Eishockey

Was NHL-Star Moritz Seider noch mit den Detroit Red Wings vor hat

Moritz Seider zählt zu den besten Eishockey-Spielern der Welt. Der Verteidiger, der 2019 mit den Adlern Mannheim die Meisterschaft gewann, ist das Gesicht der Detroit Red Wings und will die Zukunft des NHL-Clubs prägen

Von 
Christian Rotter
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Qualitätsmerkmal: Moritz Seider steht häufig gegen die besten Stürmer des Gegners auf dem Eis. © Brian Bradshaw Sevald/Imago

Moritz, Leon Draisaitl und Philipp Grubauer sind mit ihren Clubs in die zweite Runde der NHL-Play-offs eingezogen. Wie schwer fällt es Ihnen, den Kampf um den Stanley Cup am TV zu verfolgen?

Moritz Seider: Auch wenn ich natürlich gerne noch auf dem Eis mitmischen würde, genieße ich es schon, mir die Spiele anzuschauen. Vor allem die enge Serie zwischen den Boston Bruins und den Florida Panthers habe ich intensiv verfolgt. Mit ein bisschen Abstand kann ich die anderen Jungs ein wenig anfeuern und mich für sie freuen.

Warum hatte es Ihnen die Boston-Florida-Serie so sehr angetan?

Seider: Mit Tyler Bertuzzi stürmte ein Spieler für die Bruins, der bis März unser Red-Wings-Trikot getragen hat. Ich habe ihm die Daumen gedrückt und gehofft, dass sich sein Traum vom Stanley Cup erfüllt. Leider ist dieser jetzt schon geplatzt. Es war spannend, zu sehen, wie viele Kleinigkeiten in der Serie den Unterschied ausgemacht haben.

Ihre Red Wings haben die Play-off-Teilnahme verpasst. Was waren die Gründe?

Seider: Ich glaube, wir waren in manchen Situationen einfach noch zu überfordert. Da fallen mir spontan die beiden Spiele kurz hintereinander gegen die Ottawa Senators ein, in denen wir uns haben vorführen lassen. Das war irgendwie ein Sinnbild für die Saison. Dazu kam unser großes Verletzungspech. Wir hatten gerade in der heißen Saisonphase nicht den vollen Kader beisammen, mussten einige Spieler abgeben und haben niemanden dazubekommen. Irgendwann ist die Hoffnung verloren gegangen.

Nach der vergangenen Saison sind Sie zum besten Neuling in der NHL gewählt worden. Haben Sie gemerkt, dass die Gegner Sie noch mehr auf der Rechnung haben?

Seider: Ich habe schon eine Veränderung in der Wahrnehmung gespürt und fand, dass mich das eine oder andere Team anders bespielt hat. Obwohl ich ein paar Scorerpunkte weniger verbucht habe als in der vergangenen Saison, hatte ich aber schon den Eindruck, dass ich unserem Spiel den Stempel aufdrücken konnte.

Moritz Seider

  • Moritz Seider wurde am 6. April 2001 in Zell (Mosel) geboren.
  • Mit dem Eishockeyspielen begann er beim EHC Erfurt, ehe er 2015 zu den Jungadlern Mannheim wechselte.
  • Am 25. Oktober 2017 bestritt er mit 16 Jahren sein erstes Profispiel für die Adler. Gegner war die Düsseldorfer EG.
  • Mit Mannheim holte der Verteidiger 2019 die Meisterschaft in der Deutschen Eishockey Liga.
  • Am 14. Oktober 2021 bestritt Seider sein erstes NHL-Spiel für die Detroit Red Wings.
  • Am Ende seiner Premierensaison in der NHL standen für den Rechtsschützen sieben Tore und 43 Vorlagen zu Buche. Im Juni 2022 wurde Seider in Tampa (Florida) als „Rookie des Jahres“ in der NHL ausgezeichnet.
  • In seinem zweiten NHL-Jahr sammelte der 22-Jährige 42 Scorerpunkte (5 Tore, 37 Vorlagen). Für die Red Wings reichte es erneut nicht für die Play-offs.

 

Sie haben die fünftmeisten Schüsse aller NHL-Spieler geblockt. Was bedeutet Ihnen diese Statistik?

Seider: Sie bedeutet mir vielleicht nicht alles, ist aber ein Schritt in die richtige Richtung. Wir hatten in meiner ersten NHL-Saison die schlechteste Unterzahl der Liga. Das hat sich nun gebessert. Wir befinden uns im Mittelfeld. Da haben wir einen ordentlichen Job gemacht.

Sie waren einer der Vielspieler in Detroit. Wie körperlich und mental anstrengend war die Spielzeit?

Seider: Körperlich gar nicht so sehr. Je mehr ich spiele, desto leichter fällt es mir. Irgendwann denkt man gar nicht mehr über den Körper nach, nimmt die Spiele einfach eines nach dem anderen. Auch mental war es für mich wesentlich leichter als in meinem Rookie-Jahr. Es war cool, zu sehen, wie schnell man sich an die ganzen Abläufe anpasst.

Inwiefern hat die Wahl zum „Rookie des Jahres“ den Druck erhöht?

Seider: Total. Nicht nur von außen, ich habe ja auch hohe Erwartungen an mich selbst. Viele Menschen brechen die Leistung auf die Scorerpunkte herunter. Die sind allerdings nicht alles in meinem Spiel. Ich werde nie ein Cale Makar oder ein Erik Karlsson sein. Dafür spiele ich immer gegen die Topreihe des Gegners. Ich habe das Gefühl, dass ich da noch einmal einen Schritt nach vorn machen konnte, obwohl es unterm Strich beim Teamerfolg nicht so gefruchtet hat, wie wir uns das gewünscht hätten.

