Zürich. Es hat ein bisschen gedauert, bis alles richtig saß und stand. Ein Mannschaftsfoto ist stets eine Herausforderung, zumal die deutschen Fußballerinnen im Sportzentrum Buchlern in Zürich vor dem Klicken der Auslöser selbst noch Hand anlegten. Kapitänin Giulia Gwinn richtete bei Sara Däbritz erst noch die Frisur, ehe das deutsche Frauen-Nationalteam in zweifacher Ausfertigung posierte: einmal nur mit dem Trainerstab, einmal mit dem gesamten Staff.
Überall strahlende Gesichter, weil eine piekfeine Sportanlage im idyllischen Ambiente einer bewaldeten Anhöhe als Trainingsstätte genauso perfekte Bedingungen bot wie das exquisite Fünf-Sterne-Hotel am Fuße des Uetlibergs als Teamquartier. Gwinn hat aber weniger beeindruckt, dass dort schon Freddie Mercury, Muhammad Ali, Elton John und Rihanna genächtigt haben, sondern dass das DFB-Teammanagement liebevolle Überraschungen für jede Spielerin parat hielt.
Kapitänin Gwinn: „Ich bin zutiefst überzeugt, was Großes zu erreichen“
Man habe „Bilder von dem Weg aus den U-Mannschaften“ vorgefunden, dazu „Briefe von unseren Liebsten – so etwas sieht und liest man gerne.“ Die Verteidigerin von Bayern München drückte bei der ersten Pressekonferenz in der Schweiz eine „Riesenvorfreude“ aufs Turnier aus.
Sie könne das Auftaktspiel gegen Polen am Freitag (21 Uhr/live in der ARD) in St. Gallen kaum mehr erwarten – und sich überdies nicht daran erinnern, jemals so optimistisch gewesen zu sein. „Es ist ein unfassbares Potenzial in diesem Team. Ich bin zutiefst überzeugt, was Großes zu erreichen.“ Wer die Vorzeigefußballerin vom Bodensee ein bisschen kennt: Dieses Statement hatte ihr kein PR-Stratege geflüstert.
Ist das Viertelfinalticket schon vor dem kniffligen Duell mit Schweden gelöst?
Sie berichtete auch, dass Schlagersänger Wolfgang Petry eine Teamhymne aufgenommen habe, die das erste musikalische Gemeinschaftswerk der DFB-Frauen darstellt. Zum „Wolle“-Hit „Verlieben, verloren, vergessen, verzeih‘n“ hätten alle mitgesungen, sagte Gwinn und lachte: „Ich glaube, da kann sich jeder drauf freuen, was da für Engelsstimmen herausgekommen sind.“
Wichtiger bleibt gleichwohl, dass in ihrer Heimatregion am Bodensee zunächst ein sportliches Ausrufezeichen gesetzt wird. Weil der zweite Gruppengegner Dänemark am 8. Juli in Basel einiges von früherer Stärke eingebüßt hat, erscheint es durchaus möglich, das Viertelfinalticket bereits vor dem Showdown gegen den WM-Dritten Schweden am 12. Juli in Zürich zu lösen. Man wisse zwar, „dass im Viertelfinale jemand wartet, der uns alles abverlangen wird“, sagte die Wortführerin eingedenk drohender Duelle in der K.o.-Runde gegen Frankreich oder England, „aber uns muss man erst einmal schlagen“.
Hörte sich alles in allem so an, als würde gerade kein Wölkchen die Stimmung trüben. Dazu gehört, dass die deutsche Anführerin bei dieser EM durchgängig mit der Regenbogenbinde aufläuft. „Für uns ist es erst mal schön, dass es möglich gemacht wurde. Es war auch gar keine Frage, die Binde zu wechseln.“
Bei der EM 2022 in England hatte Vorgängerin Alexandra Popp auch die bunte Binde am Arm geführt, bei der WM 2023 in Australien jedoch darauf verzichtet. Gwinn findet richtig, „diese Werte nach außen zu tragen: Die Mannschaft steht einfach für so viel.“
Bundestrainer Wück: „Wir liegen voll im Zeitplan“
Auch Christian Wück ist anzusehen, dass sein erstes Turnier im Frauen-Fußball die Vorfreude geschürt hat. Mit einer weißen Kappe zum Schutz gegen die Sonne rief der Bundestrainer vormittags seine Anweisungen über den mit nicht ganz blickdichten Planen umgebenen Trainingsplatz. Nachmittags gestattete der 52-Jährige dann ein Teamevent mit einer Bootsfahrt über den Zürichsee.
Wück fällt es nicht sonderlich schwer, die letzten Tage „zu nutzen, um dieses Teamgefüge weiter zu stärken. Wir liegen voll im Zeitplan.“
Co-Trainerin Bartusiak weiß, wie man Titel holt
Seine Assistentin Saskia Bartusiak zeichnete ein ähnliches Bild. Sie müsse nicht von den Erfolgen ihrer Karriere erzählen, um der aktuellen Generation Hilfestellung zu liefern, betonte die 42-Jährige, denn „es gibt nicht den klassischen Weg“. Die Frankfurterin war als eine der weltbesten Verteidigerinnen aktiv daran beteiligt, bei der EM 2013 in Schweden und bei Olympia 2016 in Brasilien die bislang letzten Titel für Deutschlands Frauen zu gewinnen.
Wird in der schönen Schweiz nun ein neues Erfolgskapitel geschrieben? Die Zuversicht ist schon titelverdächtig.
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/sport_artikel,-sport-titelverdaechtige-zuversicht-bei-den-dfb-frauen-_arid,2313787.html
Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Kommentar Die Frauen-EM: Ein Fußball-Fest wie früher