Zum Thema Gendern:
Da man ja, wenn man sich gegen das Gendern ausspricht, gleich in die rechte Ecke gedrängt wird oder sich des Verdachts aussetzt, berechtigte gleichstellungspolitische Forderungen zu diskreditieren, will ich jetzt mal nicht das Gendern als solches thematisieren, sondern nur auf eine Besonderheit hinweisen, die mir seit Verwendung des Gender-Sternchens oder des Gender-Doppelpunktes in den vergangenen Jahren aufgefallen ist.
Sobald die maskuline Form in irgendeiner Weise negativ dargestellt wird – vermisse ich selbst in Presseorganen, die beim Gendern voranschreiten wie die TAZ, jegliches Gendern. So wird bei Begriffen wie Kriegsverbrecher, Terroristen, Erben (bei Erbschaftssteuer-Diskussionen), Millionären und Milliardären (bei deren Besteuerung), Links- oder Rechtsextremisten, Judenhassern, Straftätern, Reichsbürgern, Impfgegnern u.v.a. mehr gerne und mitunter generell auf das Gendern verzichtet. Und selbst bei dem Lokführer-Streik scheinen jetzt nur die Männer zu streiken – nämlich in keinem einzigen Artikel habe ich jetzt vom „Lokführer*innen-Streik“ gelesen. Als ob es sich bei diesen Menschen nur um Männer handelt oder es hier gar keine Frauen gibt.
Also daher mein Vorschlag – entweder wir gendern komplett oder machen uns doch einmal Gedanken, wie sinnvoll unreflektiertes Gendern ist (und wohl auch die deutsche Sprache erschwert). Oder muss ich jetzt davon ausgehen, dass bei dem „MM“-Titel „Nur jeder Zweite bekommt ein Erbe“ Frauen gar nicht erben und dass für das katastrophale PISA-Ergebnis für Deutschland auch nur die Schüler verantwortlich sind, aber kaum Schüler*innen?
Ich finde es immer wieder interessant, dass das Nr. 1 Argument der Gender-Gegner die Frage ist, ob wir denn keine anderen Probleme haben. Trotzdem sind es diese Menschen, die nach einer Aufarbeitung des Themas und vor allem einem Verbot schreien, was ja das Gegenteil einer Nicht-Beschäftigung ist.
In der Tat, es gibt dringendere Probleme, es ist also kaum verwunderlich, dass das konservative bis rechte Lager, immer wenn sie gerade ein bisschen Stimmung machen wollen, um davon abzulenken, dass sie für die „wirklich wichtigen Probleme“ gar keine kompetenten Lösungen haben, das Thema Gendern aufgreifen. Und es funktioniert auch noch jedes Mal…
Zwei weitere Punkte habe ich noch. Die Grünen als „Verbotspartei“ zu beschimpfen und die „Freiheit der Sprache zu fordern“ und dann die Freiheit des Einzelnen zu Gendern, einschränken zu wollen, erschließt sich mir nicht ganz. Abgesehen davon, dass von linker Seite niemand so vehement eine Genderpflicht verlangt. Das wiederholte Hinweisen auf den Duden als unveränderliche Grundlage der deutschen Sprache, als wäre er von Goethe persönlich so verwendet worden und nicht ein veränderliches Abbild der Sprachentwicklung, aus dem regelmäßig Wörter gestrichen und neue hinzugefügt werden, ist vielen der hier schreibenden Menschen wohl auch nicht bewusst.