Jacob Mammen baut Kaffee auf der familieneigenen Plantage in Indien an. Er arbeitet eng mit dem Kaffeeexperten- und händler Steffen Schwarz in Mannheim zusammen.
Herr Mammen, wie kommt Indien als Teetrinker-Land auf den Kaffee?
Jacob Mammen: Das war ein harter Weg. Bis 1994 musste aller Kaffee nach der Ernte an den indischen Staat verkauft werden. Der Farmer gab seine Ernte an das so genannte Coffee Board ab und damit auch jegliche Kontrolle über Preis oder Qualität. Als das System liberalisiert wurde, mussten wir Kaffeefarmer erst lernen, wie wir unsere Bohnen weiterverarbeiten, wie wir bessere Qualität erzielen und wie wir unseren Kaffee vermarkten. Wir wussten gar nicht, wie richtiger Kaffee schmeckt.
Jacob Mammen
- Jacob Mammen führt seine Kaffeefarm Badra Estates in dritter Generation. Die Farm in Chickmagalur im sündindischen Bundesstaat Karnataka erzeugt auf 600 Hektar 700 bis 850 Tonnen Kaffee.
- Angebaut werden die drei Kaffeearten Arabica, Canephora und Liberica. Der Kaffee wird direkt vermarket an kleine Röstereien, etwa an The Coffee Store von Steffen Schwarz.
- Mammen ist 59 Jahre alt, verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne.
Wirklich?
Mammen: Indien war ja immer eine Nation der Teetrinker. Und ehrlich gesagt, unser Kaffee schmeckte früher fürchterlich, weil sich durch das alte System niemand für das Endprodukt interessierte. Ich persönlich habe jahrelang löslichen Kaffee getrunken - da musste ich erst einmal lernen, Kaffee zu verkosten und zu beschreiben. Wir Farmer haben wirklich ganz von vorne angefangen. Aber über die Jahre haben wir es geschafft. Inzwischen bauen wir auf unseren drei Familienplantagen 40 verschiedene Kaffeevarietäten an.
Warum wird in Indien die Kaffeeart Canephora, auch Robusta genannt, angebaut - die gilt doch bei vielen Kaffee- trinkern als minderwertig?
Mammen: Ja, früher war Canephora fast ein Schimpfwort. Aber das stimmt längst nicht mehr. Wir arbeiten seit einigen Jahren mit Canephora und haben dank Steffens Unterstützung wunderbare Ergebnisse erzielt. Und gerade in Deutschland trinken immer mehr Menschen diesen Kaffee und schätzen ihn.
Steffen Schwarz: Wir arbeiten mit vielen verschiedenen deutschen Forschungslaboren und Institutionen zusammen. Wir haben zum Beispiel darüber geforscht, welche Kaffeearten sich am besten für den Anbau in Indien eignen. Und kamen dabei auf Canephora, diese Kaffeeart ist viel widerstandsfähiger als Arabica. Im Zuge des Klimawandels wird sie mehr und mehr angebaut.
Steffen Schwarz
- Steffen Schwarz ist promovierter Arzt, hat sich aber seiner Leidenschaft Kaffee gewidmet und ist einer der weltweit renommiertesten Kaffeeexperten. Er ist Berater, Ausbilder, Röster und Händler in einem.
- In Mannheim ist sein Ausbildungszentrum Coffee Consulate angesiedelt. Über die Rösterei The Coffee Store vertreibt Schwarz Spezialitätenkaffees etwa der Marke Neckarrösterei.
- Der Kaffee kommt direkt von fünf Farmen in Brasilien, El Salvador, Mexiko und Indien.
Wie läuft dieses Jahr die Ernte?
Mammen: Nicht gut. Wir leiden dieses Jahr in Südindien unter extremen Überflutungen, viele Pflanzen stehen unter Wasser. Es hat auch nach der Monsun-Saison einfach nicht aufgehört zu regnen. In 40 Tagen bekamen wir die Menge Regen ab, die es sonst in einem Jahr gibt. Das ist eine Folge des Klimawandels. Aber wenn es zu nass ist, fällt die Pflanze um. Ich rechne mit einem Drittel an Ernteausfällen. Das Problem ist aber, dass wir trotzdem hohe Kosten haben.
In Brasilien dagegen war es zu heiß, dort gab es auch Ausfälle.
