Herr Herbert, Sie nennen sich Energiesparkommissar. Ist der Titel nicht ein wenig angeberhaft?
Carsten Herbert: Finde ich nicht. Das ist ein Titel, der sich gut anhört. „Energiespar“ und „Kommissar“ – das reimt sich. Und als ich damals einen Markennamen für mich als Vortragsreisenden gesucht habe, kam mir der „Energiesparkommissar“ in den Sinn und dann habe ich mir auch gleich die Domain gesichert.
Warum sind Sie kein stinknormaler Bauingenieur geworden?
Herbert: Da muss ich Sie korrigieren. Ich bin ein stinknormaler Bauingenieur. Nach meiner Ausbildung als Energiegeräteelektroniker habe ich während des Studiums meine Leidenschaft für das Thema Energieeffizienz entdeckt. Als Bauingenieur habe ich mich dann auf die Gebäudeenergieeffizienz spezialisiert.
Gab es da einen Auslöser?
Herbert: Ja schon. Mitte der 1990er Jahre ging es mir während des Studiums persönlich ziemlich schlecht. Meine Freundin hat damals in Köln studiert. Und als ich da eines Nachts am Wochenende mit dem Zug auf dem Heimweg nach Darmstadt an der hell beleuchteten Frankfurter Skyline vorbeigefahren bin, habe ich mir gedacht, das darf nicht wahr sein, dass da immer die ganze Nacht das Licht brennt. Ich habe mich dann mit dem Thema beschäftigt und das hat mich dann auch nie mehr losgelassen.
Seitdem reisen Sie als der „Energiesparkommissar“ quer durch Deutschland. Sie sind also ein Überzeugungstäter.
Herbert: Das Thema Energie hat mich damals aus der Lebenskrise geholt, und es trägt mich bis heute. So gesehen bin ich auf jeden Fall ein Überzeugungstäter.
Der Mannheimer Energiekonzern MVV will bis 2030 klimaneutral werden und dann auch keine Steinkohle mehr für die Fernwärme einsetzen.
Herbert: Das finde ich vorbildlich und ist auf jeden Fall der richtige Weg.
Die MVV hat sich aber auch viel Ärger eingehandelt, weil sie den Haushalten so um das Jahr 2035 herum den Gashahn abdrehen. Halten Sie das für richtig?
Herbert: Ob die das mit dieser Geschwindigkeit hinbekommen, vermag ich nicht zu beurteilen.
Haben Sie da Zweifel daran?
Herbert: Über den Zeitplan selbst kann ich wirklich nichts sagen, manche Regionen sind da schneller, manche brauchen etwas länger. Aber grundsätzlich ist die Marschrichtung der MVV natürlich die Richtige, weil wir in Deutschland klimaneutral werden wollen. Deshalb geht am Gas-Ausstieg kein Weg vorbei.
Die MVV will die Fernwärme in Mannheim bis 2030 vergrünen, will aber nicht alle Haushalte ans Netz anschließen. Können Sie das nachvollziehen?
Herbert: Ja, das ist ganz normal, denn die Kosten für den Ausbau der Fernwärme sind dort besonders niedrig, wo es bereits verdichtete Flächen gibt, die man schnell und leicht bedienen kann, ohne Unmengen von großen Rohrnetzen verlegen zu müssen. Deshalb ist Fernwärme im ländlichen Raum in der Regel wirtschaftlich nur selten tragbar. Aber auch in den Städten geht es nicht überall, und dann braucht man andere Lösungen.
Das heißt, die MVV hat also schon recht, wenn sie sagt, in manchen Stadtteilen lohnt es sich weder für uns noch die Kunden, die Fernwärme auszubauen.
Herbert: Ganz genau. Es muss einfach für beide Seiten wirtschaftlich darstellbar sein und funktionieren.
Und was würden Sie denn dann als Energieexperte den Haushalten in Mannheim vorschlagen, die keine Fernwärme bekommen? Sollen die sich alle Wärmepumpen einbauen lassen?
Herbert: Dort wo es keine Fernwärme geben kann, wird die Wärmepumpe nach meiner Einschätzung, die Lösung mit der größten Verbreitung sein. Sie ist einfach der wichtigste Baustein für die Wärmewende. Welche Alternativen haben wir denn sonst? Der Anteil der Biomasse . . .
. . . wie zum Beispiel Pellets . . .
