Mannheim. Fünf Kuscheltiere und einen Blumenstrauß gleichzeitig unfallfrei in den Armen zu halten, war für Kristina Isaev fast schwieriger als ihre gerade beendete Kür bei den Eiskunstlauf-Europameisterschaften in Kaunas. Aber die EM-Debütantin vom Mannheimer ERC hatte sich diese Gunstbeweise des Publikums mehr als redlich verdient. „We want more“ - den offiziellen Hashtag der europäischen Titelkämpfe bezog sie ganz persönlich auf sich selbst und ihre sportliche Zukunft. Der Premierenplatz 15 soll für die 22-Jährige nur ein Anfang sein.
„Rang zehn ist nicht so weit weg. Der ist für das nächste Jahr mein Ziel“, sagte die Sportsoldatin. Isaev fühlte schon in der Zalgirio-Arena, dass sie bereit ist für diesen weiteren Schritt Richtung europäische Spitze: „Ich habe hier wertvolle Erfahrungen gesammelt und fühle mich jetzt sicherer, wenn ich vor vielen Zuschauern laufen muss.“
Top-Schwierigkeiten fehlen noch
Den EM-Besuchern präsentierte die Wahl-Oberstdorferin in Litauen ein Kürprogramm zu Tangoklängen, das durchaus Anklang fand. Keine Stürze störten den Gesamteindruck, doch noch fehlt es Isaev an Top- Schwierigkeiten, um in die absolute Spitze vorzudringen.
Derjenige, der die Deutsche Meisterin mit russischen Wurzeln weiter nach oben führen soll, war mit dem erreichten Etappenziel seines Schützlings durchaus zufrieden. „Kristina ist erfrischend gelaufen“, sagte Michael Huth. Der 54-Jährige, bei Olympia 1988 in Calgary für die DDR als Einzelläufer auf dem Eis, machte aber auch keinen Hehl daraus, dass Isaev noch viel und hart arbeiten muss. „Sie ist diszipliniert und selbstkritisch, aber sie muss auch noch mehr auf die Steuerung durch ihren Trainer eingehen“, mahnte der Erfolgscoach, der unter anderem Carolina Kostner aus Italien zum WM-Titel geführt und den Tschechen Tomas Verner zum Europameister gemacht hatte.
Nächstes Ziel: die WM im März
Aktuell steht Huth auf der Kandidatenliste des Eislauf-Weltverbandes ISU bei der Wahl zum Trainer des Jahres. Der gebürtige Sachse machte deutlich, dass seine talentierte Läuferin weiterhin viel Führung benötigt, um den in Kaunas eingeschlagenen Erfolgsweg fortzusetzen. Huth ist in der Saison mit seinen anderen Läuferinnen und Läufern viel unterwegs und öfter nicht in Oberstdorf präsent: „Kristina ist schon tüchtiger geworden. Aber wenn ich beim Training über einen längeren Zeitraum nicht dabei sein kann, kommt es schon einmal zu Problemen.“
So, wie im Oktober vergangenen Jahres, als die gemeinsamen sportlichen Ziele der Zweckgemeinschaft nach internen Unstimmigkeiten in Gefahr gerieten. In Kaunas aber vertrat Isaev die Deutsche Eislauf-Union (DEU) würdig. Vier Wochen nach dem Gewinn ihres ersten nationalen Titels stellte die Athletin beim klaren Sieg der Belgierin Loena Hendrickx (213,25 Punkte) mit 101,67 Punkten (Kürwertung) und 155,28 Punkten (Gesamtwertung) zwei neue Saisonbestleistungen auf, die sie aber wohl schon bei der WM Ende März in Montreal steigern muss, um auch bei diesem Championat einen Schritt nach vorne zu machen. Denn bei den letztjährigen Welttitelkämpfen im japanischen Saitama verpasste Isaev als 29. nach dem Kurzprogramm das Kürfinale.
"Ein Leben ohne Eiskunstlauf kann ich mir nicht vorstellen"
Damit sich diese sportliche Enttäuschung nicht wiederholt, arbeitet sie bereits an höheren Schwierigkeiten wie einer Dreifach-Dreifach-Kombination. „Grundsätzlich ist das schon da“, berichtete Huth. „Zu 60 bis 70 Prozent“, ergänzte Isaev. Verbessern will und muss sie auch ihre Präsentation auf dem Eis: „Bisher habe ich noch nicht mein optimales Programm gefunden. Das Ziel ist es, noch mehr Individualität zu zeigen. Darauf freue ich mich. Schon die Zuschauer in Kaunas haben mich gemocht.“
Fest steht: Nach mittlerweile vier Jahren in Oberstdorf will Isaev dauerhaft ein Teil der Eiskunstlauf-Community bleiben. „Ein Leben ohne Eiskunstlauf kann ich mir nicht mehr vorstellen. Ich will auch auf jeden Fall Trainerin werden“, kündigte sie nach ihrer EM-Kür an. Ursprünglich hatte die in Mannheim einst von Peter Sczypa betreute Läuferin einen ganz anderen Berufsweg eingeschlagen. Doch eine Ausbildung zur Zahnarzthelferin brach sie ab, als ihr die DEU einen Wechsel nach Oberstdorf offerierte.
Isaev folgte ihrem Herzen und entschied sich für das Allgäu als neuen Lebensmittelpunkt, ohne jedoch die Verbindungen nach Mannheim vollständig zu kappen. Ihr Versprechen: „Ich werde weiter für den MERC starten.“
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