Mannheimer Sommer

Duo zeigt, wie rhythmisch Boxen sein kann

In einer ungewöhnlichen Musikperformance im Rahmen des Mannheimer Sommers in Schwetzingen lassen Perkussionist Joss Turnbull und Boxerin Everline Akinyi Odero das Publikum an ihrem tranceartigen gemeinsamen Spiel teilhaben

Von 
Bertold Planer-Friedrich
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Everline Akinyi Odero und Joss Turnbull. © Joss Turnbull

Schwetzingen. Als der Perkussionist Joss Turnbull die Boxerin Everline Akinyi Odero kennenlernt, ist er fasziniert von den rohen musikalischen Impulsen, die der Sport vermittelt. Er will sie mit seiner Musik zusammenzubringen. So erzählt Festivaldramaturgin Julia Warnemünde die Geschichte hinter der Performance „We in a Box“, die Turnbull und Odero in der Kuppel der Schmuckmoschee im Schwetzinger Schlossgarten aufführen. Angekündigt sind zehn Runden zu jeweils drei Minuten und einer Minute Pause dazwischen, zu denen die beiden sich in den musikalischen und performativen Ring begeben und erkunden wollen, wie Perkussion und die Entäußerung von Körperkraft zueinanderfinden und wieder auseinanerdriften. Eine Trainings-App gibt das Läuten der Ringrunden vor.

Punkt 1 von 2 Mannheimer Sommer im Schwetzinger Schlossgarten

Der „Mannheimer Sommer“ ist ein vom Nationaltheater Mannheim veranstaltetes internationales Festival für Musik und Theater. Im Mittelpunkt des Programms steht das „Fest“ als eine Grundform menschlichen Verhaltens, die Konflikte überwindet und ein ekstatisches Moment übernatürlicher Erfahrung birgt. Auch der Schwetzinger Schlossgarten ist 2024 Ort des Geschehens. Ein Parcours von kleineren und größeren Konzerten sowie von Stücken und Performances füllen den Schlossgarten. 

Wann? noch bis Sonntag, 7. Juli 

Wo? Schloss Schwetzingen sowie andere Schauplätze in Mannheim

In der Gartenmoschee begrüßt der künstlerische Leiter Jan Dvorák. Da die Grenzerfahrung zwischen Musik und Theater im Mittelpunkt des Festivals stehe, und das Projekt sich genau dort verorten lasse, sei die gespannte Erwartung groß. Das Publikum ist offenbar ebenso neugierig auf das ungewöhnliche Experiment wie die Festivalleitung, denn die Veranstaltung ist gut besucht.

Schattenboxen und Seilspringen werden zum Beat

Das Einläuten der Runde Eins eröffnet den Ring für Präliminarien. Odero beginnt mit Aufwärmübungen. Turnbull packt Gerätschaften und Zubehör aus, sortiert und beginnt, zu Oderos Gymnastik die noch mit einem Tuch abgedämpfte Tombak, eine Kelchtrommel, mit den Händen zu schlagen. Die Anmutung ist durchaus filigran. Die Überakustik des Raums begünstigt die Wahrnehmung leiser Geräusche. In Runde zwei geht Turnbull schon ungedämpft zu Werke. Der Beat von Oderos Seilhüpfen beschleunigt und verlangsamt sich, während die Trommel durchschlägt und das Seil durch die Luft pfeift. Turnbull kostet die Artikulationsmöglichkeiten seiner Trommel aus, während Oderos Schattenboxen durch Lautentäußerungen untermalt wird. Die Rufe werden drängender und kehliger zwischen Stöhnen und Falsett. Ein Trommelbeat wird aufgenommen.

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In Runde Fünf kündigt sich das eigentliche Boxen an. Turnbull erzeugt tonale Sprache beim Anreiben des Trommelfells. Odero bandagiert sich die Hände und zieht Boxhandschuhe über. Der erste Schlag von Boxhandschuh gegen Boxhandschuh ändert die Szenerie schlagartig. Die in den weiteren Runden gegen die Boxsäule geführten, durch Mikrofon abgenommenen und geringfügig elektronisch verstärkten Schläge sind durch ihre tiefen Frequenzen körperlich spürbar. Die zuerst vereinzelt geführten Schläge verdoppeln und vervielfältigen sich. Schlagwerk und Boxgeräusche kommen mal als gemeinsames Crescendo daher, mal als Untermalung zu Oderos schwerer Atmung und dem Grunting, das die Kraft der Schläge fokussieren hilft.

Schließlich werden die akustischen Eindrücke wieder filigran, wenn die Boxhandschuhe beiseite liegen und zu Würfen mit einem Tennisball auf den Boden Klopfgeräusche moduliert werden.

In der letzten Runde bei Crunches und Situps ist Odero nicht mehr im eigentlichen Sinne hörbar, der Körper der Sportlerin als Rhythmusgeber trotzdem regelrecht magisch spürbar. Drei Aufzüge vor fasziniertem Publikum.

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