Georg Müller – und das ist keine Übertreibung – hat in 16 Jahren als MVV-Chef eine Ära geprägt und gilt zu Recht als Architekt des Mannheimer Modells. Unter seiner Führung hat der Energiekonzern die Transformation vorangetrieben. Ab 2030 will die MVV keine Steinkohle mehr für die Fernwärme einsetzen und ab 2035 soll auch der Strom komplett grün sein.
Müllers Vision hat sich für die MVV aber auch unternehmerisch ausgezahlt. Der Konzern hat sich im Südwesten nach der EnBW zur Nummer zwei gemausert. Die MVV kann die hohen Investitionen in die Energiewende stemmen, weil sie mit ihrem grünen Kurs fette schwarze Zahlen schreibt. Davon profitiert auch die Stadt Mannheim als größter Anteilseigner – sie streicht eine Dividende von rund 41 Millionen Euro ein. Dass sich am Unternehmenserfolg der MVV etwas ändert, wenn ab April Gabriël Clemens den Staffelstab übernimmt, ist jedenfalls nicht zu erwarten. Die Zahlen stimmen, insofern hinterlässt Müller seinem Nachfolger ein bestelltes Feld.
Christian Spechts schwierige Doppelrolle
Müller ist nun zum letzten Mal als MVV-Chef auf der Hauptversammlung aufgetreten. Er hat den Moment genutzt, um gerade in diesen verrückten Zeiten für seine Vision zu werben. Der Beifall der Anteilseigner spricht für sich. Genauso wie der Dank für Müllers berufliche Lebensleistung. Nur zur Erinnerung: Als der Vorstandschef im Mai 2024 seinen vorzeitigen Rückzug verkündete, war das ein Paukenschlag. Regulär lief der Vertrag ja noch bis 2028. Die lange Nachfolger-Suche – Müller musste sogar noch drei Monate dranhängen –, belegt, wie schwierig sich die Besetzung von Top-Positionen gestalten kann, wenn sich keine interne Lösung anbietet.
Aber auch mit dem vollzogenen Wechsel an der MVV-Spitze hören die Probleme nicht auf, mit denen sich Christian Specht herumschlagen muss. Das liegt auch an seiner Doppelrolle. Der Aufsichtsratsvorsitzende hat Müller zwar auch am Freitag Rückendeckung für seinen Kurs gegeben, weiß aber auch als Oberbürgermeister, dass der Streit in der Stadt über die Zukunft des Gasnetzes Sprengstoff enthält.
Viele Mannheimer können nicht verstehen, warum sie ihre Gasheizung austauschen sollen, wenn diese noch funktioniert. Das mag auch daran liegen, dass die Kommunikationspolitik der MVV bei diesem Thema eine mittlere Katastrophe war. Die Schlagzeile „MVV dreht den Mannheimern den Gashahn 2035 ab“ hat bundesweit für Furore gesorgt. Dem Unternehmen ist es bisher nicht überzeugend gelungen, den Leuten klarzumachen, dass dies so auch nicht passieren wird.
Oft geben Unternehmen in solchen Fällen der Presse die Schuld. Das hat Müller auch am Freitag nicht gemacht. Müller hat sich vielmehr auf ein Interview mit dieser Zeitung bezogen, in dem er klargestellt habe, dass das Datum 2035 nicht in Stein gemeißelt sei und die MVV den Gasanstieg nur „anstrebe“. Aber: Selbst nach seiner Rede musste Müller feststellen, dass einige Aktionäre sie anders wahrgenommen hatten, weshalb er seine Botschaft in der Fragerunde wiederholte. Die Verwirrung bleibt also groß. Auch deshalb gibt es im Gemeinderat Widerstand. Am Dienstag will Müller diesen mit seinem Besuch besänftigen. Mal schauen, wie das dann ausgeht.
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Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Kommentar MVV-Chef Georg Müller hat eine Ära geprägt
Georg Müller hat auf der MVV-Hauptversammlung versucht, die Wogen zu glätten. Die Verwirrung über den geplanten Gas-Ausstieg in der Stadt bleibt aber groß.