Mannheim. Als Alexander Rossipal realisierte, auf welcher Position der Trainer ihn im DFB-Pokalspiel gegen den 1. FC Nürnberg einsetzen wollte, reagierte er ziemlich erstaunt. „Ich war schon überrascht, dass ich im 5-4-1 den offensiven Part übernehmen soll. Es war ein bisschen ungewohnt, mit dem Rücken zum Gegner zu stehen“, sagte der Waldhof-Verteidiger nach der knappen 0:1 (0:0)-Niederlage in der zweiten Pokalrunde. Defensivspezialist Rossipal spielte Linksaußen, auf der gegenüberliegenden Offensivseite kam in Johannes Dörfler ebenfalls ein gelernter Verteidiger zum Einsatz. Der SVW suchte sein Glück gegen den fränkischen Zweitligisten mit einer unorthodoxen Sicherheitsstrategie.
„Wir wollten kompakt stehen und auf den offensiven Außenbahnen Spieler haben, die auch defensiv denken. Ich glaube, das ist sehr gut aufgegangen“, begründete Trainer Christian Neidhart seine Defensivtaktik, die dazu führte, dass beim Anpfiff insgesamt sieben ausgebildete Abwehrspieler und in Dominik Martinovic nur eine Offensivkraft auf dem Platz standen. Sicherheit zuerst lautete die Devise bei den Mannheimern.
Das genügte, um die Nürnberger Angriffsbemühungen weitestgehend zu neutralisieren und mit einer knackigen Zweikampfführung auch die dem SVW zugeneigten Fans unter den fast 18 000 Zuschauern mitzureißen. Aber weil der „Club“ eben doch einmal entscheidend hinter die Mannheimer Abwehrkette kam und Gerrit Gohlke den Ball zum einzigen Treffer des Abends ins eigene Tor lenkte (62.), während Laurent Jans kurz danach die große Chance zum Ausgleich vergab (64.), stand nach 90 intensiven Minuten ein vermeidbares Pokal-Aus.
Am Samstag kommt Essen
„Natürlich sind wir enttäuscht, weil man gemerkt hat, dass etwas möglich gewesen wäre“, sagte Sportgeschäftsführer Tim Schork. Trainer Neidhart versuchte, das Positive aus der ersten Heimniederlage der Saison zu ziehen: „Ich bin mit der Leistung zufrieden, mit dem Ergebnis nicht. Wir haben den Pokalfight geliefert, den wir wollten.“ Die berechtigte Frage, was mit einer etwas mutigeren Gangart gegen den wahrlich nicht unverwundbar wirkenden Zweitligisten möglich gewesen wäre, blieb im Raum stehen – war aber natürlich auch spekulativ.
Neidharts Ansatz, nach den wiederkehrenden Systemausfällen wie beim 0:5 in Osnabrück oder beim 2:3 in Freiburg auf Kompaktheit zu setzen, ging auf Kosten der spielerischen Klasse, war aber vom Grundsatz her nachvollziehbar – und hätte mit ein bisschen mehr Spielglück auch belohnt werden können. In der Schlussphase – mittlerweile war mit den eingewechselten Marc Schnatterer, Berkan Taz, Pascal Sohm und Daniel Keita-Ruel auch die Mannheimer Offensive auf dem Rasen versammelt – setzte der SVW den „Club“ gehörig unter Druck. „Da mussten wir einige brenzlige Situationen überstehen“, gestand Nürnbergs Trainer Markus Weinzierl.
Für die anstehenden Aufgaben in der 3. Liga taugte die destruktive Pokal-Marschroute aber nicht als Blaupause. „Im Liga-Alltag wollen wir schon das Spiel in die Hand nehmen und mutiger sein. Wir wollen gegen Essen wieder unsere Dominanz auf den Platz bringen“, sagte Neidhart mit Blick auf den nächsten Samstag (14 Uhr), wenn sich der Aufsteiger aus dem Ruhrgebiet – begleitet von rund 2000 Fans – in Mannheim vorstellt.
Wochen der Wahrheit stehen an
Die nächsten Wochen werden für den SVW richtungsweisend. Bleibt der Aufstieg trotz der katastrophalen Auswärtsbilanz (ein Punkt aus sechs Spielen) auch nach der langen Winterpause ein realistisches Ziel? „Wir müssen das jetzt schnell abhaken. Wir haben sehr wichtige Spiele in der Liga. Darauf müssen wir uns konzentrieren“, sagte Laurent Jans.
Das Pokalmatch gegen Nürnberg war ein Bonusspiel. Gegen Essen, Dresden, Halle, Zwickau und Oldenburg geht es bis Mitte November darum, die Saison nicht frühzeitig abschenken zu müssen – was im Negativfall auch Folgen für Neidharts Jobsicherheit haben könnte.
„Wir konzentrieren uns auf das, was wir beeinflussen können, und müssen akribisch weiterarbeiten. Man sieht ja immer wieder, wozu die Mannschaft fähig ist. Deshalb hat das nichts mit dem Trainer zu tun. Sonst hätte das Team heute nicht wieder so eine Leistung gezeigt“, sagte Schork zur Debatte um den Coach.
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