Mannheim. Dass die Finanzaufsicht Bafin der Sparkasse Rhein Neckar Nord Verstöße gegen das Kreditwesengesetz (KWG) nachgewiesen hat, weckt beim früheren Grünen-Bundestagsabgeordneten Gerhard Schick „unschöne Erinnerungen“ an düstere Zeiten. „Mangelndes Risikomanagement und Kreditvergaben ohne ausreichende Prüfung haben in den 1990er Jahren zum Ende der Sparkasse Mannheim geführt – und zu Millionen an Verlusten, die die Mannheimer Bürgerinnen und Bürger in den Folgejahren über den städtischen Haushalt abstottern mussten“, blickt der Geschäftsführer der Bürgerbewegung Finanzwende zurück.
Der Wertberichtigungsbedarf addierte sich zu jener Zeit auf Hunderte Millionen Mark. Ein damaliger Kreditvorstand wurde vom Mannheimer Landgericht zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Das Ansehen des damaligen populären Oberbürgermeisters Gerhard Widder (SPD) sank rapide, weil er als Vorsitzender des Verwaltungsrats und Kreditausschusses versagt hatte und Mitschuld trug am größten Skandal in der Geschichte der bundesdeutschen Sparkassen. Die Stadt Mannheim musste 50 Millionen zuschießen, das reichte aber nicht. Auch der damalige Badische Sparkassen- und Giroverband war an der Rettung beteiligt. Und am Ende fusionierte die Stadtsparkasse Mannheim mit der Bezirkssparkasse Weinheim im Jahr 2000, um ihr Überleben zu sichern.
Es ist gut, dass die Finanzaufsicht eingreift, wenn Mängel vorhanden sind und dass sie ihr Eingreifen inzwischen öffentlich macht.
„Es ist gut, dass die Finanzaufsicht eingreift, wenn Mängel vorhanden sind und dass sie ihr Eingreifen inzwischen öffentlich macht“, sagt Schick und spielt den Ball weiter: „Gerade bei öffentlichen Instituten sollten aber auch der Vorstand und die politisch Verantwortlichen informieren, was los ist und was sie zur Abhilfe zu tun gedenken. Schließlich tragen letztlich die Bürgerinnen und Bürger die Lasten, wenn es zu einer Schieflage kommt.“
Weinheims Oberbürgermeister Manuel Just (parteilos) kann verstehen, wenn Erinnerungen an die dunklen Zeiten wachwerden. „Ich kann die Menschen aber auch beruhigen. Es handelt sich bei der Sparkasse Rhein Neckar Nord nicht um eine wirtschaftliche Schieflage, sondern um formale beziehungsweise organisatorische Abläufe, die verbessert werden müssen. Ich informiere mich laufend über die Entwicklung der Abarbeitung“, sagt der Verwaltungsratsvorsitzende. Just betont gleichzeitig, dass das alles nicht hinter verschlossenen Türen abläuft. „Wir stellen diese Informationen auch den zuständigen Gremien zur Verfügung, um gegenüber diesen die erforderliche Transparenz herzustellen“, sagt er. Anders ausgedrückt: Mauscheleien wie damals bei der Sparkasse Mannheim gibt es nicht mehr.
Finanzaufsicht mahnt Sparkasse: Bafin-Maßnahmen nach Sonderprüfung
Das liegt aber auch daran, dass die Finanzaufsicht den Banken – wie es Schick erwähnt hat – inzwischen mehr auf die Finger schaut. Dass bei der Sparkasse Mannheim „über Fehlentscheidungen und Missmanagement die Hand gehalten wurde“, stellte das damalige Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (BAK) erst 1997 fest. Da war es dann aber zu spät. Seit 2002 hat die neu errichtete Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) die Allfinanzaufsicht in Deutschland.
Nicht immer wird öffentlich, wenn die Bafin tätig wird. Sie stellt ihre „Bekanntmachungen“ nur dann auf die Homepage, wenn die Verstöße gegen das KGW ein gewisses Maß überschreiten. Das war jetzt bei der Sparkasse Rhein Neckar Nord der Fall. Veröffentlicht hat die Bafin die „Maßnahmen“ erst am 4. Juli, angeordnet wurden sie aber bereits zwei Monate früher als Ergebnis der Sonderprüfung 2024. Das Geldinstitut will die Anforderungen der Aufsicht bis Mitte 2026 umsetzen. Sprich: Gefahr ist nicht in Verzug. Andernfalls könnte die Bafin eines ihrer schärfsten Instrumente einsetzen – zum Beispiel einen Sonderbeauftragten schicken, der entweder nur eine beobachtende Funktion hat oder sogar Teile des Vorstands beziehungsweise Verwaltungsrats übernimmt und damit auch über die entsprechende Entscheidungsgewalt verfügt.
Die Bafin hat die Sparkasse jetzt aber „nur“ dazu verdonnert, dass sie bei der Kreditvergabe zusätzliche Eigenmittel vorhält. Was heißt das aber konkret? Banken verwenden in der Regel die Einlagen ihrer Kunden für die Vergabe von Darlehen. Einen Teil der Schuld lassen sie sich dann ins Grundbuch eintragen. Es gibt dann aber noch immer einen unbesicherten Teil. Dafür muss eine Bank nach den gesetzlichen Vorschriften auch Eigenmittel in einer bestimmten Höhe einsetzen, damit sie das Risiko von Kreditausfällen minimieren kann. Diesen Eigenmittelanteil muss die Sparkasse Rhein Neckar Nord jetzt anheben, bis sie den von der Bafin angeordneten Maßnahmenkatalog umgesetzt hat.
