Mannheim/Schwetzingen. Vier Tage arbeiten, drei Tage frei - an diesen Rhythmus wird sich Martin Kübel vermutlich erst einmal gewöhnen müssen. „’Schaffe, schaffe, Häusle baue’, abends möglichst lange im Büro bleiben, Überstunden machen - das sind ja eher die Werte, die meine Generation prägen“, sagt der Mannheimer Unternehmer.
Trotzdem wird Kübel, Geschäftsführender Gesellschafter der Mannheimer Beratungsfirma CML, ab diesem Donnerstag in seinem Betrieb die Vier-Tage-Woche testen. Das Unternehmen nimmt an einer bundesweiten Pilotstudie teil, die die Berliner Beratungsagentur Intraprenör gemeinsam mit der Initiative 4 Day Week Global gestartet hat. Wissenschaftlich begleitet wird das Vorhaben von der Uni Münster. Rund 45 Betriebe testen dabei ab 1. Februar sechs Monate lang die Vier-Tage-Woche, also: 80 Prozent Arbeitszeit, 100 Prozent Leistung - und 100 Prozent Gehalt.
Kann das in der Praxis wirklich klappen? In Martin Kübels Betrieb gehen die Meinungen dazu bisher auseinander, sagt er. Klar sei: Gelingen könne es nur, wenn man es schaffe, die - ohnehin schon hohe - Produktivität im Team zu steigern. „Wir wollen keine Arbeitsverdichtung, indem wir alles, was wir bisher machen, einfach in 20 Prozent weniger Zeit quetschen. Stattdessen müssen wir schauen, ob wir wirklich jeden Schritt, den wir heute machen, noch genau so brauchen“, erklärt Geschäftsführer Kübel. Die Idee, bei der Pilotstudie mitzumachen, habe eine Kollegin im Herbst eingebracht. „Ich schaue als Gesellschafter auf das Projekt. Und da geht es für mich letztlich um den Fortbestand des Unternehmens“, sagt Kübel. Wie gewinnt man künftig neue Mitarbeitende? Und wie bleibt das bestehende Team leistungsfähig? Mit solchen Fragen beschäftige er sich.
Kreative Ideen oft in der Freizeit
„Wir leben in disruptiven Zeiten, denken Sie nur an das Thema Künstliche Intelligenz. Künftig wird sich die Welt noch schneller drehen - das kostet wahnsinnig viel Kraft. Das wird man so nicht auf Dauer durchhalten können“, glaubt der Geschäftsführer. „Deshalb will ich dazu beitragen, dass unser Team künftig noch die Kraft hat, überhaupt vier Tage die Woche zu arbeiten.“
Die Pilotstudie biete nun die Möglichkeit zu testen: „Können wir uns so stark aufstellen, dass jeder von uns drei Tage am Stück frei hat, idealerweise von Freitag bis Sonntag?“ Dadurch könne man einen echten Benefit in puncto Erholung erzielen, glaubt Kübel.
Seine Kollegin Nathalie Zimmermann, ebenfalls Mitglied der Geschäftsführung bei CML, erhofft sich von einer Vier-Tage-Woche noch einen anderen positiven Effekt. „Meiner Erfahrung nach ist man sowieso nicht zwangsläufig immer von Montag bis Freitag zwischen 8 und 18 Uhr am kreativsten. Die richtig guten Ideen kommen doch oft zu anderen Zeiten, zum Beispiel abends um 22 Uhr, wenn man gerade die Spülmaschine ausräumt“, sagt sie. Schaffe man für das Team mehr Freizeit, könne sich daraus also auch ein „Kreativitätsboost für die tägliche Arbeit“ ergeben.
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Für die jetzt anstehende Praxisphase der Pilotstudie hat CML die 26 Mitarbeitenden in drei Gruppen eingeteilt: Zehn machen in der Testgruppe mit, die aktiv die Vier-Tage-Woche ausprobiert - darunter die Geschäftsleitung. Der Rest teilt sich in zwei Kontrollgruppen: Eine davon arbeitet weiter wie bisher fünf Tage. Sie soll unter anderem darauf achten, ob während der Pilotphase zusätzliche Aufgaben für sie anfallen, die in der Vier-Tage-Woche-Testgruppe nicht geschafft werden.
Mehr Zeit für Sport und Ehrenamt
Die zweite Kontrollgruppe arbeitet ebenfalls weiter fünf Tage in der Woche, übernimmt aber trotzdem Änderungen in den Arbeitsabläufen, mit denen die Vier-Tage-Woche-Testgruppe versucht, ihre Produktivität in der reduzierten Arbeitszeit zu steigern. „Falls wir in der Pilotphase merken, dass die Vier-Tage-WocheTestgruppe total gestresst ist, können wir so immer noch schauen, welche Optimierungsschritte in einem Fünf-Tage-Modell für unsere Arbeit sinnvoll sind“, erklärt Zimmermann.
Gespannt auf die nächsten Wochen und Monate ist unterdessen auch Jens Fröhle. Der Notar aus Schwetzingen beteiligt sich mit seinem Notariat ebenfalls an der Pilotstudie: Alle zehn Mitarbeitenden reduzieren in den kommenden Monaten testweise ihre Arbeitszeit um 20 Prozent, das Gehalt bleibt gleich.
„Das Team fand die Idee super und hat selbst einen Plan ausgearbeitet, wie es sich während der Testphase organisiert“, sagt Fröhle - der selbst als einziger im Notariat nicht mitmacht. „Als Notar werde ich weiterhin fünf Tage in der Woche und mit dem gleichen Arbeitspensum da sein.“ Auch die Geschäfts- und Telefonzeiten sollen nicht geändert werden. Die Mitarbeitenden legen ihren zusätzlichen freien Tag deshalb nicht alle auf den gleichen Wochentag, sondern verteilen sich.
Die zusätzliche freie Zeit wolle das Team für Sport, Familie oder Ehrenämter nutzen, sagt der Notar. Dabei wolle er unterstützen. „Ich glaube, irgendwann am Ende des Lebens geht es nicht darum, dass man so viel wie möglich gearbeitet hat“, sagt er. Fröhle selbst hat im vergangenen Jahr ein Sabbatical genommen, auch heute gebe es im Notariat schon flexible Arbeitszeiten und die Option Homeoffice. „Die Vier-Tage-Woche ist ein weiterer Step“, so Fröhle.
Ziel sei es, dass die Mitarbeitenden ausgeglichener, engagierter und zufriedener würden - und davon letztlich die Qualität der Arbeit und die Mandanten profitierten. Fröhle ist zuversichtlich, dass das Team das Arbeitspensum auch mit weniger Wochenstunden bewältigen kann: „Wir sind sehr gut besetzt. Aber wenn wir merken, es wird zu stressig, können wir jederzeit abbrechen.“
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