Mannheim. Es gab einmal eine gar nicht so lang zurückliegende Zeit bei den Rhein-Neckar Löwen, da wurde am Ende fast jeder Saison ein Banner mit einem Namen unter das Dach der SAP Arena gezogen. Als höchste Form der Ehrerbietung für besondere Verdienste. Uwe Gensheimer, Andy Schmid, Alexander Petersson, Bjarte Myrhol, Gedeón Guardiola und Nikolaj Jacobsen – sie sind Legenden des Handball-Bundesligisten, weil sie große Erfolge ermöglichten, eine totale Identifikation vorlebten und vor allem dem Club sehr lange die Treue hielten.
Der Wandel als Konstante
Mit Mikael Appelgren (seit 2014 im Verein) und Patrick Groetzki (seit 2007) gibt es momentan noch zwei herausragende Persönlichkeiten im Team, deren Name in absehbarer Zeit ganz bestimmt auf einem Banner stehen wird. Vielleicht kommt auch irgendwann David Späth (seit 2018) dazu, wenngleich sich der ebenso hochbegabte wie ehrgeizige Torwart möglicherweise sehr genau ansehen wird, inwieweit sich seine Titelträume in absehbarer Zeit bei den Löwen tatsächlich verwirklichen lassen. Der Club steht also vor sehr wegweisenden Jahren, denn längst ist die Mannschaft kein gefestigtes und gewachsenes Gebilde mehr. Im Gegenteil. Seit einiger Zeit ist der Wandel die einzige Konstante.
Nach dem 33:38 am Pfingstsonntag gegen den neuen Meister Füchse Berlin verabschiedeten die Mannheimer gleich sechs Spieler, darunter mit Juri Knorr (Aalborg/Dänemark) einen absoluten Leistungsträger. Den Löwen gelingt es einfach nicht mehr, ihre besten Spieler zu behalten. Außerdem verlassen die Profis Olle Forsell Schefvert (MT Melsungen), Jon Lindenchrone (Skjern/Dänemark) und Gustav Davidsson (Hammarby/Schweden) den Verein. Niklas Michalski (Krefeld) und Valentin Willner (Essen) gehen ebenfalls – gehörten aber eher zum Drittligakader.
Und nicht zuletzt beendet Sebastian Hinze seine Arbeit beim Bundesligisten und übernimmt ab Juli den Ligarivalen ThSV Eisenach. 2023 gewann der gebürtige Wuppertaler mit den Löwen sensationell den Pokal. Drei Jahre arbeitete er im Verein, was zuletzt nicht viele Trainer bei den Badenern schafften. Auch das sagt etwas aus.
Machulla wird neuer Trainer in Mannheim
„Zur neuen Saison steht wieder ein Umbruch im Kader an, ein neuer Trainer (Maik Machulla: Anm. d. Redaktion) kommt. Die zentrale Frage lautet für die Löwen: Werden sie diese Mannschaft mal über ein paar Jahre zusammenhalten können und sie zusätzlich ein bisschen verstärken? Wenn das gelingt, werden die Löwen wieder ganz oben angreifen“, nennt der sich nach Dänemark verabschiedende Knorr den entscheidenden Punkt beim Blick auf die Zukunftsperspektive des zweifachen Meisters und Pokalsiegers, der sich vor allem über eine große Vergangenheit definiert – was einerseits eine Motivation, aber bisweilen auch eine Belastung sein kann. Denn manchmal sieht es danach aus, dass die Banner mit all den Namen der erfolgreichen Legenden nicht über dem Feld schweben, sondern auf den Schultern der Spieler lasten.
Ab Juli liegt es am künftigen Coach Machulla, dem Aufbruch in eine neue Epoche eine gewisse Substanz zu verleihen. Wieder wird fast alles auf Anfang gestellt, doch immerhin steht ein Fundament.
Totalumbau im Rückraum, Abwehrgerüst steht
Mit Halil Jaganjac und Sebastian Heymann gibt es einen eingespielten Innenblock, die Torhüter Späth und Appelgren bleiben ebenso wie die Kreisläufer Jannik Kohlbacher und Steven Plucnar. Auf den Außenpositionen gibt es keinen Abgang, mit dem Schweizer Gino Steenaerts (HC Kriens-Luzern) verstärken sich die Löwen in der Breite. Für die Abwehr kehrt Robert Timmermeister nach seiner Leihe zum Zweitligisten HBW Balingen-Weilstetten zurück.
Doch im offensiven Herzstück, dem Rückraum – und damit also genau dort, wo Spiele gewonnen werden –, wird fast alles neu. Mit Edwin Aspenbäck (TTH Holstebro/Dänemark), Mathias Larson (Elverum/Norwegen), Haukur Thrastarson (Dinamo Bukarest/Rumänien) und Dani Baijens (Paris Saint-Germain/Frankreich) müssen gleich vier neue Kräfte eingebaut werden. Anhand der Transfers sieht man allerdings auch, wie die Mannheimer künftig auftreten wollen. Es geht um Geschwindigkeit. Diesen Plan zeigten Machulla und Sportchef Gensheimer allen Zugängen auf und überzeugten sie damit.
„Es soll um viel Tempo, um individuelle Qualitäten im Zweikampf und ein gutes Eins-gegen-Eins gehen. Und genau so möchte ich spielen. Das sind meine Stärken“, erklärt Larson im Gespräch mit dieser Redaktion seine Beweggründe für den Wechsel, nachdem er beim norwegischen Erstligisten Elverum eine herausragende Saison gespielt hat. Ähnlich äußert sich Baijens: „Alle Neuzugänge lieben das schnelle Spiel. Wir werden vermutlich nicht die größte Wurfgewalt aus der Distanz haben, aber beim SC Magdeburg hat man in den vergangenen Jahren gesehen, dass man diese nicht benötigt, um erfolgreich zu sein.“
Man darf also gespannt sein, welchen Weg der Verein mit dieser klar vorgegebenen Spielweise einschlägt. Noch mehr in Richtung HSG Wetzlar, also Mittelmaß? Oder gelingt der seit Jahren ersehnte Anschluss nach oben? Machulla sprüht auf jeden Fall vor Tatendrang. Seine Vorfreude sei groß, wie er gegenüber „Flensborg Avis“ sagte, „weil ich etwas entwickeln kann, weil die Strukturen da sind. Die Power dieses Vereins, diese Region – das motiviert mich.“ Es gibt allerdings auch viel zu tun.
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