Mannheim. Als Franz-Anton Diringer vor 100 Jahren seinen Handwerksbetrieb gründete, hat er sich sicher nicht vorgestellt, dass sein Name einmal mit Hotels und Seniorenheimen verbunden wird. Aus seiner kleinen Bauunternehmung hat sich seit dem 21. Juni 1921 eine Unternehmensgruppe mit 90 Standorten und 3800 Mitarbeitern entwickelt. Eines ist aber geblieben: Diringer & Scheidel (D&S) ist ein Familienunternehmen, das aktuell von der dritten und vierten Generation geführt wird.
Eine große Rolle spielen dabei die Schwiegersöhne im traditionell männlich geprägten Baugeschäft. Von Diringer übernahm Schwiegersohn Heinrich Scheidel, daher kommt auch der Doppelname. Dessen Sohn Heinz führt seit 1969 die Geschäfte. Inzwischen sind – neben seinem Neffen Karlheinz Heffner – mit Achim Ihrig und Tobias Volckmann auch zwei seiner Schwiegersöhne in der Geschäftsleitung.
Als Dreijähriger auf der Baustelle
Seniorchef Heinz Scheidel, der praktisch auf Baustellen aufwuchs, spricht von einem „Bau-Gen“ der Familie. Der 74-Jährige betont, dass auch seine Schwester Elisabeth Heffner noch jeden Tag in die Firma komme, als „Seele des Betriebs“. In einer Mitteilung des Unternehmens zum 100. Geburtstag erinnert er sich: „Seit meinem dritten Lebensjahr bin ich Teil des Unternehmens. Mein Vater hat mich damals auf die Baustelle des Neckarauer Kirchturms mitgenommen, ist mit mir auf dem Arm im Gerüst bis nach oben geklettert.“. Das soll zum ersten Ehekrach seiner Eltern geführt haben.
Fast 50 Prozent der Beschäftigten arbeiten im Baubereich. Die andere Hälfte allerdings arbeitet in ganz anderen Geschäftsbereichen, eine Folge vor allem der schweren Krise des deutschen Baugeschäfts um die Jahrtausendwende. Auf der Suche nach profitableren Geschäftsbereichen wandten sich viele Baufirmen den Dienstleistungen zu. Inzwischen führt D&S eine Hotelsparte und die Pflegesparte Avendi mit Seniorenheimen. Geboren waren die neuen Geschäftsbereiche aus der Idee, statt Bauarbeiter zu entlassen, selbst Projekte zu initiieren, die entweder verkauft oder betrieben werden können.
Aus diesem Projektgeschäft hat sich ein üppiges Portfolio entwickelt, das ganze Stadtteile prägt, etwa das Glücksteinquartier in Mannheim. Bundesweite Aufmerksamkeit und einige Kontroversen erregte D&S mit dem Bau des Mannheimer Stadtquartiers Q6 Q7 – vor allem wegen des dazugehörigen innerstädtischen Einkaufszentrums.
Wie sehr sich die Baubranche in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat, zeigt der Blick auf die einstige Branchengröße Bilfinger ebenfalls aus Mannheim. Vor einigen Jahren noch war Bilfinger der zweitgrößte Baukonzern Deutschlands, inzwischen ist das Baugeschäft verkauft, übrig blieb ein reiner Industrieservice-Konzern.
Die eigenen Wurzeln zu kappen – das wäre für Heinz Scheidel nie in Frage gekommen, auch in Jahren der Auftragsflaute. Das Unternehmen verweist darauf, dass sich die breite Aufstellung gerade in der Corona-Pandemie ausgezahlt habe: Während das Hotelsegment praktisch eingebrochen war, sei der Aufwand im Pflegebetrieb enorm gestiegen, der Baubereich stabil geblieben. Letzterer hat natürlich vom Bau- und Immobilienboom der vergangenen Jahre enorm profitiert.
Fast 40 Firmen übernommen
Im Rückblick nennt D&S den Bau des Walzwerks 1955 für die Isolation AG in Mannheim als ersten Höhepunkt. Heinz Scheidel erläutert: „Das war unser erster großer Ingenieurbau, der weitere Aufträge mit hohem Anspruch nach sich zog.“ In den 70er-Jahren kam der Bau von Großkanälen mit bis zu drei Metern Durchmesser dazu – Grundstein für eine Expansion im Rohrleitungsbau. Die zunehmende Firmenkonzentration in den 1970er Jahren beantwortet Scheidel mit dem Leitsatz: „Lieber übernehmen, statt übernommen zu werden“. Fast 40 Betriebe hat D&S integriert, etwa Grimminger aus Heidelberg (1973), Langlotz (1979) aus Brühl, die Schwetzinger Firma Wiest (1988) oder Krämer Tiefbau in Heidelberg.
In den 1990-er Jahren wagte D&S den Sprung nach Ostdeutschland. Auf den euphorischen Start folgten allerdings Rückschläge und Kapazitätsabbau. Mit der Niederlassung in Sachsen sei man heute aber sehr zufrieden, so Scheidel. Drei Generationen der Familie arbeiten inzwischen im Unternehmen, drei von Scheidels zwölf Enkeln sind dabei. Schon vor 20 Jahren habe er begonnen, die Verantwortung nach und nach zu übertragen, auch wenn er noch nicht an Kürzertreten denkt. Das sei ein Fundament, „auf das sich auch in den nächsten 100 Jahren bauen und aufstocken lässt“.
Gefeiert wird ein Jahr später – wegen Corona
Die Mannheimer Diringer & Scheidel-Gruppe beschäftigt 3800 Mitarbeiter. Zuletzt nannte D&S den Umsatz für 2018: 500 Millionen Euro.
D&S ist in den Regionen Rhein-Neckar, Rhein-Main, Leipzig-Dessau-Berlin und auch im Ausland aktiv
D&S hat eine große Bausparte mit zahlreichen Spezialbereichen.
Zum Dienstleistungsbereich gehören die Projektentwicklung, Ariva mit vier Hotels (das Steubenhof-Hotel wird zum Pflegeheim umgebaut) und die avendi Senioren Service mit 19 Pflegeeinrichtungen und fünf ambulanten Diensten.
Gefeiert wird der 100. Geburtstag Corona-bedingt erst 2022. In diesem Jahr spendet die Familie mit Seniorchef Heinz Scheidel (kleines Bild) 100 000 Euro für gemeinnützige Einrichtungen. be
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