An welchen Stellschrauben müssen die Red Wings drehen, damit es im nächsten Jahr mit einer Play-off-Teilnahme klappt?

Seider: Unser Anspruch ist es, dass wir in Über- und Unterzahl unter die Top-15 der Liga kommen. Gerade in Unterzahl sind wir davon nicht mehr weit weg. Ein anderes Augenmerk muss es sein, dass wir weniger Gegentore bekommen. Zudem müssen wir in Spielen, in denen es vielleicht nicht so gut für uns läuft, trotzdem Wege finden, Tore zu schießen. Sollte das alles klappen, bin ich guter Dinge, dass wir die 90-Punkte-Marke übertreffen, um eine realistische Chance auf eine Play-off-Teilnahme zu haben.

Wie realistisch ist es, dass die Red Wings mittelfristig wieder um den Stanley Cup mitspielen können?

Seider: Man hat es bei all den Überraschungen in der ersten Runde gesehen, dass es egal ist, von welchem Platz aus du in die Play-offs startest. Es ist alles möglich. Selbst der souveräne Hauptrundensieger aus Boston ist ja gleich gescheitert. Ich bin mir sicher, dass unser Manager Steve Yzerman im Sommer die richtigen Kaderveränderungen vornimmt. Jeder von uns wird nach dem bitteren Gefühl nach der Hauptrunde noch härter an sich arbeiten. Dann wird es in Detroit einfach mal wieder Zeit, die Play-offs anzugehen.

Nachdem Sie in den vergangenen Jahren immer die WM gespielt hatten, mussten Sie diesmal für die Titelkämpfe in Finnland und Lettland absagen. Warum?

Seider: Es gibt ein, zwei kleinere Blessuren, die ich auskurieren muss. Ich habe in den letzten Jahren sehr viel Eishockey gespielt, es steht für mich ein sehr wichtiger Sommer vor der Tür, den ich mit aller Kraft angehen will. Ich möchte die bestmögliche Chance haben, um gut in meine ersten Vertragsverhandlungen mit Detroit zu starten. Die machen das große Bild für meine Karriere aus.

Was trauen Sie Deutschland bei der WM zu?

Seider: Das Viertelfinale sollte immer ein ausgeschriebenes Ziel für die Mannschaft sein. Die Meisterspieler aus München, die jetzt gut eine Woche vor dem WM-Start dazustoßen, werden das Team alleine schon mit ihrem großen Selbstvertrauen puschen. Es geht bei der WM ja auch um die direkte Qualifikation für Olympia 2026. Das muss das Ziel sein.

Weil die Winterspiele für Sie auch ein Traum wären?

Seider: Absolut. Stand jetzt wären wir NHL-Spieler ja dabei. Die Jungs, mit denen ich Kontakt habe, freuen sich sehr auf Mailand und Cortina.

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Wie haben Sie die Zeit seit dem Ende der NHL-Hauptrunde verbracht?

Seider (lacht): Mit Arbeit. In meinem Familienkreis standen Umzüge an. Da habe ich natürlich mit angepackt. Ansonsten freue ich mich auf den anstehenden Urlaub.

Werden Sie in der Vorbereitung wieder mit den Adlern auf dem Eis stehen?

Seider: Ja, das ist der Plan. Das hat in den vergangenen Jahren gut funktioniert. Und ich habe mich gut gefühlt, als es dann wieder rüber in die USA ging. Ich freue mich darauf, mit coolen Jungs auf dem Eis zu stehen.

In der NHL hat Leon Draisaitl die Edmonton Oilers in die zweite Play-off-Runde geführt. Warum ist der ehemalige Spieler der Jungadler Mannheim so schwer zu verteidigen?

Seider: Leon kann aus dem Nichts eine Torchance kreieren. Er hat einen gefährlichen Schuss, den er gefühlt von überall auf dem Eis abfeuern kann. Er weiß genau, wie er seine Mitspieler in Szene setzen muss. Was ich an Leon bewundere, ist seine Arbeit in den Ecken. Du kommst schwer an den Puck, wenn er seinen Hintern rausstreckt. Man kann stolz darauf sein, einen solchen Typen zu kennen.

Sie verdienen mit Ihrem Hobby gutes Geld. Wie groß ist Ihre Dankbarkeit?

Seider: Das ist ein Privileg. Es gibt nicht viele, die behaupten können, dass sie ihren Traum zum Beruf gemacht haben und dafür ordentlich entlohnt werden. Das führe ich mir sehr oft vor Augen und bin dafür sehr dankbar. Wenn man das realisiert, fällt es einem leichter, die Extrakilometer zu rennen.

Wie wichtig ist es Ihnen, Ihren Eltern, die viele Entbehrungen für Sie in Kauf genommen haben, etwas zurückzugeben?

Seider: Da geht es jetzt nicht immer unbedingt um materielle Sachen. Es ist die Zeit, die wir nun nachholen können. Im Moment ist die Oma bei uns in Mannheim. Das ist viel schöner als alles Geld der Welt. Wenn man sein Kind sechs Monate nicht sieht, genießt man jede Minute.

Nach Ihrem zweiten Jahr in Detroit: Was ist bei Ihnen schon typisch amerikanisch? Und was ist typisch deutsch geblieben?

Seider: Ich ertappe mich mittlerweile oft dabei, dass immer Wasser auf dem Tisch stehen muss - egal, ob zum Frühstück, Mittag- oder Abendessen. Das ist schon sehr, sehr amerikanisch. Hier müssen die Wassergläser immer gefüllt sein. Typisch deutsch ist es, sich Zeit zu nehmen für Dinge, die mir wichtig sind: Familie, Freunde, Unterhaltungen. Da ist mir das amerikanische Leben ab und zu zu oberflächlich.

Redaktion Koordinator der Sportredaktion

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