Mannheim. Die AfD gibt sich gerne als „Partei des kleinen Mannes“. Wer sich allerdings ihr Wirtschaftsprogramm genauer ansieht, kommt aus dem Staunen nicht heraus: Denn die rechtsextreme Partei würde am liebsten Milliardengeschenke an die Superreichen auf Kosten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verteilen. Dabei geht die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander. Dies liegt auch daran, dass die Mieten und die Nebenkosten in den vergangenen Jahren stark gestiegen sind.
Vor diesem Hintergrund kommt eine gemeinsame Studie der Universitäten Mannheim, Oxford und Zürich zu einem überraschenden Ergebnis. Die Forscher haben untersucht, ob die Mietpreisentwicklung auch das Wahlverhalten der Deutschen beeinflusst. Das ist mit Blick auf die AfD der Fall. Bisher war die rechtsextreme Partei besonders auf dem Land erfolgreich, in den Ballungsräumen tat sie sich dagegen eher schwer. „Bei der Europawahl 2024 erzielte die AfD aber auch in boomenden Gegenden zweistellige Ergebnisse“, sagt der Mannheimer Politikwissenschaftler Denis Cohen. Mit den steigenden Mieten - so die Forscher - punktet die AfD auch in den Städten, weil vor allem sozial Schwächere sich ihr zuwenden.
Einkommensschwache Langzeitmieter sind anfällig für die AfD
Die Ergebnisse zeigen, dass vor allem einkommensschwache Langzeitmieter in städtischen Gebieten stärker zur AfD neigen, wenn die Mietpreise in ihrem Wohnumfeld steigen. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese die AfD unterstützen, wächst demnach um bis zu vier Prozentpunkte, wenn die durchschnittlichen Mieten in ihrer Nachbarschaft um einen Euro pro Quadratmeter steigen. Bei Mietern mit höherem Haushaltseinkommen sowie Wohneigentümern ist der Effekt in der Studie dagegen umgekehrt. „Wenn Mieten steigen, profitieren manche von den Aufwertungsprozessen. Andere nehmen diese Entwicklungen hingegen als sozio-ökonomische Bedrohung wahr. Letztere neigen verstärkt der AfD zu“, sagt Cohen.
Interessant: Selbst wenn Menschen mit weniger Geld nicht persönlich akut von Mieterhöhungen betroffen sind, beeinflusst dies ihre Haltung zur AfD: „Sie empfinden steigende Mieten in ihrem Wohnumfeld als latente Bedrohung für ihren sozialen und wirtschaftlichen Status. Von den daraus resultierenden sozialen Abstiegsängsten profitieren Parteien des rechtsradikalen Spektrums “, so der Politikwissenschaftler. Dass die AfD programmatisch keineswegs für eine Wohnungsmarktpolitik stehe, die den Druck auf Mieter in Ballungszentren abschwächen würde, spielt demnach für die meisten Menschen offenbar keine Rolle.
AfD war bei der Europawahl auch in den Städten sehr erfolgreich
Die höchsten Zustimmungsraten hat die AfD bisher in der Regel da, wo die Mieten eher niedrig sind: im ländlichen Bereich. Steigende Mieten und die daraus resultierenden Ängste sind nach Ansicht von Cohen und seinen Kollegen ein Grund, warum die AfD auch in den Zentren Zustimmung erfährt. „Die stärksten Effekte für die AfD sehen wir bei einkommensschwachen Menschen, die schon lange in Ballungsräumen wohnen, in denen die Mieten in den vergangenen Jahren besonders stark gestiegen sind“, erklären die Forscher.
Diese Menschen könne die AfD für sich gewinnen. „Angesichts der hohen Zustimmungswerte für die AfD im ländlichen Raum wird oft die Frage vernachlässigt, warum die AfD mitunter auch in boomenden Gegenden zweistellige Ergebnisse einfährt. Wir stellen fest, dass die ungleich verteilten Folgen der Mietmarktentwicklung eine wichtige Erklärung für dieses Phänomen sind“, sagt Cohen.
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