Herbert: . . . liegt gegenwärtig bei nur fünf Prozent. Das kann man natürlich noch ausbauen. Ich kenne aber keine Studie, die davon ausgeht, dass sich dieser Anteil verdoppeln lässt. Und Wasserstoff ist ineffizient zum Heizen, selbst ein elektrischer Heizlüfter ist effizienter. Zudem wird Wasserstoff von der Industrie in großen Mengen gebraucht. Außerdem kann Wasserstoff aus überschüssigem Strom im Sommer produziert werden, der dann im Winter in den sogenannten Dunkelflauten in den Kraftwerken wieder in Strom umgewandelt werden kann. Aber als dauerhafter Wärmelösung für die vielen Haushalte ist Wasserstoff eher ungeeignet. Im großen Stil und einer ordentlichen Effizienz ist das nur mit der Wärmepumpe möglich. In den skandinavischen Ländern sind sie ja schon heute der Standard. Warum soll das nicht auch bei uns funktionieren?
Nur damit unsere Leserinnen und Leser Bescheid wissen: Sie verkaufen keine Wärmepumpen?
Herbert: Nein, natürlich nicht. Ich verkaufe bei meinen Vorträgen nur mein Wissen. Auch auf meinem YouTube-Kanal mache ich keine Werbung, weder für Wärmepumpen noch für andere Produkte. Ich bin vollkommen unabhängig.
In der Debatte um das Für und Wider der Wärmepumpe spielen auch sachfremde Argumente eine nicht unerhebliche Rolle.
Herbert: Ja, es gibt eine bestimmte konservative Klientel, die ist sehr skeptisch eingestellt gegenüber dieser Technik. Ich habe aber bei meinen mehr als 50 Vorträgen zum Thema „Wärmepumpen im Altbau“ die Erfahrung gemacht, dass ich den Knoten in den Köpfen vieler Menschen in Bezug auf das Gebäudeenergiegesetz und der Wärmepumpe lösen kann, indem ich die Leute einfach sachlich aufkläre. Wenn ich ihnen erkläre, warum die Wärmepumpe in vielen Fällen eine so gute Lösung ist und ihnen sage, was an welcher Stelle in welcher Form mit welcher Technik gut funktioniert, dann hören die Menschen zu, sind interessiert und plötzlich offen für alles.
Sie haben ältere Gebäude erwähnt. Es heißt oft, dass dort eine Wärmepumpe nicht so sinnvoll ist.
Herbert: Die Wärmepumpe ist auch in Altbauten einsetzbar. Man muss sich aber das Objekt und die jeweilige Lebenssituation genau anschauen, damit man die passende Lösung findet.
Das ist mir zu allgemein.
Herbert: Wenn Sie eine Wärmepumpe an einen vorhandenen Heizkörper anschließen, ist die erforderliche Temperatur, die die Wärmepumpe erzeugen muss, mal höher und mal niedriger. Je höher die sogenannte Vorlauftemperatur, desto niedriger die Effizienz der Wärmepumpe und umgekehrt. Das führt dazu, dass die Wärmepumpeneffizienz in Häusern mit geringem Wärmeschutz sinkt und umgekehrt. Das muss man vorher prüfen. Wenn kein zusätzlicher Wärmeschutz geht, dann kann aber vielleicht eine Klimaanlage die passende Lösung sein.
Klimaanlage? Die ist doch zum Kühlen da.
Herbert: Ja, aber nicht nur. Eine Klimaanlage ist auch eine Wärmepumpe, genauer eine Luft-Luft-Wärmepumpe. Diese hat gegenüber den Wärmepumpen, die man an die Heizkörper anschließt, ein paar Vorteile. Erstens funktioniert sie in jedem Haus, egal wie gering der Wärmeschutz ist, und dann sind sie auch noch verdammt günstig in der Anschaffung. Und so kann sie gerade für Menschen im letzten Lebensviertel eine gute Lösung in einem alten Haus sein. Und wenn die Käufer oder Erben das Haus irgendwann mit größerem Kapitaleinsatz auf ein energetisch höheres Niveau bringen, darf es auch eine Wärmepumpe sein, die an den Heizkörpern angeschlossen ist. Es gibt also für jede Situation und jedes Objekt immer eine passende Lösung.
Warum ist eine Klimaanlage so günstig?
Herbert: Bei einer Klimaanlage wird ja anders als bei den an die hydraulischen Systeme angeschlossenen Wärmepumpen die Wärmeabgabe mitgeliefert. Das Innengerät ist der Heizkörper, das Außengerät der Wärmetauscher. Diese Wärmepumpe ist dann auch in älteren Häusern hocheffizient und kostet nur 1000 Euro pro kW.
