Mannheim. Man sieht es nicht sofort, es scheint alles so harmlos, alltäglich, normal. Aber wenn man es dann wirklich sieht, fühlt man sich irgendwie scheußlich. Fotokünstler Rainer Zerback, 1958 in Stuttgart geboren, in Ludwigshafen lebend, zeigt die von uns geschaffene Gegenwart, unser heutiges Leben, und zwar so, als würde er „von außen“, vielleicht aus einer Orbitalposition, seinen Blick auf uns werfen. Es ist keine Missachtung darin, keine Kritik, er zeigt nur ohne Sym-, Em- oder Antipathie, was ist, und auf den zweiten Blick ist es niederschmetternd.
Der Mannheimer Kunstverein hat für den Rundumblick über Zerbacks Schaffen - es sind rund 50 Exponate - Beispiele aus Serien ausgewählt, aus „Contemplationes“, „Futur“, „Metamorphosis“, „Places of Interest“, „Habitat“ und „Visiones“. Und so verschieden das immer mal aussieht, so wird doch alles geeint durch den Blick auf eine unerschütterliche Vordergründigkeit und bunte Leere, die den Betrachter schließlich erschrocken fragen lässt, ob das wirklich unser Leben ist? Ja, ist es.
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Da sind die „Contemplationes“, in denen die „Welt ohne uns“ gezeigt wird, schon fast beruhigend: leere Sandstrände, verlassene Papierkörbe und Ballnetze, ein schnurgerader Highway, der in nebelgraues Nichts führt, oder die Überbleibsel eines Skilifts, zartes Liniengeflecht in weißer Ödnis. Der Gedanke, dass wir das alles sich selbst überlassen würden, wenn wir - und daran arbeitet die zivilisatorische Technik ja zielstrebig - einfach vom Erdball verschwänden, der Gedanke hat etwas schicksalhaft Einverständiges. Richtig mulmig wird einem aber beim Betrachten von Serien wie „Places of Interest“, „Metamorphosis“ oder „Futur“.
Blick auf die hinter Gittern verbliebene Rest-Natur
„Places of Interest“ ist ein Begriff aus der Touristik und meint Sehenswürdigkeiten. Da kraxeln Touristen auf Lanzarote herum, bevölkern den Pariser Platz vorm Brandenburger Tor oder einen Gletscher auf Island - und derart vorgeführt fragt man sich: Warum? Warum machen wir das? Was suchen wir dort? Einfach mal von zu Hause weg. Was anderes sehen. Ist doch legitim. Sehen wir wirklich etwas anderes als andere Touristen auf Island? Ist es das, was unserem Leben Sinn gibt - andere Leute zu sehen, die dasselbe tun wie wir?
Den eklatantesten Beweis für die Sinnleere unserer von industrieller Produktion geprägten Existenz ist der Anblick einer riesigen leeren Volksfest-Attraktion (aus „Futur zwei“), Break Dance verkündend, in giftig bunten Lichtern strahlend und ein Vergessen versprechend - das temporäre Vergessen des beunruhigenden Wühlens in unserm Kopf, warum wir eigentlich da sind? „Metamorphosis“ dagegen stellt die Frage, was nun besser für die Umwelt ist - das Kernkraftwerk oder der riesige Flächen bedeckende Solarpark?
Am besten fühlt man sich als Betrachter noch bei den Falkner-Porträts oder den Zoobildern… bis man sich auch hier sagen muss, dass die unterworfene, eingehegte und hinter Gittern verbliebene Rest-Natur keine Natur mehr ist, sondern eben nur noch ein Rest. Wir haben die „Natur“, unseren sinnstiftenden möglichen Dialogpartner, so gründlich gezähmt, dass ein Dialog nicht mehr möglich ist. Da bleibt uns eben nur die Technoparty oder das Climbing auf künstlichen Felsen. Viel Spaß!
Mannheimer Kunstverein, Augustaanlage 58, bis 28. Juli, Di bis So 12-17, Mi 14-19 Uhr.
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