Ratgeber

Finanzindustrie will mit Kinderdepots ihren Kundenkreis erweitern

Immer mehr Banken empfehlen Eltern und Großeltern das Sparen von Geburt an. Doch was bringen die entsprechenden Produkte wirklich?

Von 
Sabine Rößing
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Besonders für Neobroker wie Trade Republic oder Scalable Capital ist die Vermögensbildung für Kinder attraktiv, um neue Kunden zu gewinnen. © picture alliance/dpa/dpa-tmn

Frankfurt. Neobroker wie Scalable Capital oder Trade Republic entdecken die Rentenlücke. Kinderdepots sollen beim Vermögensaufbau für die Jüngsten helfen und Eltern und Großeltern dazu animieren, frühzeitig Geld für Kinder und Enkel zurückzulegen. „Das Rentensystem ist in Zukunft nicht sicher“, sagt Trade-Republic-Mitgründer Christian Hecker. Die Deutschen seien dabei, ihren Kindern eine marode Altersvorsorge und hohe Staatsschulden zu hinterlassen. Umso unverzichtbarer sei der eigene, frühe Vermögensaufbau.

Der Neobroker Trade Republic wurde 2015 von Christian Hecker, Thomas Pischke und Marco Cancellieri gegründet. Nach eigenen Angaben zählt das FinTech-Unternehmen inzwischen acht Millionen Kunden und bezeichnet sich als größte Sparplattform in Europa. Unter anderem per App können Anleger mit Aktien, ETFs, Derivaten, Kryptowährungen und Anleihen handeln, in diversen europäischen Ländern. Vor allem bei jungen Investoren und Investorinnen ist der Broker wegen häufig günstiger Konditionen beliebt. Mit dem Versuch, Eltern und Großeltern eine Vermögensbildung für ihre Nachkommen anzubieten, versucht das Unternehmen augenscheinlich, den Kundenkreis zu erweitern.

Häufig ist die Depotführung kostenlos

Aber auch die Konkurrenz ist bereits auf das Thema aufgesprungen. Anfang Mai hatte Mitbewerber Scalable Capital angekündigt, Kinderdepots ab Sommer schrittweise einzuführen. Eltern können auch hier ein digitales Depot für ihre Kinder eröffnen. Interessenten müssen sich auf eine Warteliste eintragen. Daneben bieten auch Direktbanken wie ING („Direkt-Depot Junior“), DKB und Comdirect Kinderdepots an, häufig ohne für die Depotführung Kosten zu erheben. Bei Comdirect ist das „Junior Depot“ in den ersten sechs Monaten kostenlos. Eltern könnten auf diese Weise ihren Kindern den Weg in ein finanziell selbstbestimmtes Leben ebnen und gleichzeitig von Steuervorteilen profitieren, wirbt Scalable Capital.

Was aus zehn Euro monatlich wird

  • Werden vom sechsten bis zum 18. Lebensjahr monatlich 10 Euro eingezahlt und in weltweit gestreute Aktien (beispielsweise über kostengünstige ETF oder über Direktbanken oder Neobroker) investiert, käme der junge Mensch bei einer verbraucherfreundlichen Lösung laut Verbraucherschützer Niels Nauhauser auf einen Kapitalstand von 2.257 Euro . Bei Renteneintritt hätte er – ohne weitere eigene Sparleistung – 70.833 Euro.
  • Würde das Geld in am Markt übliche teure Versicherungen (Fondspolicen) oder aktiv verwaltete Fonds und Dachfonds investiert , stünde dem Begünstigten bei angenommenen einmaligen Kosten von fünf Prozent und laufenden Kosten von 1,8 Prozent pro Jahr ein Betrag von 1.939 Euro beziehungsweise 32.472 Euro zur Verfügung. sr

Scalable-Gründer Erik Podzuweit lobt in diesem Zusammenhang auch die von der Bundesregierung geplante Frühstart-Rente, wonach schulpflichtige Kinder und Jugendliche zwischen sechs und 18 Jahren monatlich 10 Euro vom Staat erhalten sollen. Das Geld soll in ein kapitalgedecktes Altersvorsorgedepot eingezahlt werden. Ab dem 18. Lebensjahr kann über private Einzahlungen weiter gespart werden. Die Erträge sollen bis zum Renteneintritt steuerfrei bleiben, eine Auszahlung erst mit Erreichen der Regelaltersgrenze möglich werden. Sobald die Politik den gesetzlichen Rahmen für die Frühstart-Rente geschaffen habe, plane Scalable die Kinderdepots auch staatlich gefördert anzubieten, betont Podzuweit.

„Das ist die Kraft des Zinseszinseffekts“

Je früher der Vermögensaufbau beginne, desto wirkungsvoller zeige sich der Zinseszinseffekt, argumentiert der Scalable-Gründer und rechnet vor: Würden für ein Kind von Geburt an jeden Monat 10 Euro investiert, erreiche das Depot zur Volljährigkeit des Kindes bei einer angenommenen Rendite von 7,7 Prozent pro Jahr einen Wert von mehr als 4.600 Euro. Ließe man den Betrag nun bis zum Renteneintritt liegen, ohne weiter zu investieren, käme man auf ein Vermögen von über 177.000 Euro, obwohl insgesamt nur 2.160 Euro eingezahlt wurden – „das ist die Kraft des Zinseszinseffekts“.

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Bei Konkurrent Trade Republic soll es keine Wartelisten geben, Sparpläne auf Aktien und ETFs kostenlos verwaltet werden. Außerdem wirbt der Berliner Online-Broker mit dem „Trade Republic Kindergeld“. Zusammen mit dem US-Vermögensverwalter Vanguard werden demnach zusätzlich die laufenden Fondskosten ausgewählter Vanguard ETFs monatlich gutgeschrieben und automatisch reinvestiert, bis das Kind 18 Jahre alt ist. Die Kinder selbst haben erst mit dem 18. Geburtstag vollständigen Zugriff. Familie und Freunde können als „Sparpaten“ eingeladen werden, um monatlich per Lastschrift zum Sparen zu unterstützen.

Experte warnt vor Absatzförderprogramm für die Finanz- und Versicherungsbranche

Verbraucherschützer begrüßen im Grundsatz Angebote zum frühen Einstieg in die Altersvorsorge und auch deren staatliche Förderung. Aber sie warnen vor Missbrauch: Die Frühstart-Rente dürfe nicht zu einem Absatzförderprogramm für die Finanz- und Versicherungsbranche werden, warnt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg: „Da der Staat die Einzahlungen übernimmt, besteht die Gefahr, dass Finanzinstitute und deren Vertriebsmitarbeiter Eltern Produkte für ihre Kinder verkaufen, die auf evidenzfreien Anlagestrategien beruhen und überhöhte Kosten verursachen“, sagt Nauhauser.

Seine Befürchtung: Gerade, weil die Weichen für die Alterssicherung durch die Förderung früher gestellt werden sollen, bestehe die Gefahr, dass früh in die falsche Richtung gesteuert werde, etwa, wenn das Geld vom Staat durch eigenes „Zusparen“ ergänzt werden soll. Dadurch werde es Anbietern leichter gemacht, junge Erwachsene mit Erreichen des 18. Lebensjahres dazu zu bewegen, eigene Beiträge in das bereits verkaufte überteuerte Produkt zu leisten. „Die Frühstart-Rente droht damit zu einem staatlich finanzierten Kundengewinnungsprogramm für die Finanzindustrie zu werden.“ Besser wäre seiner Meinung nach die Einführung eines kostengünstigen Standardprodukts oder eines staatlich organisierten Vorsorgefonds nach schwedischem Vorbild.

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