Macht es einen Unterschied, ob ich eine Wärmepumpe im Eigenheim oder in einem Mietshaus einsetze?
Herbert: Grundsätzlich funktioniert eine Wärmepumpe auch in einem Mietshaus. Wenn zum Beispiel eine Gasetagenheizung ausgetauscht werden muss, braucht es dafür aber eine andere Lösung, als wenn ich einen Gas- oder Ölkessel im Keller stehen habe.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck setzt bei der Wärmewende auf Wärmepumpen. Pro Jahr sollen nach seinen Plänen 500 000 eingebaut werden, 2024 wurden allerdings nur für 200 000 Förderanträge gestellt.
Herbert: Das liegt nach meiner Ansicht vor allem daran, dass das Gebäudeenergiegesetz eine teilweise chaotische Diskussion ausgelöst hat, bei der auch eine bewusst gesteuerte Desinformation eine Rolle gespielt hat. Die Lobbygruppen von Unternehmen, die mit fossilen Brennstoffen ihr Geld verdienen, schlafen ja nicht. Die Wärmepumpe bedroht ihr Geschäftsmodell. Die politische Debatte hat bei den Menschen eine große Verunsicherung ausgelöst. Da haben sich viele schnell noch eine neue Gas- oder Öl-Heizung einbauen lassen. Das kann man auch an den Zahlen ablesen: 2023 wurden in Deutschland so viele Öl- und Gaskessel eingebaut wie nie zuvor. Das hat dann natürlich auch die eine oder andere Investition in Wärmepumpen verhindert.
Für viele Menschen ist eine Wärmepumpe aber auch grün-versifftes Teufelszeug.
Herbert: Das stimmt natürlich, das erlebe ich ja auch bei meinen Vorträgen zu denen auch viele Leute aus konservativen Milieus kommen. Da gibt es viel Wut, teilweise auch Hass auf das Gebäudeenergiegesetz und die Politik. Ich bin aber glücklich darüber, dass es mir oft gelingt, diesen Menschen zu zeigen, dass eine Wärmepumpe kein Teufelszeug ist und das Gebäudeenergiegesetz einen sinnvollen Ansatz verfolgt. Es hilft, wenn man mit ihnen auf einer sachlichen Ebene austauscht. Ich gehe deshalb fest davon aus, dass die Absatzzahlen bei den Wärmepumpen zukünftig kräftig steigen werden.
Eine Wärmepumpe kann sich dennoch nicht jeder leisten.
Herbert: Die Preise waren ausgelöst durch die Gaskrise absurd hoch. Nun stabilisieren sie sich wieder und ich erwarte, dass die Preise weiter sinken werden. Vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine kostete eine Wärmepumpe 20 000 Euro, dann sind die Preise erst auf 30 000, dann sogar auf irrsinnige 40 000 Euro und mehr geklettert. Inzwischen hat sich das wieder normalisiert, es gibt wieder Angebote um die 25 000 Euro. Ich gehe davon aus, dass da noch Luft nach unten drin ist, weil jetzt auch verstärkt größere Firmen auf den Markt drängen und den klassischen Heizungsbauern Konkurrenz machen. Auch das wird sich auf die Wärmepumpenpreise sicher positiv auswirken.
Das Thema Energie hat mich damals aus der Lebenskrise geholt, und es trägt mich bis heute. So gesehen bin ich auf jeden Fall ein Überzeugungstäter.
Carsten Herbert
- Carsten Herbert (Jahrgang 1968) wurde im südhessischen Sickenhofen (Landkreis Darmstadt-Dieburg) geboren.
- Der gelernte Bauingenieur arbeitete von 2004 bis 2024 als Gründer und Geschäftsführer eines Ingenieurbüros im Bereich Energieberatung und der energetischen Begleitung von Bauprojekten.
- Das Geschäft hat er zum Jahresbeginn an seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übergeben und ist nur noch als Energiesparkommissar unterwegs. Auf seinem YouTube-Kanal gibt der Buchautor Tipps zum Energiesparen und Klimaschutz.
- Am 2. Februar (15 bis 17 Uhr) hält Herbert einen kostenlosen Vortrag zum Thema „Wärmepumpen im Altbau“ in der Klima Arena (Dietmar-Hopp Str. 6, 74889 Sinsheim). was
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