Mannheim. Wer vor mehr als einem Jahrzehnt eine Ausbildung absolviert hat, der hat einen Bildungsweg durchlaufen, der einem mehr oder weniger starren Lehrplan gefolgt ist, unabhängig von individuellen Kompetenzen oder Interessen. Der Schweizer Gesundheitskonzern Roche verfolgt in Mannheim seit zehn Jahren einen anderen Weg. Damals wurde die personalisierte Ausbildung eingeführt, die es jungen Menschen ermöglichen soll, sich in ihren Lehrjahren etwas individueller zu entwickeln.
Die personalisierte Ausbildung berücksichtigt nicht nur persönliche Vorkenntnisse, sondern auch betriebliche Anforderungen und aktuelle Lehrpläne. „Wir passen unsere Ausbildungsinhalte gezielt an die Stärken, Interessen und Lernpräferenzen jedes Einzelnen an“, sagte Virginia Bastian, Arbeitsdirektorin bei Roche in Deutschland, bei einer Jubiläumsfeier zu zehn Jahren personalisierter Ausbildung. „Dieses Konzept ermöglicht es uns, nicht nur den Anforderungen der Arbeitswelt 4.0 gerecht zu werden, sondern auch unseren Auszubildenden die bestmögliche Vorbereitung auf ihre berufliche Zukunft zu bieten.“ Das Konzept habe eine hohe Strahlkraft bei Firmen und Institutionen.
Aus zwölf Wahlmodulen sind binnen zehn Jahren 150 geworden
Seit der Einführung 2014 haben bei Roche mehr als 600 junge Menschen ihre Ausbildung nach dem neuen Konzept abgeschlossen. Dafür wurden feststehende Lerngruppen aufgelöst, stattdessen erhält jeder individuell ein großes Angebot an Wahlmodulen. Das Angebot ist stetig gewachsen: Konnten die ersten Azubis noch aus zwölf Modulen wählen, kann der aktuelle Ausbildungsjahrgang auf 150 Module zurückgreifen. Das können Fremdsprachenkurse sein, IT-Schulungen, Gesundheitsprogramme oder auch das Erlernen eines Musikinstruments. Halbjährlich ziehen die jungen Menschen in Gesprächen mit dem Ausbildungsleiter Bilanz und legen die nächsten Ziele und Module fest.
Interessant: Dem aktuellen Jahrgang ist es sehr wichtig, neue Kontakte zu knüpfen, aus denen Freundschaften entstehen. Hier zeigen sich die Folgen der Corona-Einschränkungen mit langen Schulschließungen: Diese Generation war sehr stark davon betroffen.
Das Konzept ist nach Unternehmensangaben bundesweit einzigartig und wird von der Pädagogischen Hochschule (PH) Heidelberg wissenschaftlich unterstützt. Mit der PH hat Roche eine weitere intensive Kooperation vereinbart. Gemeinsam sollen innovative Ausbildungskonzepte entwickelt und in die Praxis umgesetzt werden. „Durch die enge Verknüpfung von Forschung und Praxis schaffen wir Ausbildungskonzepte, die genau auf die Anforderungen moderner Unternehmen zugeschnitten sind“, sagte Katharina Pille, Leiterin der Aus- und Weiterbildung bei Roche in Deutschland.
„Die Ausbildungspläne müssen näher an die Realität“, forderte Roche-Werkleiter Martin Haag. Nicole Flindt, Geschäftsführerin des Forschungsreferats an der PH, sieht den Schlüssel für eine zukunftsfähige Wirtschaft beim lebenslangen Lernen. Dabei sei es wichtig, sagte Adrienne Ekopf, Personalleiterin bei Roche Diagnostics in Mannheim, den Beschäftigten die Angst vor Veränderungen zu nehmen. „Wir brauchen bei Mitarbeitern die Haltung: Ich möchte lernen und mich weiterentwickeln.“
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