Handball

Darum ist die Nationalmannschaft ein Team mit Glücksgefühlen

Vor den WM-Tests gegen Brasilien verraten die Nationalspieler, wie es um das Binnenklima in der Mannschaft bestellt ist

Von 
Marc Stevermüer
Lesedauer: 
Auch Rechtsaußen Timo Kastening lobt den Zusammenhalt und die gute Stimmung innerhalb der Nationalmannschaft. © Federico Gambarini/DPA

Hamburg. Es ist leider nicht überliefert, ob Christoph Steinert mit leuchtenden Augen zur deutschen Handball-Nationalmannschaft in Hamburg anreiste. Aber man muss zumindest davon ausgehen. „Es tut immer sehr gut, mit den Jungs zusammen zu sein. Das ist wie alte Freunde treffen, da kommen Glücksgefühle auf“, sagt der 34-Jährige, der sich seit knapp einer Woche in der Hansestadt mit der Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) auf die Weltmeisterschaft in Dänemark, Norwegen und Kroatien vorbereitet.

Der Großteil des Teams besteht aus den Olympia-Helden, die im August die Silbermedaille gewannen. Aber auch ein paar Rückkehrer sind dabei. Wie zum Beispiel Rechtsaußen Timo Kastening, der in seiner Nationalmannschaftslaufbahn nach eigenem Bekunden schon „alles“ mitgemacht habe: „Vom Shootingstar über den gesetzten Stammspieler bis hin zum Olympia-Aus.“ Vor wenigen Monaten hatte ihn Bundestrainer Alfred Gislason aus dem endgültigen Aufgebot gestrichen - und in diesen Tagen erlebt Kastening nun hautnah, was die Erfolgserlebnisse in Paris und Lille mit der Mannschaft gemacht haben.

„Es gibt keine Neidkultur“

„Sehr weit“ sei das Team in seiner Entwicklung, stellt und hält der 29-Jährige vor den beiden Testspielen am Donnerstag (18.30 Uhr/live bei sportstudio.de) in Flensburg und am Samstag (16.20 Uhr/live im ZDF) in Hamburg jeweils gegen Brasilien fest: „Olympia hat die Mannschaft zusammengeschweißt - und zwar im Umgang miteinander und auch taktisch. Das zeigt sich beim Abendessen oder eben auch auf dem Feld, die Mannschaft ist in den zurückliegenden eineinhalb Jahren vorangekommen.“ Sie ist gefestigt. Funktioniert als Einheit.

Kastening spricht von einem „sehr schönen Miteinander“ und einer „hohen Akzeptanz“. Entsprechend müsse man auch nicht mit dem gesamten Team gemeinsam in ein Café gehen, um sich zu verstehen: „In jeder Mannschaft oder jedem Unternehmen gibt es immer Grüppchen. Aber jeder kommt trotzdem mit jedem klar.“ Es gebe „keine Neidkultur“, berichtet der Linkshänder von Bundesliga-Spitzenreiter MT Melsungen: „Und was noch viel wichtiger und der größte Unterschied ist, seit ich bei der Nationalmannschaft bin: Wir haben nun größtenteils einen Kern zusammen, der sich immer und immer wieder sehen wird. Da ist es viel einfacher, sich aufeinander einzustellen.“

Es verwundert daher nicht, dass Bundestrainer Gislason seinen Anteil an der „außergewöhnlich guten Stimmung“ in der Tatsache begründet sieht, „dass ich immer die gleichen Leute eingeladen habe“. Sie bilden besagten „Kern“. Er besteht aus den U-21-Weltmeistern David Späth, Justus Fischer und Renars Uscins, aus langjährigen Leistungsträgern wie Andreas Wolff und Kapitän Johannes Golla sowie aus immer noch jungen Spielern wie Julian Köster und Juri Knorr (beide 24), die schon einige Turniere und mehr als 50 Länderspiele bestritten haben. Und dann gibt es noch Senkrechtstarter wie Marko Grgic, Hoffnungsträger wie Nils Lichtlein und einen Profi wie Steinert, der auf den ersten Blick gar nicht so recht zu einem perspektivischen Neuaufbau passt.

