Interview

Millionen-Erbin Marlene Engelhorn will ihr Geld verschenken - weil es nicht besteuert wird

Von 
Walter Serif
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Marlene Engelhorn im Zoom-Gespräch mit unserem Autor. © Walter Serif

Mannheim. Marlene Engelhorn ist erst 29 Jahre alt, müsste aber keinen Finger mehr rühren. Doch das will sie nicht. Die Studentin aus Wien möchte den größten Teil ihres Millionen-Erbes aus dem Mannheimer Engelhorn-Clan verschenken, weil es in Österreich nicht besteuert wird.

Frau Engelhorn, ich habe von meinen Eltern 1800 Euro geerbt.

Marlene Engelhorn: Glückwunsch, ich freue mich für Sie.

Nun ja, ich wäre nicht traurig gewesen, wenn es ein wenig mehr gewesen wäre.

Engelhorn: Ach so. Kleine Erbschaften, wie Sie sie haben, halte ich für völlig in Ordnung. Bei mir geht es aber um einen zweistelligen Millionenbetrag. Und das ist für mich in dieser Größenordnung wahnsinnig problematisch. Denn in Österreich müssen die Reichen weder Vermögen- noch Erbschaftsteuer zahlen. Es gibt keine Steuergerechtigkeit.

Das heißt, Sie freuen sich gar nicht über ihr Glück?

Engelhorn: Nein. Ich bin gar nicht glücklich über mein Millionen-Erbe. Jeder Mensch muss doch Steuern zahlen, damit der Staat in Straßen, den öffentlichen Nahverkehr, in Schulen oder in Krankenhäuser investieren kann. Davon profitieren wir alle. Deswegen kann man doch nicht ausgerechnet diejenigen davon ausnehmen, die es sich am meisten leisten könnten. Nämlich die Reichen und Superreichen. Also das oberste Prozent, das am meisten besitzt in Österreich. Das macht überhaupt keinen Sinn. Selbstverständlich muss man in Österreich ab einem Einkommen von 11 000 Euro netto pro Jahr 20 Prozent Einkommensteuer abführen. Aber wer wie ich Millionen erbt, zahlt keinen Cent. Da wird mit zweierlei Maß gemessen. Das macht doch überhaupt keinen Sinn.

In Deutschland ist es ähnlich. Dort gibt es nur eine Erbschaftsteuer und die fällt mit einem Aufkommen von 8,6 Milliarden Euro echt gering aus. Laut einer Studie werden in Deutschland rund 400 Milliarden Euro pro Jahr vererbt.

Engelhorn: Das ist absurd. Da muss man gar nicht mehr viel dazu sagen. Wir müssen die Steuergesetze ändern. In Deutschland und in Österreich. Das wäre ja auch möglich. Es ist eine Frage des politischen Willens. Das Steuerrecht kann man leicht ändern, dafür reicht eine Legislaturperiode aus. Ich finde, dass nicht nur Arbeit, sondern auch Kapital selbstverständlich fair besteuert werden muss. Da es gegenwärtig aber nicht so aussieht, dass eine solche Steuerreform in Österreich kommt, werde ich 90 bis 95 Prozent meines Erbes umverteilen.

Was sagt denn Ihre Großmutter dazu, dass Sie ihr Geld verschenken wollen?

Engelhorn: Meine Großmutter verschenkt ihr Geld doch auch! Man kann Geld innerhalb oder außerhalb der Familie verschenken. Beides ist in meiner Familie gang und gäbe. Ich reihe mich da nur ein.

Man kann sein Geld aber in Stiftungen einbringen, wie es Ihre Großmutter auch in Mannheim tut. Und dort gibt es ja auch die Curt-Engelhorn-Stiftung für die Reiss-Engelhorn-Museen . . .

Engelhorn: . . . Vorsicht, das ist nicht mein Familienzweig, ich komme aus der Ecke von Peter Engelhorn . . .

. . . und dann gibt es ja auch noch den SAP-Mitgründer Dietmar Hopp, der ebenfalls Teile seines Milliarden-Vermögens in eine Stiftung eingebracht hat. Tun diese Leute nicht auch etwas Gutes für die Gesellschaft?

