Mannheim. Schlag auf Schlag und in jeder Klang-ausschreitenden Hinsicht hat es diese Performance in sich: Drummer Christian Lillinger, bekannt als Protagonist des Modern-Creative-Jazzstils und der Neuen Improvisationsmusik, entlockt seinem Instrument auf der Bühne der Alten Feuerwache Mannheim Unerhörtes.
Mix aus analog und elektronisch
Eruptive Beats und Elemente, wie man sie aus dem Digital Hardcore kennt (oder auch aus manchen Einstürzende-Neubauten-Momenten schätzt) werden da mit synkopierten Läufen gespleißt, analoges Schlagwerk mit elektronischen Klanggeneratoren und Live-Effekten verquickt: Das „Pling“ einer kleinen Zimbel wächst zum Amboss-Schmettern, technoid anmutende Schlagimpulse verdrahten sich zu einer komplexen Mechanik.
Der 1984 geborene Berliner Künstler, der 2021 sowohl als Schlagzeuger als auch als „Künstler des Jahres“ mit dem Deutschen Jazzpreis ausgezeichnet wurde, entzündet mithin gleich zu Beginn des langen „p7r Takeover“-Abends beim Planet-Ears-Festival in der Feuerwache ein konzertantes Glanzlicht.
Der Mannheimer Produzent und Labelbetreiber Persian Empire hat hierzu eingeladen; „p7r“ steht für die sieben „r“ des Labelnamens „Prrrrrrr Records“ - den man sich wohl ausgesprochen wie das Gurren der Label-Logo-Taube vorstellen darf. Den Hintergrund bildet das Residenz- und Austauschprogramm „From Mannheim to Planet Ears“, unter dessen Dach lokale Musikschaffende internationale Kooperationspartnerinnen und -partner einladen konnten. Der „p7r Takeover“-Abend markiert das zweite (und letzte) „Planet Ears Residency Concert“, die dem Festivalpublikum die Früchte dieses Programms vor Augen und Ohren führen.
Kräftige Bässe
Der Leipziger Elektronik-Künstler mit dem nicht ganz leicht wiederzugebenden Namen |||||||||||||||||||| (alias [barcode]) bildet alsbald aus organisch-warmen Soundtexturen vielschichtige Klanglandschaften, in die er jazzige Kopfnoten setzt. Ugly Goethe präsentiert hiernach einen Spoken-Wort-Beitrag, eine Art explizite, „Alman“-gesellschaftskritische Bühnendichtung: „Ich, ich bin ein Erbe dieser Wut. Der Geist, den ihr gerufen habt. Der deutsche Dämon“, schließt er. Gastgeber Persian Empire, bürgerlich Sam Khatam, selber reist an den Reglern hoch energetisch durch verschiedene Track-Stationen seiner Label-Geschichte. Bei einem gemeinsamen „Back2Back“-DJ-Gig dringen dann die beiden Wiener Monophobe (Maximilian Walch) und Sixtus Preiss in komplexe, teils verspielt verschachtelte Basstiefen-Regionen vor, bei denen Gehörschutz wirkungslos verpufft und der ganze Körper zum Resonanzboden wird.
Der japanische multidisziplinäre Künstler Lee (Asano + Ryuhei), aka Asano Ryuhei, zelebriert in seinem Live-Set die überbordende Gleichzeitigkeit der Sound-Reize, von mikroskopischen Sprengseln bis zum majestätisch aufragenden Klang-Trumm. Zu später, abschließender Stunde ist schließlich der in Georgien und der Schweiz aufgewachsene, in Basel und Den Haag studierte Komponist und Pianist Kordz (Alexandre Kordzaia) angekündigt, der sein Tastenwerk mit live generierten elektronischen Tonarchitekturen und Beats verquickt.
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