Der gebürtige Berliner wird am 18. Januar 35 Jahre alt. Er spielt in der Bundesliga beim Tabellenvorletzten HC Erlangen. Und steht bei Gislason extrem hoch im Kurs, weshalb der Bundestrainer dem Linkshänder einen Kaderplatz für die WM freihielt, obwohl Steinert seit dem 2. November wegen einer Handverletzung kein einziges Spiel mehr für seinen Verein bestritt. Der Erlangener ist aufgrund seiner Vielseitigkeit aber einfach zu wichtig fürs gesamte DHB-Konstrukt. Er verrichtet die „ganze Drecksarbeit“, wie es Gislason nennt.

In der Abwehr verteidigt der Routinier auf der Halbposition, womit er dem unersetzlichen Uscins ein paar Pausen verschafft. Bei eigenem Ballbesitz kommt Steinert auf dem rechten Flügel zum Einsatz, obwohl der 34-Jährige eigentlich eher ein Rückraummann ist. Er spielt diese Position sogar „lieber“ und findet sie auch „spannender“, wie Steinert zugibt, weil er dort „mehr Entscheidungen“ treffen könne. Doch der 34-Jährige spielt eben dort, wo ihn der Bundestrainer hinstellt. Weil er weiß, dass „ich so den größten Mehrwert für die Mannschaft schaffe“.

„Das ist hier wie bei einem Klassentreffen“

Keine Frage: Der Erlangener ist der klassische Rollen- und Mannschaftsspieler - und drückt neben allem Talent, das diese Ansammlung an Hochbegabten vereint, genau das aus, wofür diese Mannschaft steht. Sie ist nämlich genau das. Eine Mannschaft. Und zwar eine, die nach dem furiosen Jahr 2024 mit EM-Halbfinale und Olympia-Silber nun bei der Weltmeisterschaft nachlegen will.

Mehr zum Thema

Handball

Mit zwei Rhein-Neckar Löwen - Nationalteam als Sehnsuchtsort

Veröffentlicht
Von
Marc Stevermüer
Mehr erfahren
Handball

Alles zum Start der Handball-WM mit Knorr und weiteren Rhein-Neckar Löwen

Veröffentlicht
Von
Marc Stevermüer
Mehr erfahren

„Wir haben uns zuletzt kontinuierlich entwickelt. Und zwar sowohl mit Blick auf das Spielerische als auch hinsichtlich unserer Qualität. Wir sind immer besser geworden, das hat sich gezeigt in Platzierungen. Und es wäre schön, wenn der Weg so weitergeht“, sagt Steinert, der mit der DHB-Auswahl in der WM-Vorrunde auf Polen (15. Januar, 20.30 Uhr), Schweiz (17. Januar, 20. Uhr) und Tschechien (19. Januar, 18 Uhr) trifft. Der Einzug in die Hauptrunde sollte eine Formsache sein. Dort wird es dann ziemlich sicher zum Duell mit Turnierfavorit Dänemark sowie zwei Teams aus dem Trio Italien, Tunesien und Algerien kommen. Also eine schwere und zwei lösbare Aufgaben.

Kurzum: Auch wenn jedes Spiel erst einmal gespielt werden muss, scheint der Weg ins Viertelfinale bereitet. Es sieht also nach einem langen Turnier aus. Doch nach jetzigem Stand droht eher kein Lagerkoller, wie Kastening verdeutlicht: „Das ist hier wie bei einem Klassentreffen. Wir sprechen über Dinge, die in der Vergangenheit waren.“ Von nun an gilt es aber, die Zukunft erfolgreich zu gestalten. Damit es auch künftig etwas zu erzählen gibt.

Redaktion Handball-Reporter, Rhein-Neckar Löwen und Nationalmannschaft

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke