Mannheim. Es rumort im Männer-Fußball. Mit aufgeblähten Turnieren wie der neuen Club-WM oder der auf 48 Nationen erweiterten WM der Nationalteams verliert die FIFA zunehmend den sportlichen Fokus zugunsten wirtschaftlicher Interesse. Die an diesem Mittwoch beginnende Frauen-EM bleibt hingegen wohltuend kompakt – und genau das macht ihre Faszination aus.
Nur 16 Teams kämpfen in einem aus früheren Tagen auch vom Männer-Fußball bekannten, klar strukturierten Modus um den Titel. Sportliche Klasse steht im Mittelpunkt, nicht der Gigantismus, der möglichst viele zu vermarktende Spiele hervorbringen will.
Diese EM verspricht daher ein Fußballturnier zu werden, wie man es sich als Fan nur wünschen kann: spannend, übersichtlich, hochklassig. Keine verwässerte Vorrunde, keine künstlich aufgeblähte Spannung – sondern vom ersten Spiel an ehrlicher Wettkampf auf hohem Niveau. Und das auch noch vor der Haustür, in der Schweiz, wo alle Spielorte problemlos mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen sind.
Die Frauen-EM setzt ein starkes Zeichen: Weniger ist eben oft mehr.
In einer Zeit, in der der Männer-Fußball sich immer weiter von seinen Wurzeln entfernt, setzt die Frauen-EM ein starkes Zeichen: Weniger ist eben oft mehr.
Zugleich ist die gewachsene Bedeutung des Frauen-Fußballs nicht zu übersehen. Große Turniere wie die EM oder die WM begeistern inzwischen ein Millionenpublikum, füllen Stadien, prägen Diskussionen – und inspirieren die nächste Generation von Spielerinnen.
Die Entwicklung der vergangenen Jahre zeigt: Der Frauen-Fußball genießt inzwischen – zumindest alle zwei Jahre bei einem großen Turnier – eine herausgehobene Stellung im Sportgeschehen. Nicht umsonst werden erstmals alle EM-Spiele live von der ARD oder dem ZDF übertragen.
Auch für das deutsche Team könnte das Turnier ein Meilenstein werden. Nach schwierigen Jahren mit dem WM-Fiasko 2023 ist wieder eine Einheit auf dem Platz zu spüren. Die Teamchemie stimmt, die Spielfreude ist zurück.
Doch bei aller Euphorie: Der Weg ins Finale wird schwer. Mit Spanien und England sind zwei Nationen aktuell klar stärker aufgestellt – technisch, taktisch und in der Breite des Kaders. Für die DFB-Auswahl könnte schon im Viertelfinale Schluss sein, denn da wartet wohl mit England, den Niederlanden oder Frankreich ein Topgegner.
Trotzdem: Die Vorfreude auf dieses Turnier ist groß – gerade, weil es sportlich überzeugt, ohne sich im Gigantismus zu verlieren. Die Frauen-EM zeigt, wie moderner Fußball aussehen kann, ohne zu überdrehen: ambitioniert, leidenschaftlich, aber mit Bodenhaftung.
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Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Kommentar Die Frauen-EM: Ein Fußball-Fest wie früher
Wenn am Mittwoch die Frauen-EM startet, dürften Fußball-Fans ein Turnier bekommen, wie sie es sich auch bei den Männern wieder wünschen, glaubt Jan Zurheide.