Rock

Albumreview: Neil Young konserviert Mannheimer Hochform

Auf das Live-Album „Noise & Flowers“ zur Europa-Tour 2019 hat es auch ein Lied aus der SAP Arena geschafft - es hätten noch mehr sein dürfen

Von 
Jörg-Peter Klotz
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Zu Neil Youngs 2019er Tournee mit Promise Of The Real ist ein eindrucksvolles Doppel-album erschienen. © Warner Music

Eines der größten Konzerte in der Geschichte der 2005 eröffneten Mannheimer SAP Arena ging am 5. Juli 2019 über die Bühne. Das Rock-Spektakel von Altmeister Neil Young mit der US-Band Promise Of The Real reiht sich ein in die absoluten Höhepunkte der Hallengeschichte: das All-Star-Konzert Monnem Soul zur Eröffnung, Depeche Mode, Pink oder Eric Clapton 2006, Justin Timberlake 2007, The Police 2008, Tom Petty 2012, Leonard Cohen 2013, Madonna 2015, Ed Sheeran 2017 und Metallica 2018.

Der damals 73-jährige Kanadier lieferte ganz ohne Showeffekte 20 Songs zwischen Folk und ausgedehntem psychedelischen Rock, was man in dieser Konzertgrößenordnung heutzutage kaum noch zu hören bekommt. Da Youngs gesamte Europa-Tour glänzende Kritiken bekam, war zu hoffen, dass der veröffentlichungswütige Grunge-Vorreiter daraus ein Live-Album machen würde. „Noise & Flowers“ ist jetzt als Doppelalbum auf CD und Vinyl erschienen; außerdem als Konzert-Blu-ray. Letztere hat einen Vorteil: ein etwas ausführlicheres Booklet. Leider kann man nur dem entnehmen, woher die 14 Live-Aufnahmen stammen. Das liefert nicht mal die Doppel-LP. Und siehe da: Mit der gewagt, aber ungewöhnlich schön ge-sungenen Ballade „Winterlong“ hat es immerhin ein Lied aus der SAP Arena auf das Album geschafft.

Nur, muss man sagen. Denn mindestens die epische Version von „Love And Only Love“, bei der Young mit Willie Nelsons Söhnen Lukas und Micah in der SAP Arena schon im zweiten Song einen 15-minütigen Wirbelsturm aus inspiriert improvisiertem Gitarrenrock entfachte, hätte verewigt gehört. Tatsächlich hat das Konzertalbum (genau gesagt: Konzert-e-album mit Aufnahmen aus Berlin, London, Kilkenny, Dresden, Antwerpen, München und Mannheim), einen ganz anderen Charakter als die Show am 5. Juli: weniger energetisch, psychedelisch und improvisiert - mit starken Ausnahmen wie „Throw Your Hatred Down“, „Rockin’ In The Free World“ oder „F***in’ Up“ am Schluss. Der Fokus liegt auf kürzeren Folk-Nummern wie „Helpless“, „Alabama“ oder „From Hank To Hendrix“, die in Mannheim gar nicht zu hören waren. Die „Europe Summer 2019“-Tour zu repräsentieren, ist ohnehin kaum möglich. Young und seine fulminante Band, die auf der Bühne schnell alle Vorbehalte, sie sei zu jung, zu Country- oder zu Hippie-mäßig wegfegte, spielten bei neun Konzerten 47 verschiedene Songs. Nur rund zehn der 20 Nummern pro Abend blieben konstant. Jedes Publikum bekam sogar ein exklusives Lied (in Mannheim „Prisoners Of Rock ’n’ Roll“). Von den meistgespielten Liedern fehlen auf der Live-Platte Klassiker wie „Hey Hey, My My (Into The Black)“ oder „Mansion On The Hill“. Schade.

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Aber man hätte aus dieser „Wonderous Tour“ (Neil Young) wohl drei bis vier Klasse-Live-Platten bauen können. Sie zieht ihren besonders inspirierten Ton auch aus der Tatsache, dass kurz vor dem Start Eliot Roberts gestorben ist, der für die Singer/Songwriter-Legende fünf Jahrzehnte lang mehr Freund als Manager war. Das Album wirkt trotz Montage erstaunlich homogen. Der Sound soll nicht groß nachgeschönt worden sein. So klingt das Vinyl oft großartig, beim Streaming muss man Abstriche machen. Eine der besten unter den 27 (!) Veröffentlichungen Youngs seit 2012.

Ressortleitung Stv. Kulturchef

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