Mannheim/Berlin. Auch wenn sich die Benzinpreise wieder ein ganzes Stück von den Rekordhöhen im vergangenen Frühjahr entfernt haben - die Kosten für Autofahrer sind immer noch hoch. Insbesondere Berufspendler sind deshalb an einem Punkt angekommen, an dem sie über Alternativen zum Auto nachdenken.
So wie Salmin Vehabovic aus Mannheim. Er ist bei einem Automobilhersteller in Stuttgart angestellt und fährt die rund 140 Kilometer lange Strecke - je nach Schicht - bis zu sechs Mal pro Woche mit dem Auto. Nach rund 20 Jahren Pendeln zwischen seinem Wohnort und dem Arbeitsplatz ist er es leid. Zahlte er früher noch etwa 450 Euro monatlich für Benzin, waren es wegen der gestiegenen Preise zuletzt rund 1000 Euro - zu viel für ihn. Er entschied sich, künftig mit der Bahn zu fahren, und startete zunächst einen Versuch mit der Probe BahnCard 100, die drei Monate gilt.
BahnCard 100
- Mit einer BahnCard 100 kann man ein Jahr lang flexibel durch Deutschland reisen und ein Fahrrad kostenfrei mitnehmen. In mehr als 130 Städten können öffentliche Verkehrsmittel gratis genutzt werden.
- Wie bei der BahnCard 25 und 50 ist ein Railplus-Rabatt enthalten: Bei grenzüberschreitenden Fahrten gibt es eine Ermäßigung auf den Flexpreis der Auslandsstrecke. Laut Bahn nimmt der Internationale Eisenbahnverband UIC das Angebot ab Dezember vom Markt.
- Laut Bahn wurden 2021 rund 36 200 BahnCards 100 verkauft, 2019 waren es rund 41 000. Für 2022 liegen noch keine Zahlen vor.
Jetzt durchkreuzt die Deutsche Bahn (DB) seine Pläne. Denn das Unternehmen hat mit dem Fahrplanwechsel Mitte Dezember die Abo-Möglichkeit bei der BahnCard 100 abgeschafft. Der Preis für die Jahreskarte, die im gesamten Netz sowie in mehr als 130 Städten im öffentlichen Nahverkehr gilt, muss seitdem bei Neuanträgen komplett im Voraus bezahlt werden. Das bedeutet 4339 Euro in der zweiten und 7356 Euro in der ersten Klasse. Die monatliche Zahlungsweise - im Verhältnis teurer als die Einmalzahlung - wird nicht mehr angeboten.
Bestandsverträge laufen analog der Gültigkeit der Karte weiter
„Der Neuverkauf der BahnCard 100 im Abo wurde zum 11.12.2022 eingestellt“, heißt es dazu auf der Internetseite der Bahn. Und weiter: „Bestandsverträge laufen analog Gültigkeit der Karte weiter.“ Kunden sollen im ersten Quartal dieses Jahres über das weitere Vorgehen informiert werden. Auf Nachfrage dieser Redaktion gibt eine Bahn-Sprecherin bereits einen Ausblick, was auf die Bestandskunden zukommt: „Auch unseren Kundinnen und Kunden mit einem bestehenden Abo werden wir nach Ablauf ihrer aktuellen BahnCard 100 nur noch die Einmalzahlung anbieten.“
90 Prozent wählen Vorauszahlung
Den Schritt des Unternehmens begründet die Sprecherin damit, dass sich in den vergangenen Jahren immer weniger Kunden für eine BahnCard 100 im Abo entschieden hätten. „Die Kundinnen und Kunden bevorzugen zunehmend den günstigeren Gesamtpreis und die einfachere Buchung, die die Einmalzahlung der BahnCard 100 bietet“, erklärte sie. Zuletzt hätten sich neun von zehn Kunden für die Einmalzahlung entschieden.
Ich war schockiert. Über 4000 Euro auf einmal - wie soll das gehen?
Für Vehabovic ist die Umstellung ein Problem. Weil der Betrag von 4339 Euro für ihn sehr hoch ist, hatte er fest mit der Abo-Option geplant. Zum Zeitpunkt, als er seine Probe BahnCard beantragt hatte, war das auch noch möglich. Umso erstaunter war er, als er kürzlich eine Jahreskarte beantragen wollte und die Information erhielt, dass es das Abo nicht mehr gibt. „Ich war schockiert. Über 4000 Euro auf einmal - wie soll das gehen?“
Wegen der geänderten Bedingungen muss der Pendler sein Vorhaben noch einmal überdenken. Viel Zeit bleibt ihm nicht mehr, am 15. Januar läuft die Probe BahnCard ab. Im Prinzip hat er aber keine andere Wahl, als weiterhin mit der Bahn zu fahren. Denn das (Zweit-)Auto, mit dem er bislang die Strecke zur Arbeit bewältigt hat, ist schon verkauft. Jetzt will er es weiterhin mit der Probe BahnCard versuchen. Die ist mit 1295 Euro für drei Monate und 5180 Euro auf das Jahr gerechnet zwar 841 Euro teurer. Für ihn ist das immer noch besser, als den Betrag auf einen Schlag zu bezahlen. „Hätte ich das gewusst, hätte ich das Abo schon früher abgeschlossen“, sagt er.
Der Fahrgastverband Pro Bahn kann die Entscheidung der Bahn in Teilen nachvollziehen. „Es ist immer schlecht, wenn ein Angebot vom Markt genommen wird. Auf der anderen Seite ist es nachvollziehbar, wenn Angebote gestrichen werden, die nur selten genutzt werden und dementsprechend hohe Kosten verursachen, die dann von allen zu bezahlen sind“, erklärte Karl-Peter Naumann auf Anfrage. So werde der überwiegende Teil der BahnCards 100 komplett im Voraus gekauft, auch deshalb, weil dies günstiger sei. Vergleichbare Angebote in den Nachbarländern müssten auch im Voraus bezahlt werden.
Naumann kritisiert im Zusammenhang mit der BahnCard 100 zwei „andere wichtige Punkte“: „Es ist noch immer nicht sicher gestellt, dass die BahnCard 100 - wie das künftige Deutschland-Ticket - in allen Bussen und Bahnen des Nahverkehrs gilt.“ Außerdem fällt Ende des Jahres die Auslandsermäßigung „Railplus“ weg. „Die DB wollte sie erhalten, die ausländischen Partnerbahnen wollten es aber nicht“, so Naumann.
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Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Kommentar Wegfall der BahnCard 100 im Abo ist nicht kundenfreundlich