Ob Wahnsinn, wild, unfassbar oder verrückt – die Beteiligten rangen nach dem Neun-Tore-Duell mit dem SSV Jahn Regensburg um Worte, die dieses denkwürdige Spektakel beschreiben. Erstmals in der Geschichte der 3. Fußball-Liga gelang es mit dem SV Sandhausen einem Team, einen 0:3-Rückstand noch in einen Sieg zu verwandeln.
Nach zuvor drei 1:1-Remis in Serie mussten die Sandhäuser Hausherren zunächst aber einen herben Rückschlag wegstecken. Durch drei Standardgegentore manövrierte der SVS sich bereits nach lediglich elf Minuten in eine schier ausweglose Situation. „Da stehen wir alle da und fassen uns an den Kopf“, sagte Jonas Weik. Ob der Außenverteidiger oder die Doppeltorschützen Patrick Greil und Livan Burcu: Erklären konnte sich die Anfangsphase keiner so recht.
„An unseren Plan glauben“
Auch nicht Trainer Jens Keller. Der 53-Jährige sah seine Mannschaft anfangs eigentlich sogar gut im Spiel. Lediglich die beiden Freistöße und der Eckball seien „einfach schlecht verteidigt“ worden. Den Kopf nach elf Minuten in den Sand zu stecken war aber auch zu diesem Zeitpunkt für Keller keine wirkliche Option. „Ich habe probiert, sie von außen zu pushen und an unseren Plan zu glauben.“
Dieser Plan ging bereits zwei Minuten später auf, als die Gastgeber in Person von Greil (13.) und nochmals 120 Sekunden später Yassin Ben Balla (15.) zwei Anschlusstreffer innerhalb weniger Zeigerumdrehungen auf der Uhr erzielten. Jeder Schuss war in der Anfangsphase an diesem Samstag ein Treffer. Der Sandhäuser Chancenwucher der vergangenen Wochen, er trat lediglich beim Hochkaräter von Markus Pink (20.) auf. Youngster Burcu egalisierte den Rückstand mit einem sehenswerten Fernschuss aus der Drehung (38.) aber noch vor dem Halbzeitpfiff. Erklärungsversuche für die Anfangsphase – hinfällig.
„Wir haben uns nicht hängenlassen und große Moral bewiesen“, lobte Sportdirektor Matthias Imhof entsprechend. Mit Jahn Regensburg musste das auswärtsstärkste Team der Liga sich nach diesem Vollwaschgang am Hardtwald geradezu in die Pause retten. Aus der Kabine kamen die Tabellenführer zwar durchaus geordneter als zuvor, durch den Bock ihres Torhüters Alexander Weidinger gerieten sie aber nach 15 Minuten erstmals in Rückstand (60.). „Wir waren gut im Spiel, machen dann aber einen Fehler, der zum 4:3 führt. Dann ist es schwer zurückzukommen“, sagte Jahn-Coach Joe Enochs.
Nur einmal mehr Tore Liga drei
Die Sandhäuser knüpften dort an, wo sie nach 45 Minuten aufgehört hatten, spielten schnell und schnörkellos nach vorne. Dass Elias Huths Kopfball aus kurzer Distanz das Gehäuse von Nikolai Rehnen zum Ausgleich verfehlte (65.), rächte Burcu kurz darauf mit dem 5:3 zur Vorentscheidung für den SVS (68.). David Otto sorgte mit dem neunten Tor des Tages per Elfmeter für den Endstand (82.). Neun Tore in einem Spiel – mehr fielen in der 3. Liga erst einmal: Beim 5:5 zwischen Eintracht Braunschweig und Fortuna Düsseldorf im Mai 2009.
Am Mikrofon bei „Magenta Sport“ gefiel Keller im abschließenden Interview „vor allem die Art und Weise, wie wir Fußball gespielt haben, mit Mut und voller Selbstbewusstsein“. „Am Ende haben wir auch fußballerisch überzeugt“, meinte auch Jonas Weik.
Sechs Tore hat der SVS der bis dato stärksten Defensive der Liga eingeschenkt. Warum der Knoten in der Angriffsreihe ausgerechnet am Samstag geplatzt ist, wusste Doppeltorschütze Greil nicht: „Ich konnte es mir die letzten Wochen schon nicht erklären und ich kann es auch heute nicht.“
Wichtiger als Analysen war ohnehin die Würdigung der eigenen Mammutleistung. „Gegen den Tabellenführer so zurückzukommen, zeigt, was das für eine geile Truppe ist“, sagte Trainer Keller. „Da sieht man, was für ein Teamgeist in der Mannschaft steckt“, blies Offensivmann Burcu ins selbe Horn.
Topteams doppelt geschlagen
Mit diesem furiosen 6:3 und einem 2:1 in der Hinrunde gegen Jahn Regensburg sowie zwei 1:0-Erfolgen gegen Dynamo Dresden hat der SV Sandhausen den Erst- und Zweitplatzierten beide Male geschlagen. Probleme bereiten dem Absteiger die vermeintlich Kleinen. Gegen keinen der vier Aufsteiger gelang Sandhausen bis hierhin ein Sieg. Vergangene Woche in Münster jedoch, genauso wie gegen Halle und in München, zeigte das Team ebenfalls eine fußballerisch ansprechende Leistung – ohne sich dafür zu belohnen. „Dreimal hätten wir gewinnen können“, betonte Übungsleiter Keller mehrfach.
Jetzt gilt es, den Rückenwind aus mittlerweile bereits sechs ungeschlagenen Partien in Folge mit nach Köln zu nehmen. Dort wartet am Samstag, 24. Februar, ab 14 Uhr, mit der Viktoria immerhin wieder ein Team, das als Tabellen-14. wichtige Zähler im Kampf gegen den Abstieg sammeln möchte und zuletzt zweimal komplett leer ausging. Für den SV Sandhausen sind es aktuell fünf Punkte Rückstand auf den begehrten Relegationsrang drei. „Das Potenzial steckt in der Mannschaft, jetzt liegt es an uns“, goss Neuzugang Greil die Mission der Hardtwaldkicker nach dem Torspektakel in die passenden Worte.
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