Mannheim. Die große Sause begann bereits im Kabinengang, als Martin Kobylanski nach dem 4:2 (4:0) gegen den SV Sandhausen einen großen Lautsprecher anschleppte. Danach wurde mit den Fans vor der OST-Tribüne ausgiebig der vorzeitige Klassenerhalt gefeiert. Als sich das Stadion bereits geleert hatte, war natürlich immer noch nicht Schluss. Aus dem blauen VIP-Container des Carl-Benz-Stadions dröhnten Schlachtgesänge wie nach einer gewonnenen Meisterschaft, und am Eingang nahm sich Waldhof-Kapitän Marcel Seegert mit seinem Zwillingsbruder Nico noch Zeit für ein paar Fotos mit jungen Fans. Zwei Stunden nach Abpfiff hatte der 30-Jährige, der kurz zuvor noch die SVW-Ultras auf dem Zaun dirigiert hatte, dann auch seine Emotionen so weit wie möglich wieder sortiert.
„Das war für mich mit Abstand die schwerste Saison meiner Karriere“, zog Seegert eine erste Bilanz und wirkte wie ein Profi-Boxer nach 33 Runden im Schwergewicht. „Das ist nackter Überlebenskampf über Monate hinweg. Und in dem Moment, wo abgepfiffen ist, realisiert man das erst überhaupt nicht“, wich die Leere erst der Erleichterung und dann doch noch der puren Freude: „Jetzt werden wir heute Abend so richtig geil feiern und loslassen.“
„Das war für den Kopf unfassbar schwierig“
Ähnlich fühlte sich Mittelfeld-Motor Baxter Bahn, der gefühlt wieder überall auf dem Platz zu finden war und neben den Torschützen Kennedy Okpala (6.), Terrence Boyd (8., 44) und Seegert (25.) wie der Rest des Teams ebenfalls großen Anteil am entscheidenden Heimsieg hatte.
„Kompliment an die Mannschaft und das ganze Team, es war eine sehr gute Rückrunde. Spaß gemacht hat diese Saison aber nicht“, meinte Bahn. „Ich habe so viel erlebt wie in all den Jahren zuvor. Es war erst nur ein Ab, dann ein Auf und Ab. Das war für den Kopf unfassbar schwierig“, konnte sich der 31-Jährige letztlich aber dennoch über das Happy End freuen. „Es war ein hartes Stück Arbeit, aber wir sind verdient drin geblieben“, sagte Bahn, der damit auf einer Wellenlänge mit Mittelfeld-Kollege Fridolin Wagner lag.
„Es war die anstrengendste Saison überhaupt. Ich habe hier eine sehr enge Bindung zum Verein, mag die Menschen - und dann belastet einen so eine Situation natürlich sehr. Das ist jetzt ein schöner Abschluss. Heute werden sicher ein paar Kaltgetränke getrunken“, blickte Wagner auf die blau-schwarze Spontan-Party, die sich dann bis in die späte Nacht auf die Maruba-Terrasse am Neckar verlegte. „Morgen ist Muttertag, da darf ich nicht zu doll machen“, versuchte sich Doppelpacker Boyd scherzhaft ein wenig in der Rolle der Spaßbremse, doch den Auftakt in vier freie Tage bis zum nächsten Training am Donnerstag dürfte eher ohne Handbremse vonstatten gegangen sein.
Klaren Kopf wollte immerhin Sportchef Anthony Loviso behalten. „Mal schauen, wie ich am Sonntagmorgen rauskomme“, sagte Loviso mit einem Augenzwinkern. „Aber spätestens am Montag geht es dann natürlich los“, sagte der 33-Jährige, der für die nächste Saison nun endgültig Planungssicherheit hat. „Jede Woche, die ich früher loslegen kann, ist ein Gewinn“, kann Loviso bei einigen Themen nun final die Knöpfchen drücken und andere Personalien offensiver angehen.
Dabei hat ein neuer Vertrag mit Trainer Marco Antwerpen sicher erste Priorität. Dass der auslaufende Vertrag mit Kapitän Seegert verlängert wird, ist nun ohnehin nur Formsache. Mit Laurent Jans, Julian Riedel, Martin Kobylanski, Pascal Sohm, dem aufstrebenden Luca Bolay, der offenbar auch bei 1860 München ein Thema ist, und Dauerrenner Bahn muss angesichts der auslaufenden Verträge dagegen noch gesprochen werden. „Wir hatten die Gespräche angesichts der Situation erstmal komplett auf Null gestellt. Jetzt haben wir es geschafft und dann setzen wir uns mal zusammen“, sagte Bahn zu seiner Zukunft, während die Situation im Tor schon eindeutiger zu schein sein. Hier hatte sich zuletzt der Last-Minute-Wintertransfer Omer Hanin in den vergangenen acht Partien in den Vordergrund gespielt und seinen Beitrag zum Klassenerhalt geleistet. „Die Option im Vertrag steht“, jetzt müssen wir das in den kommenden Tagen klären“, zeigte der Israeli seine Bereitschaft, zu bleiben - wobei der SVW dann vier Keeper unter Vertrag hätte. Auf jeden Fall will sich der SVW nun so aufstellen, dass der Blick im Gegensatz zur zu Ende gehenden Spielzeit eher wieder in die obere Tabellenhälfte gehen kann.
„Ich habe in meiner Karriere jetzt oft gegen den Abstieg gespielt, das ist auch ein Erlebnis. Aber in der nächsten Saison hätte ich schon Bock, nochmal oben anzugreifen“, hofft Rechtsverteidiger Lukas Klünter auf eine entsprechende Kurskorrektur, die sich mit Platz sechs in der Rückrundentabelle nun schon einmal andeutet. „Das macht Lust auf mehr“, bestätigt auch Torjäger Boyd. Und Tickets für das Emotionen-Karussell des Abstiegskampfs hatten die Mannheimer in dieser Spielzeit schließlich im Überfluss.
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