Ausstellung

Kosuths Konzeptkunst erleuchtet Stuttgarter Kunstmuseum

Das Kunstmuseum Stuttgart zeigt zum 80. Geburtstag von Joseph Kosuth seine größte Werkschau in Deutschland.

Von 
Hans-Dieter Fronz
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Das Werk „Five Words in Five Colors – A Description“ von Joseph Kosuth ist im Kunstmuseum Stuttgart zu sehen. © Kunstmuseum Stuttgart

Stuttgart. Joseph Kosuth? Eine dieser großen, fast mythischen Gestalten, die die Nachkriegskunst revolutionierten und ihr den Stempel aufdrückten. Dass er in diesem Jahr „erst“ achtzig wurde, mag man auf dem Hintergrund seiner Bedeutung für die Kunst der Gegenwart kaum glauben. Nicht vielen ist bekannt, dass der im Januar 1945 in Toledo, Ohio, geborene Konzeptkünstler, der in vier Ausgaben der documenta zu sehen war, nicht bloß in New York – an der „School for Visual Arts“ – gelehrt hat, sondern etliche Jahre auch in Deutschland: von 1991 bis 1997 in Stuttgart, später dann fünf Jahre lang an der Akademie der Bildenden Künste in München.

In seiner Stuttgarter Zeit kamen derart viele Werke von Kosuth – auch eine Schenkung des Künstlers – in den Besitz des Kunstmuseums, dass dieses heute die umfangreichste Kollektion seiner Werke in Deutschland sein Eigen nennt. Die von Direktorin Ulrike Groos gemeinsam mit Kosuth kuratierte Schau „Non autem memoria“ breitet jetzt anlässlich des 80. Geburtstags von Kosuth sämtliche dieser Werke aus und bietet so die ganze Bandbreite seines Schaffens. Kosuth gehört zu den Künstlern, die über den Tellerrand der Kunst hinausblicken. Außer Kunst studierte er eine Zeitlang Anthropologie, zudem ist er in Literatur und Philosophie bewandert. Als eine Art Grundlagenforscher der Kunst arbeitet der Hauptvertreter der analytischen Konzeptkunst vornehmlich mit Sprache. Sie ist ihm Material und Untersuchungsgegenstand zugleich. Die sinnliche Wahrnehmung eines Gegenstands ist für ihn immer auch mit Sprache und Begriffen verknüpft.

Neonleuchtschrift illustriert den Sinn der Wortfolge des Titels

Während Magritte in dem Gemälde „Der Verrat der Bilder“ mit einer gemalten Pfeife und dem beigefügten Schriftzug „Ceci n‘est pas une pipe“ („Das ist keine Pfeife“) den Unterschied zwischen Gegenstand und bildlicher Darstellung akzentuiert, verweist Kosuth in „Neon – Self defined“ von 1965, einem frühen Meisterwerk der Konzeptkunst, auf das Verhältnis von Gegenstand und sprachlicher Umschreibung. Den Begriff „Neon“ veranschaulicht er in Neonbuchstabenleuchtschrift.

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Auch „Five Words in Five Colors – A Description“ illustriert in Neonleuchtschrift den Sinn der Wortfolge des Titels: Jedem der fünf Worte ist eine andere Farbe zugeordnet. Bei „One and Three File Cabinets“ platzierte Kosuth lapidar einen Aktenschrank neben einer fotografischen Wiedergabe des Möbels im Größenverhältnis eins zu eins sowie der lexikalischen Erklärung der Bedeutung des Begriffs „File“. - Außer mit Sprache arbeitet er etwa auch mit dem Mittel der Verfremdung. In der Serie „cathexis“ stellt er großformatige Reproduktionen alter Gemälde in Schwarz-Weiß (in Stuttgart die des Renaissanceporträts einer Frau) auf den Kopf.

Der (Sprach-)Philosoph ist nicht zuletzt ein politischer Künstler

Wichtiger als die Arbeit mit Formen, Farben und Materialien, sagte Kosuth einmal, sei ihm die mit Bedeutungen. Der (Sprach-)Philosoph unter den zeitgenössischen Künstlern, der sich, auch in und mit seinen Werken, gern auf Wittgenstein beruft oder Benjamin und Beckett zitiert, ist nicht zuletzt ein politischer Künstler; etwa wenn er in einem jetzt in Stuttgart ausgestellten Werk konstatiert: „Visual space has essentially no owner“ – „Der visuelle Raum hat keinen Besitzer“. (Kleiner Schlossplatz 1. Bis 12. April 2026, Di. bis So. 10–18, Fr. bis 21 Uhr.)

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