Main-Neckar. Klimaschützer haben nicht gerade begeistert auf die Ernennung von Katherina Reiche (CDU) als Wirtschaftsministerin reagiert. Immerhin war sie nach ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag 2015 unter anderem Geschäftsführerin bei der Eon-Tochter Westenergie und setzte sich deshalb auch als Lobbyistin für die Interessen der Energiewirtschaft ein.
In ihrem neuen Job hat Reiche mit markigen Ankündigungen erst einmal für Verwirrung gesorgt. Indem sie zum Beispiel den Mythos von einem angeblichen Wärmpumpen-Zwang befeuert hat. „Wir brauchen keine Lex Wärmepumpe“, sagte sie gleich in der ersten Woche im Amt mit Blick auf das Gebäudeenergiegesetz – und kündigte „die Abschaffung des Betriebsverbots“ für Gas- und Heizölkessel an, die älter als 1991 sind. Schließlich wirft Reiche ihrem Vorgänger Robert Habeck (Grüne) vor, das Heizungsgesetz habe „zu Attentismus“ geführt.
Absatz von Heizungen auf dem Niveau von 2017
In der Tat ist 2024 der Absatz von Heizungen in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr mit nur noch 712.500 Einheiten stark rückläufig. Dazu muss man wissen, dass die Händler 2023 mit dem Verkauf von 1,3 Millionen Heizungen einen neuen Rekord aufgestellt haben. Dennoch ist der Absatz 2024 auch im Vergleich zu den Vorjahren gesunken und liegt jetzt auf dem Niveau von 2017, wie der Verband für Energiehandel Südwest-Mitte (VEH) gemeldet hat. Der Energieverband mit Sitz in Mannheim vertritt die Interessen von rund 280 überwiegend mittelständischen Unternehmen aus dem Brennstoff- und Mineralölhandel und gehört deshalb nicht zu den Wärmepumpen-Lobbyisten. Wie Reiche geht der VEH davon aus, dass das Heizungsgesetz den Markt stark verunsichert hat.
Interessant ist dabei, dass das Verkaufs-Minus bei Gasheizungen und Wärmepumpen mit 49 Prozent fast gleich hoch war, während es bei der klassischen Ölheizung mit 23 Prozent geringer ausgefallen ist. Daraus schließt der Verband, dass Ölheizungen als Wärmelösung beliebt bleiben. Der VEH liefert auch gleich die Erklärung dafür mit, warum das so ist. „Für viele Hausbesitzer – insbesondere im ländlichen Raum – sind Ölheizungen weiterhin eine wirtschaftlich sinnvolle und praktikable Lösung“, heißt es in einer Mitteilung.
Heizölpreise könnten im Sommer wieder steigen
Gegenwärtig liegt der Preis für Heizöl bei 95 bis 98 Cent – und das, obwohl die CO2-Steuer zum Jahresbeginn von 14,3 auf 17,5 Cent pro Liter gestiegen ist. „Damit wird auch in diesem Jahr deutlich, dass die steigende CO2-Steuer nicht automatisch zu steigenden Heizölpreisen führt. Denn diese macht nur einen kleinen Anteil der Preisgestaltung aus“, so der Verband. Viel wichtiger sei die Entwicklung des Rohölpreises, der aktuell durch die Wirtschaftslage und den starken Euro stabil sei. Der Verband empfiehlt den Haushalten deshalb, dass sie sich jetzt mit Heizöl eindecken sollen. Die Preisschätzungen liegen gegenwärtig für den Sommer zwischen 0,85 und 1,04 Euro.
Der VEH sieht jedenfalls im Koalitionsvertrag der schwarz-roten Bundesregierung einen Kurswechsel hin zu Technologieoffenheit und Praxisnähe. Dadurch erhofft sie sich einen neuen Spielraum für flüssige CO2-reduzierte Brennstoffe wie E-Fuels oder hydrierte Pflanzenstoffe (HVO). Diese sollen eine gleichwertige Rolle neben Gas, Strom und Fernwärme einnehmen. „Sonst droht der Ausschluss ganzer Versorgungsrealitäten im ländlichen Raum“, warnt der Verband. Nach seinen Angaben sind rund 39 Prozent der Wohngebäude in Baden-Württemberg mit Öl-Zentralheizungen ausgestattet.
Flüssige alternative Brennstoffe eine Option?
Der Verband fordert nicht nur, dass die flüssigen alternativen Brennstoffe als Option in das Gebäudeenergiegesetz aufgenommen werden. Der Einsatz von E-Fuels oder HVO – sie sollen zu je 15 Prozent dem fossilen Heizöl beigemischt werden – soll sich auch positiv auf die Höhe der CO2-Steuer auswirken. Klar ist dem Verband allerdings auch, dass diese Erneuerbaren Energien dann auch aus dem Ausland importiert werden müssen.
Die Energiehändler lesen aus dem Koalitionsvertrag auch eine Verschlankung der Förderprogramme – zum Beispiel für Wärmepumpen – heraus. „Das reduziert Marktverzerrungen, der reale Preis steuert dann die Nachfrage“, so die Argumentation. Ein Dorn im Augen ist den Energiehändlern, dass sie von der Politik eher wie Schmuddelkinder behandelt werden. „Die explizite Erwähnung von Gasinfrastrukturen zeigt, dass flächendeckend eingesetzte, nicht leitungsgebundene Systeme wie Heizöl weiterhin wenig strategische Beachtung finden“, ärgert sich der Lobbyverband.
Die Branche hofft jedenfalls, dass die Bundesregierung den im Koalitionsvertrag angekündigten Kurswechsel umsetzt. „Es kommt darauf an, dass die Bundesregierung diesen Schritt auch in der Praxis geht – mit Technologieoffenheit, fairen Wettbewerbsbedingungen und klaren Rahmenbedingungen für alle Akteure im Markt“, fordert VEH-Geschäftsführer Hans-Jürgen Funke. Doch da ist das letzte Wort auch nach dem Vorpreschen der Wirtschaftsministerin noch lange nicht gesprochen.
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Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Kommentar Bei der Wärmewende droht neues Chaos