Mannheim. Terrence Boyd staunte nicht schlecht. Als der damalige Trainer Rüdiger Rehm vor dem wichtigen Abstiegsduell des SV Waldhof beim Halleschen FC in der Mannschaftsbesprechung die Aufstellung für die Drittliga-Partie beim Halleschen FC enthüllt hatte, fragte der SVW-Angreifer den jungen Luca Bolay: „Bist du eigentlich nervös?“ Der 21-jährige Linksverteidiger konterte trocken: „Nee, lass uns einfach Spaß haben. Das wird schon.“ Bolay feierte in jener Partie wohlgemerkt nach über einem Jahr in Mannheim sein Startelf-Debüt beim SVW. Die Pointe dieser kurzen Konversation: Die Kurpfälzer gewannen Ende Januar mit 4:1 in Halle – und No-Name Bolay legte dem erfahrenen Mittelstürmer dabei ein Tor auf. „Eine überragende Flanke, da kannst du nicht mehr viel falsch machen“, lobte Boyd hinterher.
Normalerweise setzen Trainer im Abstiegskampf auf Erfahrung. Mit dem immensen Druck im Tabellenkeller können junge Spieler schlechter umgehen, so die gängige Meinung. Luca Bolay ist dazu die Antithese. Bei Rehm-Nachfolger Marco Antwerpen, direkt nach dem Halle-Spiel installiert, ist der Außenverteidiger aus Heimsheim (Enzkreis) in der Nähe von Pforzheim mittlerweile zur Stammkraft aufgestiegen – und sticht auf seiner Position momentan unter anderem den luxemburgischen Nationalmannschaftskapitän Laurent Jans aus. Stichwort Erfahrung im Abstiegskampf.
Ein unbekümmertes Talent: Luca Bolay
„Luca ist ein sehr interessanter Spieler mit großem Talent. Der ist immer sehr cool und macht sich kein Flämmchen an“, sagte Antwerpen über die Entdeckung auf der linken Außenbahn. Ein hübscher Spruch, der sagen soll: Bolays Unbekümmertheit ist in der aktuellen Situation Gold wert, und richtig gute Anlagen als Fußballer hat er auch noch.
Aber ist der 21-Jährige wirklich nie nervös, auch wenn er wie zuletzt vor fast 15.000 Zuschauern zum Abstiegskracher gegen Arminia Bielefeld (1:0) ins Carl-Benz-Stadion einläuft? Bolay lächelt und antwortet dann: „Ich muss ehrlich sagen, dass ich ein Spieler bin, der ziemlich wenig nervös ist. Ich sag‘ mir immer: Es ist nur Fußball. Es ist das, was wir können. Ich habe nichts zu verlieren. Dann spielt man befreit auf.“
Bolays Weg nach oben
Noch in der Winterpause sprach nicht viel dafür, dass Bolay in dieser Form beim SV Waldhof durchstarten würde. Im Januar 2023 war der gebürtige Leonberger vom Karlsruher SC (1 Zweitliga-Einsatz) nach Mannheim gewechselt, aber seine Anfangszeit am Alsenweg geriet völlig verkorkst. Zweimal kurz hintereinander stoppten Bolay Muskelfaserrisse, in der Rückrunde der vergangenen Saison (noch unter Trainer Christian Neidhart) stand er überhaupt nur einmal im Spieltagskader.
Seine Situation sollte sich auch unter Rehm nicht wesentlich verbessern. Er half meistens in der Verbandsliga-Mannschaft des SVW aus – bis er bei einem 30-minütigen Einsatz im Dezember gegen Erzgebirge Aue (3:0) sein Talent aufblitzen ließ. Der 1,77 Meter große Bolay ist ein Verteidiger, der spielerische Lösungen sucht, der über ein sicheres Passspiel verfügt und – nach dieser Eigenschaft hat man beim SV Waldhof schon länger gesucht – gute Flanken schlagen kann. Auch das entscheidende Tor gegen Bielefeld durch Samuel Abifade leitete Bolay mit einer scharfen Hereingabe ein.
Sein aktuelles Hoch lässt die Probleme des Beginns langsam in Vergessenheit geraten. „Wir haben eine gute Reha-Abteilung, die mich nach meinen Verletzungen richtig gut aufgebaut hat. Auch über die Spiele in der zweiten Mannschaft habe ich dann nach und nach Stabilität bekommen“, sagte Bolay über seine schwierige Anfangszeit in Mannheim. Auch in dieser Phase hat ihm geholfen, dass er kein notorischer Grübler ist, sondern vielmehr versucht, die Chance zu ergreifen, wenn sie sich bietet.
Genau das hat Bolay im Spiel in Halle getan. „Das hat mir sehr viel Selbstvertrauen gegeben. Wir haben 4:1 gewonnen, und du startest mit einem richtig guten Gefühl. Dann bin ich einfach drangeblieben“, sagte der Profi aus der KSC-Jugend.
Bolay gehört mittlerweile zum Stammpersonal beim SV Waldhof
In seinen ersten Spielen experimentierte Antwerpen noch mit einer Dreierkette (ohne Bolay), doch seit der Umstellung auf Viererkette bei Freiburg II (0:1) gehört Bolay zum Stammpersonal. In den vergangenen vier Partien hat der Heimsheimer 327 von 360 möglichen Minuten absolviert. Mit guten Leistungen hat Bolay seinen Anteil daran, dass der SVW die Trendwende im Abstiegskampf geschafft zu haben scheint – in den letzten drei Begegnungen holten die Mannheimer sieben Punkte.
Dennoch steht der Waldhof vor dem nächsten Liga-Spiel am Karsamstag (14 Uhr) bei Borussia Dortmund II weiter auf einem Abstiegsplatz. Bolay zeigt sich überzeugt davon, dass die Rettung gelingen wird. „Wir müssen das Selbstbewusstsein mitnehmen. Wir haben drei Spiele nicht verloren, zwei davon gewonnen“, sagte er nach der 1:3-Niederlage im Test bei Zweitligist SV Wehen Wiesbaden am Donnerstag. Wenn Bolay weiter keine Nerven zeigt und Boyd ordentlich trifft, stehen die Chancen auf den Klassenerhalt tatsächlich nicht so schlecht.
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