Engelhorn: Überhaupt nicht, deshalb kommen Stiftungen für mich nicht infrage. Mit Stiftungen kann man das Vermögen verschleiern und parken und vor der Steuer verstecken. Wer Stiftungen gründet, will in Wahrheit sein Geld nicht teilen. Ich finde, dass sich die Gesellschaft nicht auf das vermeintliche Wohlwollen von Mäzenen und Philantropen verlassen sollte, die einen Teil ihres Geldes gönnerhaft verteilen. Denn das meiste Kapital steckt natürlich in Anleihen, die überall auf der Welt Schaden anrichten. Dieser Schaden wird dann mit einem Bruchteil getilgt. Das geht gar nicht.

Was schlagen Sie vor?

Engelhorn: Es wäre gescheiter, dass die Parlamente darüber entscheiden, was die Gesellschaft braucht. Es geht da ja auch darum, wie wir Macht verteilen. Bei wichtigen Entscheidungen muss jeder sein Stimmrecht wahrnehmen können. Das ist doch das Grundprinzip der Demokratie. Dieses darf nicht ausgehebelt werden, wenn es ums Geld geht. Der Staat muss umverteilen. Wir dürfen uns nicht von einzelnen Geldgebern abhängig machen, die im Verborgenen agieren können. Wir brauchen Transparenz. Und die kann es nur bei demokratischen Entscheidungen geben.

Sie sind Mitglied der Initiative Taxmenow. „Besteuert mich jetzt“, das klingt ja fast schon wie ein Verzweiflungsruf, wie bei einem, der aus dem Dschungelcamp heraus will.

Engelhorn: Man kann die Steuersituation schon mit einem Zirkus vergleichen. Ich bin auch verzweifelt, es kann doch nicht sein, dass jemand wie ich daherkommen und sagen muss: Bitte, bitte, bitte besteuert mich. Taxmenow reiht sich ja ein in die Mehrheit. Es gibt bei Umfragen in Österreich oder Deutschland immer Zwei-Drittel-Mehrheiten für die Einführung einer Vermögensteuer.

Warum folgt die Politik dann nicht den Mehrheiten?

Engelhorn: Reiche Menschen sind in der Regel mit viel Macht ausgestattet. Sie haben Einfluss in der Wirtschaft, in der Politik und auch in der Medienwelt. Entweder bestimmen sie, wie die Vermögensteuer ausgestaltet ist, oder sie bestimmen, wie es gegenwärtig ist, dass es keine gibt. Es ist absurd, dass jetzt jemand wie ich, der zum obersten Prozent gehört, sagen muss: So geht es nicht!

Es gibt Wissenschaftler, die meinen, bei den Armen würde auch unten etwas ankommen, wenn man den Wohlhabenden nicht so viel wegnimmt.

Engelhorn: Weiß die Realität das auch? Die Zahlen sprechen Bände. Wohlhabende, das ist ein Euphemismus. Wir reden von Reichtum und Überreichtum. Wir reden von Menschen, die so viel Geld haben, dass es ein Job wird, dieses Vermögen zu verwalten.

Es ist also kein Zufall, dass die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden?

Engelhorn: Da besteht ein struktureller Zusammenhang. Bertold Brecht drückt das am besten aus: „Wäre ich nicht arm, wärst du nicht reich.“

Wie hoch würden Sie denn die Reichen besteuern?

Engelhorn: Das sollte nicht meine Entscheidung sein. Das müssen wir alle gemeinsam als Gesellschaft demokratisch entscheiden. Es gibt genug Modelle von Expertinnen und Experten, die man diskutieren kann. Es wird Zeit, dass wir uns dem ernsthaft widmen.

Info: Initiative Taxmenow unter: www.taxmenow.eu

Marlene Engelhorn


  • Die deutsch-österreichische Aktivistin Marlene Engelhorn wurde 1992 in Wien geboren. Sie ist Mitgründerin der Initiative Taxmenow (Besteuert mich), die ursprünglich ein Zusammenschluss von Vermögenden war. Sitz ist Berlin. Engelhorn ist dort für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. 2022 hat sie ein Buch („Geld“) veröffentlicht.
  • Marlene Engelhorn ist die Enkelin der 2022 verstorbenen Traudl Engelhorn-Vechiatto. Deren Mann Peter Engelhorn war ein Urenkel des BASF-Gründers Friedrich Engelhorn. Peter Engelhorn war Mitgesellschafter von Boehringer Mannheim (heute Roche).
  • Das Unternehmen wurde 1997 an den Pharmakonzern Hoffmann-La Roche verkauft. Engelhorn-Vechiatto soll einen Milliardenbetrag bekommen haben. was

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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