Grünen-Politikerin Melis Sekmen ergänzt: „Alle, die in Mannheim leben, arbeiten und Sport treiben, kann man nicht als Fremde bezeichnen. Diese Menschen sind Teil unserer Stadt - und wir müssen als Gesellschaft füreinander einstehen.“

Für Kebba Sillah und andere sind das Bekenntnisse, auf die vor allem für die Jugend „endlich“ auch Taten folgenden müssten: „Ich musste lernen, mit dem Hass zu leben, da kommt jede Prävention zu spät. Aber das darf in Zukunft so nicht weitergehen, denn sonst wird all der Schmerz und Frust, den von Rassismus betroffene Spieler in dieser Stadt seit Jahren zurückhalten, richtig eskalieren. Denn ewig kannst du diese Wunden nicht ertragen.“ mer

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