Schwetzingen. Kirchenmusikdirektor Detlev Helmer bat in die evangelische Stadtkirche zum Tanz mit der Königin der Instrumente – und wie immer folgten zahlreiche Musikfreunde seiner Offerte. Seit nun über 40 Jahren gestaltet und prägt der charismatische Kirchenmusiker Schwetzingen mit künstlerischer Vielfalt, enormem Engagement und unter großem persönlichem Einsatz.
Es soll das letzte Orgelkonzert innerhalb seiner beruflichen Karriere als hauptamtlicher Kirchenmusiker der evangelischen Kirchengemeinde Schwetzingens gewesen sein – und in seinem mit Verve befeuerten, letzten Berufsjahr ein ausgezeichnet fröhliches. Die Kirche war am frühen Sonntagabend fast vollständig besetzt – durchaus ungewöhnlich und bemerkenswert für ein reines Orgelkonzert, wie Helmer mit Stolz betonte. Um allen Zuhörern und sich selbst einen freudvollen Musikabend gönnen zu können, fiel die Wahl auf Tanzmusik. Tanzmusik und Kirche? Das eine galt langzeitig als weltlich, das andere als exklusiv kirchlich – es war in kirchlichen Sphären schlicht verpönt, Tanzmusik zu spielen und zu hören.
Doch ein steter Wandel und Perspektivenwechsel ließ schließlich der Kirche bewusst werden, dass faktisch Melodien existieren, die Menschen anstecken können, welche elektrisierend wirken – und man sich eben diese Effekte nutzbar machen sollte. Also: „Falls es jemanden juckt, dann lassen Sie es jucken – oder bewegen Sie sich dazu!“
Wahrer Tanz auf dem Pedalwerk
Die für einen Kirchenmusiker naheliegende Frage „Was schrieb Johann Sebastian Bach dazu?“ ließ Helmer in Sachen Tanz auf Bachs Präludium und Fuge in G-Dur BWV 541 besinnen – das Präludium steht im 3er-Takt, die Fuge im 4er-Takt – dabei haben die Füße etliche Sechzehntel zu bewältigen, ein wahrer Tanz auf dem Pedalwerk.
In der Barockzeit wurden zahlreiche Suiten komponiert, Sammlungen von Tänzen für (Tasten-)Instrumente geschrieben – Helmer spielte in Erinnerung und als Vertretung für jene Epoche die Sarabande in g-moll von Domenico Zipoli ruhig und langsam – kontrastierend zu anderen Stücken des Abends.
Natürlich sollte der Abend nicht ausschließlich mit älterer Musik ausgestaltet werden: Mit einem Werk von Scott Joplin, einem Hauptvertreter des Ragtime, gelang vorzüglich der musikalische Schritt in die Moderne.
Zur Konzertmitte konnten die Zuhörer Zeugen einer besonderen Uraufführung zu Ehren Detlev Helmers werden: Die anwesende Komponistin Tamara Ibragimova würdigte um den letzten Jahreswechsel Helmer in einer „Serenade“, welche auf Variationen über die Tonfolge d – e – h – e fußt, die Anfangsbuchstaben seines Namens.
An einem solchen freudigen Tanzabend darf selbstredend der schelmische Augenzwinker-Vortrag nicht fehlen: Ein humorvolles Stück liefert der walisische Komponist und Organist Robert Jones mit seiner „Menagerie Musicale“, welche aus zahlreichen Zitaten klassischer Musik des Barock arrangiert ist – eine spaßvolle Reise zu Bach, Vivaldi und Mozart.
Beispielhaft zu den eingangs beschriebenen kirchenmusikalischen Wandlungen, dem Aufbau geistlicher Lieder auf Tanzrhythmen, standen folgend fünf Improvisationen auf dem Spielprogramm: „In dir ist Freude“, „Wer nur den lieben Gott walten lässt“, „In dulci jubilo“, „Geh mit Gott“, „Kommt mit Gaben und Lobgesang“; viele Hörer erkannten das eine oder andere Lied aus dem traditionellen und neuen Gesangbuch und summten mit.
Der orgelmusikalische Tanz-Abend floss schließlich heiter in das Spiel von Werken aus der Jetzt-Zeit: Vortritt erhielt hier das „Menuett – Tango“ aus Suite für Orgel (2017) des weithin geschätzten und hochaktiven Kirchenmusikdirektors Johannes Matthias Michel aus Mannheim, stellvertretender Landeskantor Nordbadens. Das Stück vereint in einem Satz eine Kombination aus den zwei genannten Tänzen.
Der majestätische Klang der Orgel in der eigenen, teils mystischen Aura einer Kirche steht oftmals in Kontrast zu Meisterwerken aus der Popmusik – beim Verschmelzen dieser Musikwelten kann eine spannungsvolle, ambivalente Sphäre entstehen. In besonderer Weise verdient gemacht – bei der Verbindung traditioneller Musikstile mit Popularmusik – hat sich der Komponist, Pianist, Kirchen- und Popularmusiker Michael Schütz aus Karlsruhe, welcher in den Landeskirchen der EKD sehr erfolgreich und umtriebig agiert. Helmer brachte von Schütz betont klangvoll drei fantastisch poppige Stücke zu Gehör: „Swing, Piece for Organ, Fantasie“ – Highlights für Orgelfreunde und Popbegeisterte.
Das lang anhaltende, rhythmische Klatschen bereits nach diesem vorletzten Programmblock ließ es erahnen: die Konzertbesucher wollten noch mehr genießen. Als Abschluss des wunderbaren Orgelreigens wählte der Kirchenmusikdirektor den „abgefahrenen Tanz“ der „Toccata mexicana“ von Hans-André Stamm. Mit wohlverdientem, langem Applaus für Detlev Helmer und die mitwirkende Registrantin in standing Ovations endete der besondere Tanzabend.
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