„Wenn eine Bank ihren Eigenmittelanteil erhöhen muss, kann dies das Wachstum bremsen. Für uns ist der Effekt derzeit aus zwei Gründen überschaubar“, sagt Pressesprecher Rico Fischer. Da die Nachfrage im Kreditgeschäft gesunken ist, wächst nach seiner Darstellung der Anteil der Darlehen gegenwärtig sehr moderat. Außerdem verfügt die Sparkasse demnach bereits über eine starke Eigenkapitalbasis. Nach Fischers Darstellung ist unter anderem der Jahresgewinn 2024 in die Rücklagen geflossen - das waren 4,5 Millionen Euro. „Wir erfüllen die höhere Eigenmittelquote bereits heute“, sagt der Pressesprecher. Über die Höhe des Eigenmittelzuschlags wollte die Sparkasse auf mehrfache Anfrage allerdings nichts sagen. Die Bafin ebenfalls nicht, sie verweist auf die „gesetzliche Verschwiegenheitspflicht“.
Verwaltungsratschef Just betont, dass die Sparkasse Rhein Neckar Nord „wirtschaftlich erfolgreich und robust“ ist. Er sieht eine „sehr solide Basis, um die von der Bafin adressierten Themen gezielt anzugehen. Die Lage ist schon allein deshalb mit der existenziellen Schieflage zur Jahrtausendwende nicht vergleichbar“, sagt Just. Und wie reagiert die Stadt Mannheim? Sie „begrüßt die von der Geschäftsführung der Sparkasse eingeleiteten Maßnahmen und wird deren Umsetzung engmaschig begleiten“, sagt ihr Sprecher Dirk Schuhmann.
Zu diesen Maßnahmen gehört aber nicht nur die vorübergehende Erhöhung des Eigenmittelanteils. Die Bafin stellte bei der Sparkasse nach Fischers Angaben konkret fest, dass sie bei schon laufenden Darlehen in mehreren Fällen zeitlich verzögert geprüft hat, ob sich die wirtschaftlichen Verhältnisse bei den Schuldnern negativ verändert haben und diese dann im schlimmsten Fall ihren Kredit nicht mehr bezahlen können. Anders ausgedrückt: Die Sparkasse hat sich zu sehr aufs Neugeschäft konzentriert, während es zu Rückständen in der laufenden Kreditkontrolle kam. „Wir stießen hier an Kapazitätsgrenzen. Deshalb optimieren wir nun Prozesse und bauen gezielt neue Stellen auf“, sagt Fischer.
Ausfälle gehören zum Kreditgeschäft – das gilt für jedes Institut. Entscheidend ist, Risiken früh zu erkennen.
Hat es deshalb auch Kreditausfälle gegeben? Die Antwort des Pressesprechers auf diese Frage fällt recht vage aus. „Ausfälle gehören zum Kreditgeschäft – das gilt für jedes Institut. Entscheidend ist, Risiken früh zu erkennen. Die regelmäßige Aktualisierung von Kundenunterlagen ist dabei nur ein Baustein, ein weiteres Instrument ist zum Beispiel unser Risikofrühwarnsystem, das uns Hinweise auf Veränderungen in der Bonität übermittelt.“
Zu den von der Bafin monierten „Mängeln in der Organisation des Kreditgeschäfts“ gehört auch, dass es bei der Mittelverwendungskontrolle Defizite gab. „Wenn der Kunde eine Auszahlung will, muss er nachweisen, dass er das Geld auch für den vereinbarten Zweck ausgibt, zum Beispiel für Investitionen in den Maschinenpark“, sagt Fischer. Es sei jedoch üblich, dass der Nachweis bis zu etwa 60.000 Euro auch nachträglich erfolgen kann. „Vereinzelt haben wir bis zu 100.000 Euro vorab ausgezahlt, wenn die Bonität gepasst hat und die Verwendung plausibel war. Die bisherige Handhabung hat dem Kunden mehr Flexibilität gebracht. Diese Praxis haben wir inzwischen angepasst“, sagt der Pressesprecher.
Ein anderes Problem: Bisher hat der Berater bei Kunden, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind, punktuell Unterstützung von einem Experten erhalten. „Auch diese Praxis ändern wir jetzt. Die Sparkasse baut nun ein Spezialistenteam für diesen Kundenkreis auf, das – anders als der persönliche Berater – nicht in die laufende Geschäftsbeziehung eingebunden ist und deshalb mit einem frischen Blick auf die Situation schaut“, erklärt der Pressesprecher.
Fazit: Die Rüge der Bafin hat dem Image der Sparkasse Rhein Neckar Nord natürlich sehr geschadet. Jetzt muss sie liefern. Vorstandschef Stefan Kleiber weiß, dass sich die Finanzaufsicht genau anschauen wird, wie er die Vorgaben erfüllt. Der Blick auf das Stellenportal des Geldinstituts zeigt, dass die Suche nach zusätzlichem Personal bereits begonnen hat.
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Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Kommentar Der Imageschaden bei der Sparkasse Rhein Neckar Nord bleibt