Paris. Kaum sind die Olympischen Sommerspiele beendet, wächst die Nostalgie in Frankreich. Was soll abgesehen von den kleiner dimensionierten Paralympischen Spielen ab dem 28. August künftig noch für so viel Jubel und Freude sorgen, wie es die gut zweiwöchigen Sportwettbewerbe und das festliche Drumherum getan haben? In politischer Hinsicht stehen eine schwierige Regierungsbildung und die üblichen Parteien-Streitigkeiten an.
Es bleiben die schönen Bilder und Erinnerungen, möglicherweise der Flammenring in Ballonform im Tuilerien-Garten beim Louvre, das international aufpolierte Image des gut organisierten Gastgebers - und ein Vermächtnis, auf das die Verantwortlichen seit Jahren hinarbeiteten. Ein Teil des Pariser Organisationsteam hatte sich sogar eigens dem Thema „Auswirkungen und Erbe“ verschrieben.
Aus dem Olympischen Dorf werden Wohnungen
Dessen Direktorin Marie Barsacq-Beaudou zufolge ging es längst nicht nur um die neuen Bauten oder Stadien, die zurückbleiben. Oft habe es sich in der Vergangenheit um „weiße Elefanten“ gehandelt, die bald ungenutzt herumstanden. „Die Pariser Spiele sollten verantwortungsbewusster werden - sowohl in ökonomischer Hinsicht als auch in Bezug auf den CO²-Ausstoß - und ein soziales Vermächtnis haben, um die betroffenen Gebiete positiv zu prägen.“ Das sei ein starkes Argument bei der Olympia-Kandidatur gewesen.
Paris konnte sich auf viele bestehende sportliche Einrichtungen stützen. Neu gebaut wurden im Wesentlichen eine Arena im Norden der Metropole sowie das Olympische Dorf auf dem Gebiet von drei ebenfalls nördlichen Vorstädten im Département Seine-Saint-Denis, dem ärmsten des Landes. Der staatliche Bauträger rühmte sich mit einer umweltschonenden Bauweise durch die Verwendung von vor Ort hergestelltem CO²-armem Beton und vielen Naturmaterialien. Das Dorf wird nun umgewandelt in ein Stadtviertel mit Wohnungen für 6000 Menschen, Büros für 6000 Beschäftigte, eine Kinderkrippe, Geschäfte und eine Schule.
Auch Marseille und Tahiti sollen von den Sommerspielen profitieren
Ein großer Park soll hier auch entstehen. Rund 9000 Bäume und Sträucher wurden gepflanzt, ein Zugang zu den Seine-Quais nach dem Vorbild von Paris geschaffen, wo aus den einst viel befahrenen Uferstraßen Flaniermeilen wurden. Hinzu kamen die Errichtung eines Olympischen Schwimmbads sowie der Bau oder die Renovierung von sieben weiteren Bädern im Département Seine-Saint-Denis. Die Anbindung unter anderem der nördlichen Banlieues wird durch den Bau oder die Erweiterung neuer Metrolinien verbessert, die allerdings schon länger geplant waren.
In Marseille, wo die Segelwettbewerbe stattfanden, wurden der Hafen umstrukturiert und die Wasserbecken renoviert. In Tahiti, wo die Surfer gegeneinander antraten, werden die Häuser des aus modularen Strukturen bestehenden Olympischen Dorfs als Sozialwohnungen dienen. Im Großraum Paris entstanden neue Radwege.
Die neue französische Generation soll durch mehr Sport gesünder werden
Um Schwimmwettbewerbe in der Seine stattfinden zu lassen - was gelang, aber umstritten blieb - wurden der Pariser Fluss und sein Nebenarm, die Marne, für 1,4 Milliarden Euro gesäubert - unter anderem durch den Bau eines Rückhaltebeckens und die Sanierung von Abwasserzuflüssen. Ab 2025 sollen die Pariser dann an drei überwachten Badestellen in den Fluss springen können.
Doch Barsacq-Baudou spricht noch lieber über das immaterielle als über das handfeste Vermächtnis dieser Pariser Sommerspiele. „Wir wollten das Ereignis nutzen, um dauerhaft die Sportpraxis der Bevölkerung zu erhöhen. Damit die Generation 2024 gesünder ist als die davor“, sagt sie.
In allen Schulen steht künftig mindestens eine halbe Stunde Sport pro Tag auf dem Stundenplan. Im Département Seine-Saint-Denis, wo rund die Hälfte der Zehnjährigen nicht schwimmen können, erhielten seit 2021 tausende Kinder kostenlosen Schwimmunterricht. In Marseille veranstaltet ein Verein mit Fördergeldern des Organisationskomitees der Pariser Spiele Kanu-Kurse für Jugendliche aus benachteiligten Vierteln.
Jobs wurden geschaffen, Menschen erhielten Ausbildung
Ein weiterer Bereich ist jener der Jobs. Laut Organisatoren arbeiteten 181 000 Menschen für die Spiele - ob bei privaten Sicherheitsunternehmen, Reinigungsfirmen oder in der Gastronomie. Nicht nur erhielten viele eine Ausbildung und können ihren Lebenslauf mit dieser Erfahrung anreichern. Auch wurden 10 Prozent der Arbeitsstunden von Langzeitarbeitslosen geleistet. Ziel war es, sie dauerhaft zurück auf den Arbeitsmarkt zu bringen - gerade in Bereichen, in denen es an Personal fehlt.
Doch nicht alle teilen die positive Sicht der Verantwortlichen. Hilfsvereine für Geflüchtete und Wohnungslose kritisieren schon länger die umfassende Verlegung jener Menschen, um sie aus der Hauptstadt zu schaffen. Innerhalb von eineinhalb Jahren wurden 11 000 Personen in eine andere Region gebracht. Für ein paar wenige wurden dauerhafte Plätze in Paris geschaffen.
Kehren nun die Drogenabhängigen zurück, die aus der Stadt geschafft wurden?
Paul Alauzy, Sprecher der Vereinigung „Die Rückseite der Medaille“ spricht von einem „antisozialen Erbe“: „200 neue Unterkünfte, während wir um die 3500 Wohnungslose in Paris zählen: Das ist ein Pflaster auf einer klaffenden Wunde.“
Auch Drogenabhängige, die zuvor offen in manchen Gegenden der Stadt vor allem Crack konsumierten, kamen in Obhut - oder weiter weg. Ob sie bald zurückkommen? Die konkreten Auswirkungen und Folgen dieser Spiele werden erst mittel- und langfristig erkennbar sein.
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Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Kommentar Von Olympia in Paris kann jeder lernen