Mannheim. Auch wenn Tarifverträge bei Gehältern nicht nach Geschlechtern unterscheiden, so existiert oftmals eine Lücke zwischen dem, was Frauen und Männer bei gleicher beziehungsweise gleichwertiger Arbeit mit gleicher Qualifikation verdienen. Prozesse wegen Lohn-Ungleichbehandlung sind freilich eher selten, aber es gibt sie. Gerade dieser Tage endete vor einer Mannheimer Kammer des Landesarbeitsgerichtes (LAG) Baden-Württemberg ein solches Verfahren. Die Klage scheiterte – allerdings vorwiegend aus rechtlich formalen Gründen. Hingegen hat eine weibliche Führungskraft von Daimler Truck auf Basis des Entgelttransparenzgesetzes im letztjährigen Oktober 130.000 Euro erstritten.
Das Gesetz mit dem sperrigen Namen ist seit Juli 2017 in Kraft. Dass es von Gewerkschaften als „zahnloser Tiger“ bezeichnet wird, hat damit zu tun, dass die Regelungen nur bei größeren Unternehmen greifen – was sich im Juni 2026 ändern soll. Noch besteht ein Anspruch auf Auskunft nach Vergleichsentgelt erst ab 200 Beschäftigten.
Berufserfahrung als Begründung für Lohnunterschied
Bei der in Mannheim ansässigen 12. Kammer des LAG Baden-Württemberg landete folgender Rechtsstreit: Die frühere Leiterin des Bereichs Personal verklagte die Landeskreditbank Baden-Württemberg auf eine höhere Vergütung und berief sich dabei auf geschlechterbedingte Benachteiligung. Hintergrund: Ihr Vorgänger hatte in der Position deutlich mehr verdient, weshalb die Klägerin für 2020 Differenzlohnansprüche in Höhe von knapp 40 000 Euro brutto geltend machte.
Die Bank begründete das höhere Gehalt des davor tätigen Personalleiters mit einem Qualifikationsvorsprung und mehr Berufserfahrung. Außerdem habe der Mann aus seiner vorherigen Führungsaufgabe höhere Bezüge mitgebracht, für die Besitzstandswahrung gegolten habe. Die einstige Personalleiterin, inzwischen in Altersteilzeit, scheiterte vor dem LAG auch deshalb, weil die erstinstanzliche Klageabweisung bereits Rechtskraft hatte, als die Berufung eingelegt wurde.
Hingegen vermochte eine Mitarbeiterin von Daimler Truck zumindest teilweise ihre Forderungen durchzusetzen. Die Abteilungsleiterin in dritter Führungsebene, die nach der Elternzeit ihre Tätigkeit auf 50 Prozent reduziert hatte, pochte auf Ausgleichszahlung, weil ein direkter Vergleichskollege an Grundgehalt und Zulagen wie Company Bonus beziehungsweise virtuelle Aktien deutlich mehr erhielt. Die Klägerin forderte für fünf Jahre eine Brutto-Nachzahlung von 420.000 Euro.
Das LAG sprach ihr aber lediglich die Differenz der Mediane einer Vergleichsgruppe mit männlichen und weiblichen Beschäftigten zu – rund 130.000 Euro. Das kontrovers diskutierte Median-Prinzip beruht auf einem Mittel bei Bezügen innerhalb einer Gruppe. Anders ausgedrückt: Ob einem Mann ein Spitzengehalt gezahlt wird, nicht aber einer Frau in vergleichbarer Position, ist dabei eher untergeordnet.
Besseres Verhandlungsgeschick als Begründung reicht nicht mehr
Lange war es bei frei vereinbarten Gehältern gängig, auseinanderklaffende Bezüge trotz gleicher Tätigkeit und gleicher Qualifikation mit besserem Verhandlungsgeschick, meist eines Mannes, zu begründen. Einer solchen Argumentation hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 16. Februar 2023 in einem „Meilenstein-Urteil“ einen Riegel vorgeschoben.
Eher zufällig hatte eine Außendienstmitarbeiterin eines sächsischen Metallunternehmens herausgefunden, dass ihr Kollege mit gleicher Qualifikation für gleichwertige Einsätze monatlich tausend Euro brutto mehr erhielt. Erst vor dem BAG sollte die Klägerin eine Nachzahlung von entgangenem Lohn und zusätzlich eine Diskriminierungsentschädigung erstreiten. Vorausgegangen war ein Rechtsstreit mit Niederlagen in erster wie zweiter Instanz. Als die alleinerziehende Mutter von drei Kindern in Erfurt höchstrichterlich obsiegte, hatte sie bereits entnervt das Unternehmen verlassen und eine andere Stelle angetreten. Möglicherweise leuchtet das BAG auch den „Equal Pay“-Konflikt bei Daimler Truck aus. Jedenfalls hat das LAG Revision zugelassen, die eingelegt wurde.
Einblick in Gehälter ab 2026 bei Unternehmen ab 100 Beschäftigten
Dass sich Auseinandersetzungen um geschlechtsspezifische Entgeltunterschiede hinziehen können, erlebte auch die ehemalige Frontal-21-Reporterin Birte Meier. Die preiskrönte Journalistin zog vors Arbeitsgericht, weil männliche Kollegen mit gleichen Aufgaben mehr Geld erhielten. Acht Jahre dauerte der Rechtsstreit, ehe das ZDF – wohl ausgelöst von dem BAG-Urteil – einen Vergleich einging.
Frei vereinbarte Bezüge gelten in vielen Unternehmen als Geheimsache. Das dürfte sich mit den ab Juni 2026 verbindlichen EU-Vorgaben ändern. Dann gilt bereits ab 100 Beschäftigten ein Anspruch auf Einblick in Gehälter. Außerdem werden Berichte zu Lohnstrukturen unter dem Blickwinkel der Geschlechtergerechtigkeit Pflicht. Unternehmen mit 250 und mehr Arbeitsplätzen müssen ab 2027 jährlich solche Analysen vorlegen, bei einer Personalausstattung von 150 bis 249 Beschäftigten sollen diese alle drei Jahre erfolgen. Nicht von ungefähr mahnen auf Arbeitsrecht spezialisierte Kanzleien auch mittlere Betrieben: „Es ist höchste Zeit, sich auf die neuen Herausforderungen vorzubereiten!“
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