Mammen: Der Klimawandel bringt immer neue Extreme, es wird immer schlimmer. Wahrscheinlich werden wir nächstes Jahr in Indien um Regen beten, weil es zu trocken ist. Die Folgen des Klimawandels sind sehr real für uns. Die Produktion sinkt von Jahr zu Jahr, der Aufwand, um die Ernte zu retten, steigt dagegen.
Gefährdet der Klimawandel Ihre Existenz?
Mammen: Unseren Kaffee verkaufen wir direkt an Röstereien. Dadurch erzielen wir bessere Preise, als wenn wir die Rohware an Großhändler abgeben. Aber wir suchen ständig neue Wege, um mit unserem Kaffee einen Mehrwert zu gewinnen. Von den Bohnen alleine können wir nicht leben. Schauen Sie, das ist aus unserem Kaffeeholz gemacht (zeigt auf Wandpaneelen im Eingangsbereich).
Das ist ein sehr schönes Holz.
Mammen: Ja, das vermarkten wir jetzt auch auf unserer Farm. Außerdem experimentieren wir mit Tee aus Kaffeeblättern oder -blüten. Wir nutzen sogar die Kaffeeschalen, um daraus ein Tee-ähnliches Produkt zu machen. Und beim Kaffee selbst konzentrieren wir uns auf die Herstellung von Spezialitätenkaffees mit ganz unterschiedlichen Geschmacksprofilen. Wir bauen ihn mittlerweile auf Kleinstparzellen an. Die Kunden können genau nachverfolgen, von welcher Lage ihre Kaffeepackung stammt.
Lohnt sich das, so kleine Mengen zu produzieren?
Mammen: Steffen zahlt uns einen guten Preis dafür. Das ist der Vorteil der Direktvermarktung. Er kann dafür seiner Kundschaft Kaffees anbieten, die sonst keiner hat. Und wir können gemeinsam an der Qualität arbeiten und experimentieren.
Schwarz: Es ist wie beim Wein. Da gibt es trockenen Wein, süßen Wein, viele Sorten, Lagen und Mikroklimata und dann natürlich verschiedene Ausbauvarianten. Das ist die Zukunft des Kaffees, dass es wie beim Wein auf die Lage ankommt, die ein bestimmtes Aroma verspricht. Der Massenmarkt wird sterben, es kann nur noch über Qualität gehen.
Warum?
Schwarz: Kurzfristig ist es ein Kostenproblem. In der Pandemie haben höhere Fracht- und Energiekosten den Preis für Kaffee in den vergangenen Jahren fast verdreifacht. Die Verkäufer von billigem Industriekaffee können die höheren Kosten aber nicht weitergeben. Das heißt: Je billiger der Kaffee, desto mehr schlagen die höheren Transportkosten auf die Marge. Vor allem Indien leidet unter den explodierenden Containerkosten - für große Röstereien könnte indischer Canephora bald zu teuer werden. Dem Land droht, Marktanteile etwa an Vietnam zu verlieren.
Und dazu kommt der Klimawandel.
Schwarz: Genau. Und als weitere Folge davon gibt es mehr Krankheiten und Schädlinge. Es kommen immer neue dazu. Auch das führt zu massiven Ernteeinbußen weltweit. Wir können nur versuchen, immer wieder Kaffeepflanzen zu züchten, die besser mit den Bedingungen zurechtkommen. Aber das braucht Zeit und kostet Geld.
Mammen: Es gibt so viele Probleme. Wir müssen zum Beispiel unsere Plantagen gegen Elefanten schützen. Die Tiere finden aufgrund der Regenfälle keine Nahrung mehr und suchen sie bei uns. Und wir bekommen keine Arbeiter, weil die Leute bei uns lieber nach Bangalore gehen, wo sie in der Computerindustrie besser bezahlt werden.
Denken Sie manchmal ans Aufgeben?
Mammen: Ja, ganz oft. Es ist kein Spaß, Kaffee anzubauen. Jedes Jahr kommt etwas Neues, das außerhalb unserer Kontrolle liegt. Diese Hilflosigkeit, das ist das Schlimmste. Würde ich es machen, wenn ich die Wahl hätte? Würde ich jetzt eine Kaffeefarm kaufen? Auf keinen Fall! Ganz ehrlich, ich würde es nicht machen.
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