Jared Leto ist ein Mann mit vielen Begabungen. Der 51-jährige US-Amerikaner zählt zu den herausragendsten Schauspielern seiner Generation, er gewann einen Oscar und brillierte zuletzt als glatzköpfiger, schmerbäuchiger Paolo Gucci in „House Of Gucci“. Und auch als Musiker weiß er zu überzeugen. Gemeinsam mit seinem anderthalb Jahre älteren Bruder Shannon hat er 1998 Thirty Seconds To Mars gegründet. Das neue Album hört auf den zur Interpretation einladenden Titel „It’s The End Of The World But It’s A Beautiful Day“.
Jared Leto, es ist Sonntag, und der Sommer ist noch einmal zurückgekommen. Wie hast du deine Zeit in Berlin verbracht?
Jared Leto: Ich bin gestern Nachmittag angekommen und hatte tatsächlich den Rest des Tages frei. Ich bin durch den Mauerpark spaziert, war in Prenzlauer Berg und lief total zufällig in eine coole Kunstausstellung rein. Das Tolle gerade an Berlin ist, dass die Stadt einen immer wieder überrascht. Abends dann habe ich bei meinem Lieblingsvietnamesen Monsieur Vuong in Mitte leckere Dumplings gegessen. Das war ein wirklich schöner Tag.
Hast du dich in Deutschland immer wohlgefühlt?
Leto: Nein, das hat ein bisschen gedauert. Die ersten Shows, die ich mit Thirty Seconds To Mars hier gespielt habe, waren eher verhalten. Ich war mir nicht sicher, ob uns die Leute überhaupt mögen. Aber dann kamen wir im Sommer, und alles war anders. Die Leute explodierten vor Freude, sie waren lebenslustig und super drauf. Ich glaube, die Jahreszeit macht bei euch einiges aus.
Wie ist es aktuell um deine eigene Lebenslustigkeit bestellt? Der Titel eures Albums ist ja ein wenig ambivalent: „It’s The End Of The World But It’s A Beautiful Day“. Lebst du nach der Devise: Die Welt geht vor die Hunde, also genieße ich mein Leben, so lange es noch geht?
Leto: Ich finde, dass der Titel die vollkommen verrückten Zeiten, in denen wir leben, ziemlich gut reflektiert. Ich meine, wir feiern, wir haben Spaß, aber wir tanzen ganz schön nah an der Klippe.
Jared Joseph Leto
- Jared Joseph Leto ist geboren am 26. Dezember 1971 in Bossier City, Louisiana.
- Er ist ein Multitalent als Schauspieler und Sänger, Gitarrist sowie Songwriter der Musikgruppe Thirty Seconds to Mars.
- Für die Rolle der transgeschlechtlichen Rayon im Drama Dallas Buyers Club erhielt er 2014 den Oscar als bester Nebendarsteller.
- Leto wuchs unter anderem auf Haiti und in Colorado auf. An der Emerson Preparatory School in Washington, D.C. machte er 1989 seinen Abschluss.
- Er studierte an der University of the Arts in Philadelphia und ging danach an die School of Visual Arts (SVA) in New York City.
- Von 1999 bis 2003 war er mit der Schauspielerin Cameron Diaz liiert.
Euer Album klingt nun überwiegend bombastisch, elektronisch und episch. Es wirkt wie der Soundtrack zu einem monumentalen Katastrophenfilm, in dem am Ende alles gut wird. Bist du tief in dir drin ein hoffnungsvoller Mensch?
Leto: Ja, ich bin ein Optimist, und ich halte es für mich, Optimismus zu teilen und zu verbreiten. In unserer Welt gibt es sehr viel Negativität und sehr viel Dunkelheit. Das Leben kann einen schon runterziehen. Und manchmal singe auch ich im Chor der Pessimisten mit. Aber was mich dann doch immer wieder zuversichtlich stimmt und ermutigt, ist meine Überzeugung, dass wir die Werkzeuge, die Kreativität und das Know-how haben, um erfolgreich an einer besseren Zukunft zu arbeiten. Auch wenn die Zeiten düster erscheinen, kann die Zukunft trotzdem hell erstrahlen. Wir haben alle Möglichkeiten, um unseren Untergang abzuwenden, wir müssen sie nur nutzen.
Neben all den überwältigenden Nummern wie „Avalanche“ oder „World On Fire“, die sozusagen alles plattwalzen, gibt es auch nachdenkliche und verletzliche Lieder, etwa „Never Not Love You“ und „Love These Days“. Hilft dir das Songschreiben, die Mutlosigkeit und die Endzeit-stimmung in deinem Kopf zu überwinden?
Leto: So vielfältig und wechselhaft wie mein Gefühlsleben ist, und das ist es weiß Gott, so abwechslungsreich ist auch das Album geworden. Mir gefällt es, unterschiedlichste Emotionen auszuloten. Eine meiner absoluten Lieblingsbands ist The Cure. Ich liebe es, wie sie die abgründigsten und dunkelsten Songs der Welt schreiben können wie „Prayers For Rain“, und dann hauen sie ein „Friday I’M In Love“ raus. Mein Bruder und ich haben bei jedem unserer Alben im Sinn, dass wir die Hörenden mit auf eine Reise nehmen. Und speziell Verletzlichkeit halte ich für ein sehr wichtiges Gefühl - für einen Musiker, für einen Schauspieler, einen Maler, ja für einen Menschen ganz generell.
