Schon lange verfolge ich die regelmäßig hier veröffentlichten Leserbriefe des Vielschreibers Herbert Semsch aus Brühl. In der Wochenendausgabe vom Samstag, 17. Mai, fand sich mal wieder ein Rundumschlag gegen mehrere politische und gesellschaftliche Institutionen, vor allem aber gegen die Evangelische Kirche, unter der Überschrift „Einfach unglaublich“. Schon öfter erwog ich zur Feder zu greifen, um die Leserbriefe dieses Schreibers zu kommentieren, dessen Spezialität es ist, hinterher immer genau zu wissen, was man vorher hätte besser machen sollen, habe es mir aber verkniffen, da die Argumentation in seinen Leserbriefen meist derart krude daherkommt, dass sich ein Kommentar für einen vernünftigen Leser eigentlich erübrigt. Auch bei dem oben genannten Leserbrief eröffnet uns der Schreiber sofort welches Geistes Kind er ist, wenn er den Verfassungsschutzbericht, in dem die AfD als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wird, kritisiert und das natürlich ohne jedes inhaltliche Argument und im gleichen Atemzug die freien Medien als unglaubwürdig diffamiert.
Ohne erkennbaren inhaltlichen Zusammenhang knüpft er sich sodann die Evangelische Kirche vor, weil auf dem Kirchentag auch „queere“ Themen angesprochen wurden und stürzt er sich sodann auf einen Workshop, der schon in der Boulevardpresse breitgetreten wurde, bei dem angeblich weiße Kinder nicht erwünscht gewesen seien, sondern ausschließlich „Black, Indigenas und Children of Color“.
Ja, es stimmt, unter Tausenden von Veranstaltungen auf dem Evangelischen Kirchentag gab es auch solche zu Minderheitenthemen. Bezeichnend, dass sich Populisten ausschließlich auf diese Reizthemen stürzen, um Stimmung gegen Minderheiten zu machen und gegen Institutionen, wie eben die Evangelische Kirche, die sich auch Minderheiten annimmt und diese zu schützen versucht. Die Zugangsbeschränkung zu einer Veranstaltung kann nämlich mitunter nötig sein, um betroffenen Menschen einen geschützten Raum zu eröffnen. Wer dies mit populistischer Häme in den Schmutz zieht, der zeigt, dass Schmutz sein Programm ist, um Stimmung gegen Minderheiten zu schüren und politische sowie gesellschaftliche Institutionen zu verunglimpfen. Dies ist das typische Vorgehen populistischer Hetzer.
Ich bin dankbar für eine Kirche, die sich auch um Minderheiten kümmert und diese zu schützen versucht. Ob das vorliegend geglückt ist, darüber kann man sachlich gerne diskutieren. Ich wende mich entschieden gegen populistische Hetze, die unsere demokratischen und gesellschaftlichen Institutionen verunglimpft und Minderheiten der Lächerlichkeit preisgibt, um die Menschen in unserem Land zu verunsichern und sich stattdessen als Heilsbringer zu inszenieren.
Leider kommt populistisches Geschreibsel auf den ersten Blick oft überzeugend daher, aber nur weil mit Lügen, Halbwahrheiten, Vereinfachungen und Stereotypen – wozu eben besonders häufig die Verunglimpfung von Minderheiten gehört – gearbeitet wird. Dem lässt sich nur Information und eigens Nachdenken entgegensetzten, auch wenn eigenes Nachdenken zugegebenermaßen manchmal etwas mühsam sein kann, geht daran kein Weg vorbei. Misstrauen Sie bitte den „Vereinfachern“ und Hetzern. Die Reformation etwa war das Unterfangen, den Menschen Freiräume zum eigenen Nachdenken zu eröffnen, damit sie aufgeklärte und mündige Christen werden können (Luther: Von der Freiheit eines Christenmenschen), daher bin ich bekennender und engagierter Protestant. Das Grundgesetz war nach der Tyrannei des Nationalsozialismus das gelungene Unterfangen, einen freiheitlichen Rechtsstaat zu schaffen, daher trete ich als Demokrat entschieden für die dort niedergelegten Grundwerte ein.
Lassen wir nicht zu, dass billige Propaganda unser gesellschaftliches Klima nach und nach vergiftet. Die Evangelische Kirche darf und wird sich nicht verbieten lassen, auch über kritische Themen nachzudenken und Minderheiten Schutz zu gewähren. Setzen wir selbstbewusst dem misstönenden Gequake der Populisten ein entschiedenes Aber, auch wohltönendes Shalom entgegen. Friede wächst nicht aus Häme und Hetze, sondern indem wir aufeinander zugehen.
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