Mannheim. „Haben Sie die App?“ – diese Frage gehört beim Einkauf an der Kasse mittlerweile fest dazu. Gemeint sind die verschiedenen Rabatt-Apps, die mittlerweile nahezu jeder namhafte Lebensmittel- und Einzelhändler hat. Mit Ersparnissen und exklusiven Vorteilen sollen Kunden für ihre Einkäufe „belohnt“ werden.
Geht man nach den Download-Zahlen, scheinen die Deutschen echte Schnäppchenjäger zu sein. Über 20 Millionen Mal wurden verschiedene Apps nach Angaben der Tagesschau heruntergeladen, Spitzenreiter ist die „Lidl Plus App“ mit mehr als 50 Millionen Downloads.
Das Naheliegendste zuerst: Spart man mit den Apps denn tatsächlich Geld? Eine Untersuchung der Stiftung Warentest hat sich mit 13 Rabatt-Apps von Supermärkten, Drogerieketten und Baumärkten beschäftigt. Ihr Ergebnis: Ernüchternd, kaum „signifikante Preisvorteile“.
Ein genauerer Blick des Preisvergleichsportals „shmaggle“ auf die Apps verschiedener Discounter zeigt deutliche Unterschiede. Nach der Auswertung von 100 000 Kassenzetteln kommt das Portal auf einen durchschnittlichen Spareffekt von 1,3 Prozent (Netto) bis 3,36 Prozent. Durchschnittlich wurden mit Coupons der Apps gut zwei Prozent gespart.
Kein richtig starkes Argument für die Apps also. Fragt man Florian Stahl von der Universität Mannheim, liegt der Mehrwert der Apps ohnehin nicht im vermeintlich günstigeren Preis. „Es geht darum, den Sammlergeist beim Verbraucher zu aktivieren und Daten zu generieren“, erklärt der Inhaber des Lehrstuhls für Quantitatives Marketing.
Daten sind für die Discounter extrem wertvoll
Diese Daten seien für die Discounter extrem wertvoll, weshalb diese seit einigen Jahren auch dazu übergegangen seien, eigene Apps anzubieten, erklärt Stahl. „In Amerika ist das schon länger Standard, Deutschland hängt da etwas hinterher“, ordnet der Betriebswirtschaftler ein. Doch worin liegt der Wert dieser Daten für den Einzelhändler? „Mit den Apps lassen sich Abverkäufe besser steuern und Bestände besser planen. Das hilft auch der Logistik“, erklärt Stahl.
Für den Experten ist eines klar: „Man bezahlt hier mit seinen Daten.“ Tatsächliches Sparpotenzial sieht er eher nicht. Die Angebote seien oft eher veraltet, glichen dem, was früher ein klassischer Schlussverkauf gewesen sei. Der Händler kalkuliere mit dem Preis in der App, Nicht-Nutzer würden darauf noch etwas drauflegen.
Denn noch nutzt bei weitem nicht jeder eine solche App. „Viele aus der Zielgruppe werden hier ausgeschlossen“, meint Stahl. Ältere, aber auch „digitale Analphabeten“ hätten auf diese Form der Rabatte im Vergleich zum früheren Schlussverkauf oder dem klassischen Prospekt keinen Zugriff. Obwohl der Fachmann den Spareffekt eher gering einschätzt, bringt er sogar die Politik ins Spiel, die eine solche Form der Diskriminierung durch Regulierung beseitigen könnte.
Datenschützer üben Kritik an den Apps
Auch in Sachen Datenschutz gibt es Kritik an den Rabatt-Apps. Experten kritisieren, diese würden sehr viele Daten abfragen. Dies gehe teilweise so weit, dass individuelle Bewegungsprofile von Kunden angefertigt werden könnten.
Hervorgehoben bei der Kritik wurde die wohl populärste App von Lidl. Zur Einführung in Deutschland 2019 hatte unter anderem der baden-württembergische Datenschutzbeauftragte Stefan Brink angekündigt, die App vor allem hinsichtlich der Erfassung „besonders sensibler Daten“ prüfen zu wollen. Denn die App des Lebensmitteleinzelhändlers aus Neckarsulm will auch Standortdaten und genutzte Märkte abfragen.
„Um die personalisierten Funktionen von Lidl Plus nutzen zu können und von individuellen Angeboten zu profitieren, können Kunden nach dem Herunterladen der App die Einwilligungsanfrage zum Tracking gemäß der Datenschutzgrundverordnung bestätigen. Wenn sie der Verwendung von Nutzungsdaten nicht zustimmen, werden keine personalisierten Inhalte auf Basis des Nutzungsverhaltens in der App angezeigt“, erklärt dazu eine Sprecherin. „Sehr positive Rückmeldungen von Kunden“ würden einen Mehrwert der App bestätigen.
Doch scheint man sich im Unternehmen der Tatsache bewusst, dass mit App-Angeboten nicht jeder profitieren kann. „Wir optimieren unsere Services kontinuierlich und testen verschiedene Formate. So nutzen wir weiterhin den gedruckten Haushaltshandzettel, in dem sich zum Jahresende 2023 vier Wochen lang jeweils ein Fünf-Euro-Rabatt-Coupon für jeden Einkauf ab 40 Euro zum Ausschneiden befand“, teilt das Unternehmen weiter mit. Florian Stahl hat jedoch keinen Zweifel daran, dass sich die Apps durchsetzen werden. „In 20 Jahren werden 90 bis 95 Prozent der Kunden eine solche App nutzen“, wagt er eine Prognose.
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