Sind die neuen Lieder auch aus einer Vielzahl verschiedener Gefühle heraus entstanden?
Leto: Total. Mein Bruder und ich fingen in der Frühphase von Corona mit dem Songschreiben an, er saß in Seattle, ich in Kalifornien. Ich war noch nie so lange an ein und demselben Ort und ahnte, dass ich diese Zeit nutzen sollte. Und so konnte ich selbst diesen schwierigen und für viele tragischen Umständen etwas Positives abgewinnen - indem ich mich hinsetzte, zur Ruhe kam und zweihundert Songs schrieb. Auch Shannon war sehr produktiv, wir durchlebten eine fast schon magische Zeit. Und während wir naturgemäß mit Songs über Isolation begannen, schälten sich nach und nach andere Inhalte heraus, kamen andere Emotionen zum Vorschein, der Drang nach Befreiung und Loslösung von Zwängen zum Beispiel.
Als Musiker wie auch als Schauspieler bist du extrem verwandlungsfreudig. Du legst dich nicht auf ein Genre fest, nicht auf eine bestimmte Art von Rolle. Fällt es dir leicht, immer du selbst zu bleiben, wenn du bei der Arbeit immer wieder in die Person von jemandem anderem schlüpfst?
Leto: Die Herausforderung liegt darin, bei mir zu bleiben und auf meine innere, kreative Stimme zu hören. Und natürlich die beste Arbeit abzuliefern, die ich zu leisten imstande bin. Ich will, dass die Leute, die in meine Filme gehen, zu unseren Konzerten oder die sich unsere Platte anhören, ein hohes Level an Qualität bekommen. Und vielleicht finden sie nicht alles gleichermaßen überzeugend, was ich mache, aber es soll sie mindestens überraschen. Menschen zu langweilen wäre mir ein Grauen. Und ich gebe ein Versprechen ab: Wenn du zu einer Show von Thirty Seconds To Mars kommst, werden mein Bruder und ich alles in unserer Macht Stehende dafür tun, dass du diesen Abend niemals vergessen wirst.
Du hast 2014 einen Oscar bekommen für deine Rolle als eine Transgender-Person im Film „Dallas Buyers Club“. Beeindruckt es dich, wie weit die Gesellschaft in Sachen Diversität voran- gekommen ist in den vergangenen zehn Jahren?
Leto: Für mich ist jeder Mensch ein Faszinosum. Ich denke, Vielfalt, nicht zuletzt menschliche Vielfalt, macht die Welt zu einem interessanteren Ort. Wir sind nicht alle gleich, und das ist großartig. Unterschiede bereichern uns.
Ihr seid mit eurer alleinerziehenden Mutter viel umhergezogen und habt eine Art Hippie-Kindheit erlebt. Wie wichtig war deine Mutter für dich?
Leto: Unsere Mutter hat eine riesengroße Rolle dabei gespielt, dass wir unsere Kreativität entdecken konnten. Wir waren eine Vagabundenfamilie, ohne wirkliche materielle Stabilität, aber mit viel Liebe und Zuneigung. Kunst und Musik waren immer Teil unseres Lebens. Ich war ein kleiner Junge, als mir einer unserer Freunde ein paar Akkorde auf der Gitarre beibrachte, und an diese Akkorde erinnere ich mich heute noch. Später fanden wir ein altes Klavier am Straßenrand, das jemand weggeworfen hatte. Wir behielten und stimmten es, und ich lernte zu spielen. Mein Bruder haute auf sämtliche Kisten und Pfannen, die er in die Hände bekam, so fing seine Karriere als Schlagzeuger an.
Alles andere als frei war dein Kopf unlängst bei der Met-Gala in New York. Du bist im Ganzkörperkostüm gekommen, verkleidet als Karl Lagerfelds Katze Choupette. War es nicht ziemlich heiß unter dem Fell?
Leto: Es war sogar höllisch heiß (lacht). Aber auch lustig. Ich wollte Karl mit dem Kostüm ehren, er hatte einen herrlichen Humor und hätte sicher auch gelacht.
Kanntet ihr euch?
Leto: Ich habe Karl einige Male getroffen. Einmal sagte ich zu ihm „Karl, eines Tages werde ich dich in einem Film darstellen.“ Und er meinte nur: „Wenn das einer macht, dann du, Darling“.
Wie würdest du euer Verhältnis beschreiben?
Leto: Wir waren uns in gegenseitiger Zuneigung verbunden. Und natürlich bewunderte ich sein Schaffen zutiefst, und auch er sagte immer wieder sehr nette Dinge über meine Arbeit. Wir hatten eine warmherzige Beziehung.
Tatsächlich wirst du nun in der Verfilmung von Lagerfelds Leben die Hauptrolle spielen. Wie weit ist das Projekt gediehen?
Leto: Wir arbeiten aktuell am Drehbuch, ein bisschen wird es also noch dauern. Mein Gott, ich freue mich so. Was für einen Jahrhundertcharakter ich spielen werde - ich bin unendlich dankbar über diese Rolle.
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